Italien: Pfadfinder, „Eine Welt. Ein Versprechen.“
1. August, bei Sonnenaufgang,
weltweit. Pfadfinder auf allen Breitengraden dieser Erde erneuern ihr Versprechen
und erinnern an die Geburtsstunde ihrer Bewegung vor genau 100 Jahren. Heute sind
die Pfadfinder die größte Jugendbewegung weltweit.
„Eine Welt. Ein Versprechen.“
Das Motto der 100-Jahr-Feier wird in den Morgenstunden war. Auf den Circo Massimo
in Rom sind einige tausend Menschen gekommen, viele schon kurz nach Mitternacht, in
dunkelblauen Hosen, mittelblauen Hemden und Blusen, mit Wimpel, mit Bannern, mit Rucksack,
Gitarre und Kinderwagen. Menschen aller Altersklassen stehen hier, denn für sie ist
es kein Klischee: Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder.
Eine Botschaft von
Ministerpräsident Romano Prodi, der den Beitrag der Pfadfinder für Italien lobt: Eine
Schule der recht verstandenen Freiheit seien sie gewesen, eine Schule der Toleranz
und des Friedens. Schirmherr der Feierlichkeiten in Deutschland ist Bundespräsident
Horst Köhler. Er hat für Ende September zu einem internationalen Lager vor Schloss
Bellevue geladen.
Stellvertretend für die 38 Millionen Pfadfinder weltweit
zogen in Rom einige Hundert zum Papst, um - wie er selbst es in der Generalaudienz
sagte, ihre kirchliche Verbundenheit öffentlich zu bekunden - „nachdem sie ihr
Pfadfinderversprechen erneuert haben, das sie verpflichtet, ihre Pflicht gegenüber
Gott zu erfüllen und freigiebig dem Nächsten zu dienen.“ Texte für das Versprechen
gibt es viele, jede Nation, jeder Bund, jede Organisation, nahezu jeder Stamm, wie
die einzelnen Gruppen heißen - hat eine eigene Form. Jeder Neupfadfinder legt es ab,
zu besonderen Anlässen wird es erneuert. Im Zentrum stehen drei Verpflichtungen, auch
sie sind im Kern 100 Jahre alt: die Pflicht gegenüber Gott, gegenüber Dritten - wie
der Menschheit und der Natur - und schließlich gegenüber sich selbst. Benedikt
XVI. erinnerte an den Gründungstag, richtete seinen Gruß an alle Pfadfinder in der
Welt. „Genau heute vor 100 Jahren, am 1. August 1907, begann auf Brownsea Island
das erste Pfadfinderlager der Geschichte. Ich wünsche von Herzen, dass diese erzieherische
Bewegung der Pfadfinder, die aus der inneren Eingebung von Lord Baden Powell erwachsen
ist, weiterhin Frucht trägt: für die menschliche, geistliche und gesellschaftliche
Bildung in allen Ländern der Erde.“Die italienischen Scouts erheben die Wimpel,
kreuzen die Finger der rechten Hand zum Pfadfindergruß - für sie sind die Worte des
Papstes echte Bestätigung: „Einzigartige Gelegenheit, eine Hundertjahrfeier gibt
es nicht jedes Jahr, es ist ein Glück, in diesem Moment hier zu sein, das zeigt die
Basis des Pfadfindertums, die Verbindung mit der Kirche, Gemeinschaft mit allen Pfadfindern
der Welt, im Papst finden wir Einheit, das Pfadfindertum wird anerkannt, der Papst
gibt uns die Möglichkeit, öffentlich zu zeigen, was wir im Alltag tun.“ Robert
Stephenson Smyth Baden-Powell, kurz Bi-Pi, hatte vor 100 Jahren zwanzig Jungen aus
allen sozialen Schichten eingeladen. Schon drei Jahre später rief er gemeinsam mit
seiner Schwester die ersten Mädchengruppen ins Leben. Zum Jubiläumslager, dem so genannten
Jamboree, das derzeit in Chelmsford in Südostengland seine Zelte aufgeschlagen hat,
werden weit mehr als 40.000 Scouts erwartet. Was macht den Reiz aus? Alexandra und
Manuel aus Berlin: „Dass man ganz viel mit anderen Jugendlichen zu tun hat, und
so ein gemeinschaftliches, soziales Leben kennen lernt, so eine Organisation, das
würde man sonst im Leben gar nicht kennen lernen. Das ist wie eine zweite Gesellschaft.“ Dabei
stand am Anfang die Spionage. Im Burenkrieg hatte der Generalmajor Baden-Powell Jungen
zum Überbringen militärischer Nachrichten und im Spionagedienst eingesetzt. Seine
Beobachtungen und Erfahrungen schrieb er im Buch „Aids to Scouting“ nieder. Die darin
enthaltenen Ausführungen zum Leben in der Wildnis fanden Anklang bei Jugendgruppen,
und Baden-Powell überarbeite sie zum einem Erziehungsbuch für junge Pfadfinder. „Scouting
for Boys“ erschien 1899 und ist das Grundlagenwerk der Pfadfinderei. Die Prinzipien
sind der Dienst am Nächsten, der Sinn fürs Konkrete, körperliche Gesundheit und Charakterbildung.
Jeder Pfadfinder sollte „seine eigene Religion haben“; schrieb Bi-Pi. Die Verbände
in Frankreich, Belgien und Italien schrieben sich daher schon früh die christliche
Bildung auf die Fahnen. Der Gründer in Frankreich war ein Jesuit, „Religion ist unsere
Grundlage“ sagte er. „Eine Welt. Ein Versprechen.“ Ganz stimmt es nicht, denn in
sechs Ländern weltweit gibt es bisher keine Pfadfinderverbände. In Andorra, Myanmar,
Laos, Nordkorea, China und Kuba. Die freiheitlichen, religiösen Prinzipien passen
sich nicht jedem System an.Was heißt es heute, Pfadfinder zu sein? Wir haben deutsche
und italienische Jugendliche gefragt: „Es ist ja nicht so, wie man vielleicht
denkt, dass wir immer den rechten Weg finden, aber wir versuchen es halt immer noch
mal neu. Man lernt auch viel über sich selbst. Mit seinen Freunden erkundet man sich
und die Umwelt… Manche Geschichten sind wahr, z.B. das Lagerfeuer, aber es ist halt
auch spannend und interessant, wenn sich viele aus vielen Ecken versammeln… Auf einen
Ruf antworten, nützlich sein, dem Nächsten helfen… Ich hatte so viele schöne Erfahrungen,
die ganz lebendig sind, die Jugendlichen heute sollen das gleiche erleben dürfen.
Pfadfinder sein, heißt jeden Tag als Christ leben, in der Familie, am Arbeitsplatz,
mit den Freunden… Ein schöner Spruch, den wir immer versprechen: Ich verlass die Welt
ein bisschen besser, als ich sie vorgefunden habe.“ Damit erinnern die Scouts
and Guides an einen Satz aus dem Abschiedsbrief Bi-Pis. „Seid gute Christen, seid
gute Bürger“ hat er ihnen außerdem hinterlassen. Auf seinem Grabstein, gestorben ist
er 1941, ist ein Kreis eingemeißelt, mit einem Punkt in der Mitte. „Ich habe meinen
Auftrag erfüllt, bin nach Hause gegangen“, soll das heißen. Ein Symbol, das Pfadfinder
ans Ende einer Aktivität setzen - weltweit. (rv 01.08.2007 bp)