2007-07-31 09:07:35

Der Wochenkommentar von Aldo Parmeggiani


Diesmal kam ein gewichtiges Wort von ganz oben: es war nicht das übliche Bürgerkomittee, nicht der übliche Oppositionspolitiker, auch nicht irgend ein bekannter Medienmann oder Meinunsgbildner, die da ihren Zorn und die Wut über die politische Kaste Italiens öffentlich kundtaten, nein, diesmal war es ein Kardinal. Ein wichtiger Kurienkardinal. Nämlich Renato Raffaele Martino, seines Zeichens Sozialminister des Vatikans, langjähriger ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei der UNO in New York, absoluter Gegner des US-Angriffs auf Bagdad, ein überzeugter Gegner der Todesstrafe - auch für Saddam Hussein, ein Befürworter der Einführung des islamischen Religionsunterrichts in den italienischen Volksschulen, ein Spezialist für Fragen der Menschenrechte und des Lebensschutzes, ein geschulter Vatikan-Diplomat, wie er im Buche steht, kurz um, eine Mann der Gerechtigkeit. Er war es, der in dieser Woche die Medienkeule schwang und sie unverhohlen gegen die Politiker, aber gleichzeitig auch gegen seine eigenen Landsleute, die Süditaliener niederschmetterte. Was war geschehen?
Der Kardinal war mit seinem PKW auf der Autobahn A3 unterwegs, jene Autobahn, die von Salerno, der Geburtsstadt Martinos, nach Reggio Calabria führt. Die wichtigste und einzige Verkehrsader des italienischen Südens. Für die rund 200 Kilometer lange Strecke war der Kirchenvertreter, und alle anderen -  die Vielzahl von Familien mit ihren  Kindern auf Ferienreise sowie der gesamte Reise- Berufs- und Warenverkehr des Tages  -  mehr als fünf Stunden lang unterwegs. Im Schneckentempo von dreißig Stundenkilometern, unter der sengenden Hitze im unerträglichen Stau. Der Grund? Eine ununterbrochene Vielzahl von Baustellen säumen links und rechts diese verkehrsreichste Asphaltbahn Kalabriens. Seit eh und je. Wer sind da die Verantwortlichen, wenn nicht die Politiker selbst? Die meisten von ihnen, die notfalls in ihren gekühlten Luxusmaschinen mit Blaulicht und Chauffeur auf der Notspur überholen dürfen oder diese Strecke kurzerhand im Flugzeug bewältigen können , wissen nichts, von den oft menschenunwürdigen Reisebedingungen des Normalbürgers, gar nichts.  Das erzeugt Frust und Aggresivität, das hat etwas mit Menschenwürde zu tun. Der Kardinal geht noch weiter und vergleicht den Abschnitt der A3 mit einer 'Via Crucis' – einem Kreuzweg.  'Ihr müßt euch endlich wehren, mahnt der hohe Kirchenvertreter, und richtet heiße, rebellierende Worte an seine Landsleute. 'Seid ich ein Kind bin, wird an dieser Autobahn gebaut und sie ist immer noch nicht fertig. Das kann nur Schuld der Mafia und derjengen sein, die für ihr Weiter-Bestehen verantwortlich sind'. Klärende Worte: Endlich spricht sie ein Vertreter jener Institution offen aus, die nicht in dem Verdacht steht, aus politischen oder anderen Gründen, lediglich Zweckpessimismus zu manifestieren. Wird der heilige Zorn des Kardinals Früchte tragen? Wird die A3 einmal zu einer baustellenfreien, normalen Autobahn werden? Die Frage ist schon beantwortet: Nein, denn wenn ja, wäre Italien nicht Italien, der Süden nicht der Süden und die Mafia nicht die Mafia.


Aldo Parmeggiani








All the contents on this site are copyrighted ©.