2007-07-11 17:06:30

"Ecclesia Dei" im Gespräch mit Radio Vatikan


RealAudioMP3 Aus eigenem Antrieb – motu proprio eben – hat Papst Benedikt XVI. am vergangenen Samstag den alten Messritus nach den liturgischen Büchern von 1962 wieder allgemein zugelassen. Die der Tradition verbundenen Katholiken hatten das Schreiben seit vielen Monaten ersehnt, während viele andere es im Vorfeld abgelehnt hatten, weil sie ein Zurückgehen hinter die Reformen des II. Vatikanischen Konzils befürchteten. In seinem Begleitbrief erklärte der Papst, Ziel und Zweck der Freigabe der alten Messe sei es, die Einheit der Kirche wieder herzustellen. Für die Aussöhnung mit den Traditionalisten ist an der Kurie die päpstliche Kommission „Ecclesia Dei“ zuständig. Gudrun Sailer sprach mit dem Sekretär der Kommission, dem luxemburgischen Geistlichen Camille Perl, und fragte ihn zunächst, welche Reaktionen bisher auf das Motu proprio von traditionalistischen Kreisen eingetroffen sind.
 
Keine bisher, außer einer Stellungnahme des Generaloberen, des Bischofs Fellay, der das Motu proprio sehr begrüßt und sehr zufrieden ist, gleichzeitig sagt, das könnte jetzt eine neue Atmosphäre schaffen, in der man auch mit serenitas, mit Ruhe und Gelassenheit, die anderen Fragen angehen könnte – die dogmatisch-theologischen Fragen bleiben bestehen. Fellay legt also gleich den Finger auf das, was noch nicht ist, was seiner Meinung nach gemacht werden müsste. Das ist nicht nur positiv.

Der Tonfall, in dem über die alte Messe gestritten wurde, war manchmal schwer erträglich, selbst bei Sympathie für die Anliegen der Traditionalisten. Wird nun mehr Sachlichkeit in die Debatte einkehren?

Die Atmosphäre wird sich ändern, dadurch, dass man sieht, dass der Heilige Vater die beiden Formen des römischen Ritus anerkennt und sie nebeneinander leben lässt. Er gibt nicht einer den Vortritt und sagt, die anderen gehören in eine Ecke, sondern es sind ordentliche und außerordentliche Form - was keine moralische Qualifikation bedeutet - des einen römischen Ritus. Das wird auf Dauer die Atmosphäre ändern, in der die der Tradition verbundenen Katholiken bisher gelebt haben. Sie wurden eher als zweit- und drittklassig angesehen.
 
Reformierte Kirchen, aber auch Katholiken und nicht wenige Bischöfe stehen dem päpstlichen Erlass kritisch gegenüber, weil sie darin ein Signal in die falsche Richtung sehen. Was antworten Sie Menschen, die sich um den Gottesdienst sorgen?

Ich kann ihnen nur sagen, dass man nie besorgt sein sollte, wenn Menschen gut beten. Das kann nicht schlecht sein, man soll ja auch jeden in seinem Gebet beten lassen, sicher dann wenn die Kirche mehrere Riten erlaubt. In der katholischen Kirche gab es immer viele Riten. Es gibt ja nicht nur den römischen Ritus, sondern auch viele orientalischen Riten, die genauso katholisch sind wie wir. Und niemand nimmt daran Anstoß.

Erwarten Sie nun immer noch konzertierten Widerstand gegen die alte Messe?

Es wird sicher weiterhin bei denen, die ganz dagegen sind, Widerstand bleiben, aber ich denke schon, dass man innerhalb von einem Jahr, zwei Jahren doch eine Situation haben wir, in der sich das alles etwas einspielt, und dass die Ängste derer, die jetzt ein großes Erdbeben befürchten, unbegründet sind.
 
In der Karfreitagsliturgie von 1962 sind zwar die „perfiden Juden“ gestrichen, aber es wird für die Bekehrung der Juden gebetet. Riskieren wir mit der Wiederzulassung des alten Ritus nicht den Dialog mit dem Judentum?

