Kampagne gegen Kindesmissbrauch diskriminiert Ureinwohner
Auf allen Kontinenten werden Ureinwohnergemeinschaften zunehmend an den Rand ihrer
Existenz gedrängt – der Internationale Tag der indigenen Völker, der heute begangen
wird, soll diesen Misstand ins Gedächtnis rufen. Wir blicken nach Australien: Immer
neue Fälle von Kindesmissbrauch und –misshandlung in Aborigine-Familien sorgen in
Australien für Schlagzeilen. Der jüngste Fall berichtet von einem kleinen Mädchen,
das von seiner Familie in die Waschmaschine gesteckt und dadurch richtiggehend gefoltert
wurde. Die australische Regierung hat wegen der Fälle von Kindesmissbrauch im Zentrum
und im Norden des Landes jetzt ein Alkohol- und Pornografieverbot erlassen, das vor
allem die indigene Bevölkerung trifft. Alle dort lebenden Kinder unter 16 Jahren müssen
sich medizinisch untersuchen lassen. Pater Assali Rice ist Aborigine-Seelsorger und
gehört selbst zu den Ureinwohnern; er will die Probleme nicht wegleugnen. „Diese
Probleme gehen auf eine ganze Reihe von Faktoren zurück. Zum einen auf die immer noch
spürbaren Auswirkungen der Kolonialisierung. Ich halte es in dieser Hinsicht für einen
großen Fehler, dass die Regierung nicht die Ältesten der Aborigines anhört und aktiv
mit einbezieht. Die Leute ignorieren die kulturelle Weltsicht der Aborigines; sie
machen sich keine Vorstellung von der Vielfalt der Aborigine-Gruppen hier; und es
gibt auch zuwenig Unterstützung für die Ureinwohner-Verbände. Ein weiterer Faktor
ist die Armut. Fehlender Wohnraum, schlechte Gesundheitsversorgung in Alice Springs…“
Die
Arbeitslosigkeit lähme die Menschen und sorge für Verzweiflung. Aus Frust griffen
viele zur Flasche oder wählten den Selbstmord, so Pfarrer Assali Rice. Alle 38 Stunden
stirbt in den Northern Territories ein Ureinwohner an den Folgen von Alkoholmissbrauch.
In Australien leben etwa 460.000 Aborigines, die damit rund zwei Prozent der Bevölkerung
stellen. „Die Lage ist im Moment ziemlich dramatisch. Den Aborigines ist außerdem
gar nicht wohl, was die Art und Weise betrifft, in der die Regierung mit ihnen umspringt.
Wir stellen uns viele Fragen, was die Einzelheiten der Regierungs-Vorschläge betrifft…
Und ich muss sagen, die Ureinwohner machen sich begründete Sorgen: zunächst einmal,
weil sie die Berichterstattung in den Medien im Moment wie eine Kampagne erleben.
Das ist immer nur gegen sie; die Mehrheitsgesellschaft will offenbar nichts von ihnen
wissen, und darum ziehen sie sich in ein Schneckenhaus zurück und verlieren den Mut,
die Probleme anzugehen.“ Eine Sprecherin der Aborigines kritisierte die Maßnahmen
der Regierung als rassistisch. Kindesmissbrauch habe „kein schwarzes Gesicht“. Wenn
man es ernst meine mit dem Kampf gegen sexuellen Missbrauch, dann solle er „in der
ganzen Gesellschaft“ geführt werden. Die Regierung nehme den Aborigines ihre Würde
und ihre Bürgerrechte, so die Sprecherin. Mehr zu diesem Thema heute Abend im Kreuz
des Südens. (09.08.2007 sis)