Vatikan: P. Gemmingen kommentiert "Vatikan-Dokumente"
Sturm aus dem Vatikan.
Nach dem Motu proprio zur alten Messe, nach den Gerüchten über die Neuformulierung
der Wandlungsworte kam nun auch noch der Paukenschlag, dass die evangelische Kirche
gar keine Kirche sei. Für manche engagierten Christen schon ein bisschen viel in dieser
schönen Sommerzeit. Was ist in den Vatikan gefahren? Ist Papst Benedikt nun doch wirklich
der große Kirchenbremser, als den ihn seine Kritiker schon immer gesehen haben? Es
ist verständlich, wenn manche den Kopf schütteln wegen der Erklärung, dass die evangelische
Kirche gar keine Kirche sei. Wenn man sich freilich etwas genauer auskennt, dann wird
die Sache doch verständlicher. Die deutsche evangelische Kirche will nämlich gar
nicht das sein, was die katholische Kirche als Kirche versteht. Die Bischöfe der evangelischen
Kirche verstehen sich nicht in dem Sinn als Nachfolger der Apostel, wie das die katholische
Kirche von ihren Bischöfen bekennt. Für die evangelische Kirche ist die ununterbrochene
Tradition bis zu den Aposteln relativ unwichtig. Wichtig ist ihr, dass das Evangelium
recht verkündet wird. Für die evangelische Kirche sind Abendmahl und Taufe nicht Sakramente,
wie sie von der katholischen Kirche verstanden werden. Für die evangelische Kirche
ist Christus im Wort gegenwärtig und auch in der Feier des Abendmahles. Aber er ist
nicht in der Weise gegenwärtig, wie ihn die katholische Kirche in der Kirche als solcher
und vor allem in ihrem Amt gegenwärtig glaubt. Kurz - die evangelische Kirche hat
ein anderes Selbstverständnis als die katholische. Sie legt darauf auch großen Wert.
Bischof Wolfgang Huber spricht nicht zu Unrecht von der Profilierung der Kirchen.
Kirche ist für ihn nicht einerlei. Er legt wert darauf, eine andere Auffassung von
Kirche zu haben als die katholische Kirche. Genau das hat jetzt auch der Vatikan in
Erinnerung gerufen und erklärt: Wir haben ein anderes Kirchenverständnis. Und nach
dem katholischen Verständnis ist die evangelische Kirche keine Kirche – so wie wir
Kirche verstehen. Die evangelische Kirche will sich auch gar nicht so als Kirche verstehen,
wie sich die katholische Kirche versteht. Man kann den Katholiken vorwerfen, dass
ihr Kirchenverständnis falsch ist. Ja – das geschieht in freundlicher Weise im ökumenischen
Dialog. Aber es wäre falsch, wenn man die Unterschiede überkleistern und verdecken
würde, denn dann kann man sie auch nicht heilen. Heilen kann man Wunden nur, wenn
man die Wunde als Wunde erkennt und anerkennt. Daher sagte die katholische Kirche
schon lange – nicht erst jetzt – die Kirchen der Reformation sind überhaupt keine
Kirchen in dem Sinn wie wir - die Katholiken - Kirche immer schon verstehen. Die katholische
Kirche sagt auch immer schon, dass auch in der evangelischen Kirche das Heil Jesu
Christi vermittelt wird. Sie hat die gültige Taufe, sie bekennt Jesus Christus, sie
verkündet seit Evangelium. Das alles ist gut und recht und wir möchten die Einheit.
Aber wenn wir sagten, die evangelischen Kirchen – es gibt ja nicht nur eine, sondern
viele Landeskirchen – sind Kirche, wie wir uns verstehen, dann würden wir ihnen und
uns Sand Augen streuen, was wir nicht wollen. Das alles ist schmerzlich. Aber
Schmerzen sind bekanntlich dazu da, damit man die Verwundung wahrnimmt. Wenn es nicht
wehtäte, würden wir uns um die Wunde nicht kümmern. Der Schmerz ist der Ausgangspunkt
und Anfang der Heilung. (rv 13.07.2007 gem)