Ich glaube, dass diese Frage künstlich hochgespielt wird, ich frage mich in meinem Inneren, warum fürchtet man sich vor den Gebeten, dass die Juden sich zu Christus bekehren sollen? Das ist ein altes Thema des Christentums. Man hat es nie anders gehalten. Die Texte, die von einem Schleier über dem Herzen der Juden sprechen, stammen vom Heiligen Paulus. Er sagt, wenn in den Synagogen das Wort Gottes gelesen wird, sei ein Schleier über ihren Herzen, und dass die Christen beten, dass dieser Schleier weggenommen werden müsse, gehört dazu, dass sie allen das Evangelium verkünden, auch den Juden. Sogar im Gegenteil, nach der Apostelgeschichte sind sie zuerst zu den Juden gesandt und dann zu den Heiden. Die Kirche würde also ihre Aufgabe verleugnen, wenn sie nie mehr für die Bekehrung der Juden beten würde.
 
Kann man die beiden Usus eigentlich auch mischen?

Das sollte man wohl nicht tun, aber es ist nicht ausdrücklich verboten.
 
Hingegen ist es ein ausdrücklicher Wunsch des Papstes, dass die beiden Usus einander befruchten mögen. Wie könnte das konkret aussehen?

Ich glaube, mehr als einzelne Gebete oder Teile meint der Heilige Vater, dass das große generelle Verhalten dieser beiden Liturgien sich unterscheidet. Die alte Liturgie ist sehr theozentrisch, auf Gott zentriert, der Priester schaut immer zum Altar, ist damit viel weniger ausgesetzt den Blicken der Gläubigen, und die Gesten und Gebete sind viel mehr fixiert, sind vorgeschrieben. Während im neuen Ritus vieles ja dem Priester überlassen bleibt, so oder man kann auch anders machen. Und de facto sind viele Dinge schon längst aus der Übung gekommen, zB wird in Deutschland doch sehr selten das ganze Ordinarium, Gloria, Credo, wirklich auf deutsch gesungen. Es werden Lieder zum Gloria, Lieder zum Sanctus gesungen. Das bringt mit sich, dass die Messe im neuen Ritus eine große Vielfalt, manchmal auch Kreativität, manchmal auch, wie der Papst selbst in seinem Brief sagt, fast in einem unerträglichen Maß hat. Die neue Liturgie könnte also von der alten eine größere Stabilität, aber auch eine größere Ehrfurcht im Vollzug lernen.

Als ich jüngst in einem Gottesdienst des alten Ritus war, ist mir doch eine gewisse Lieblosigkeit beim Wortgottesdienst aufgefallen. Ist das ein Punkt, bei dem man im alten Ritus ansetzen sollte?

Jetzt haben Sie einen Missbrauch in der Praxis des alten Ritus herausgegriffen! Man kann auch im neuen Ritus die Texte sehr lieblos behandeln, außerdem kann man die Texte, die vorgegeben sind, durch eigene Kreationen ersetzen, das wird ja leider oft gemacht, die gar nicht biblisch oder liturgisch sind, das ist jedenfalls gegenüber dem Gottesdienst eine große Lieblosigkeit.
 
Erfüllen Gläubige die Sonntagspflicht, wenn sie zu einem Priester der Piusbruderschaft in die Messe gehen?

Es ist sicher eine katholische Messe, da die Priester gültig geweiht sind und der Ritus ein katholischer Ritus ist, und nach dem Codex kann man seine Sonntagspflicht in jeder Messe, die von der Kirche anerkannt ist, auch erfüllen. Andererseits weiß man aber nach 20 Jahren, dass diese Priester nicht in der vollen Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl stehen, alle suspendiert sind, die Bischöfe sogar exkommuniziert, und an diesem Zustand hat sich bisher noch nichts geändert. Wenn es Gläubige gibt, die einmal oder manchmal dorthin gehen, soll man sie gehen lassen, man kann es aber nicht den Gläubigen empfehlen, dorthin zu gehen.

(rv 11.07.2007 gs)








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