Österreich: „Streitigkeiten schlichten und Frieden suchen”
„Streitigkeiten schlichten
und Frieden suchen” - das sieht der Salzburger Liturgiewissenschaftler Rudolf Pacik
als positiven Akzent am Motu Proprio. Welche Auswirkungen das päpstliche Schreiben
vom 7. Juli für die Gemeinden habe, müsse man abwarten, so Pacik. Mario Galgano
hat mit ihm gesprochen:
Die erste Frage: Was bedeutet die Veröffentlichung
des „motu proprio“ für die katholischen Gemeinden? „Das hängt natürlich sehr
von den Gemeinden ab, im Einzelnen lässt sich das nicht absehen. Die Bestimmungen
sehen ja vor, wenn eine stabile Gruppe von Gläubigen diesen Ritus feiern möchte, dass
dies möglich ist. Am Werktag immer, an Sonntagen nur einmal. Wie das dann funktionieren
soll wird man sehen. Vielleicht wird dann Messe um sieben Uhr nach dem tridentinischen
Ritus und Messe um neuen und um elf Uhr nach dem jetzigen Messbuch angeschlagen. Eine
Spaltung wird es wahrscheinlich nicht mit sich bringen. Vielleicht praktische Schwierigkeiten,
etwa dass eben dann der eine Ritus am dritten Sonntag nach Pfingsten ist und der andere
am zehnten Sonntag im Jahreskreis, natürlich mit anderen Texten und so weiter.“
Wird
denn Ihrer Meinung nach dieses Motu Proprio vielleicht mehr Ordnung bringen, betreffend
der Liturgie oder nicht?
„Klarheit, was die Anwendung der beiden Riten betrifft,
sicher. Ob es darüber hinaus Ordnung bringt, das weiß ich nicht. Man könnte höchstens
darüber hinaus aus dieser Idee herausnehmen, dass sich die beiden Riten befruchten.
Der Papst spricht ja auch von der Sakralität, d. h. er hofft, dass mit derselben Erfurcht
der neue Ritus gefeiert wird wie der Alte. Das wäre möglich, wobei man natürlich beim
neuen Ritus nicht immer nur von den Auswüchsen ausgehen darf. Es ist auch so, dass
die traditionalistischen Gruppen immer schlecht gefeierte Liturgie des neuen Ritus,
einer sehr gut gefeierten Liturgie des alten Ritus gegenüberstellen, was natürlich
auch unfair ist.“
Sie haben jetzt schon etwas gesagt, was der Papst auch
in seinem Begleitbrief geschrieben hat: `Die gegenseitige Befruchtung der beiden Formen`.
Das Stichwort dazu ist Sakralität. Was ist denn dabei Ihrer Meinung nach das Entscheidende?
Was meint der Papst damit?
„Sakralität ist in diesem Fall, dass man den
Gottesdienst der Kirche angemessen feiert. Das man nicht meint man muss den Gottesdienst
gestalten, weil es etwas grundsätzlich Langweiliges ist, was man sozusagen aufputzt,
sondern, dass man das herausholt was drinsteckt. Das man nicht gestaltet, sondern
die Gestalt zum Tragen bringt. Das kann man auch Sakralität nennen. Das ist ein Appell
an die Vertreter beider Riten, denn jeder der im alten Ritus etwa ministriert hat,
weiß wie schlampig manche Priester oft zelebriert haben.“
Was können Sie
als Liturgiewissenschaftlicher noch dazu sagen? Was ist Ihnen aufgefallen am Motu
Proprio, das man vielleicht doch noch betonen muss?
„Positiv sicher, dass
man versucht die Streitigkeiten zu schlichten und Frieden zu bringen. Es wird von
zwei Ausdrucksformen des einen Ritus gesprochen. Dies geht natürlich in beide Richtungen,
weil ja auch den Priestern, die dem alten Ritus anhängen gesagt wird, sie sollen sich
nicht weigern den neuen Ritus zu zelebrieren. Es richtet sich also nicht nur an die
große Masse der Gemeinden und Priester die im geltenden Ritus zelebrieren. Rein praktisch
gibt es vielleicht doch ein Problem, und zwar wird gesagt, dass man die Lesungen im
alten Ritus auch in der Volkssprache vortragen kann, d. h. eben dann in den, vom Heiligen
Stuhl anerkannten, Büchern. Heißt es jetzt, dass man auch die neue Leseordnung im
alten Ritus verwenden kann? Dies würde dann heißen, dass man sich überlegen muss,
z. B. bei den gregorianischen Gesängen, welche Stücke man da nimmt. Denn auch der
Bestand des „Graduale Romanum“ wurde ja an das neue Kirchenjahr und an die neue Leseordnung
angepasst. So einfach, dass man nur die Lesungen herausnimmt, ist es nicht. Eine praktische
Sache, nach dem Ritus von 1962 muss der Priester die Lesungen am Altar lesen und zwar
nachdem der Altar normalerweise an der Wand steht mit Richtung zur Wand. Muss er das
auch tun, wenn er auf Deutsch die Lesungen vorträgt. Nachdem er den Ritus streng auslegt
schon. Aber wenn im „motu proprio“ festegestellt wird, das es nur zwei Ausprägungen
des eine römischen Ritus gibt. Es gibt schon theologische Unterschiede, welche hier
etwas heruntergespielt werden. Denn man muss ganz klar sagen, dass das Messbuch von
1962, welches ja im Grunde genommen nur den mittelalterlichen Ritus etwas verändert,
eine Messe von der Grundkonzeption ohne Gemeinde ist. Und der Priester benimmt sich
auch in der feierlichen Liturgie so, also ob überhaupt kein Chor, keine Lektoren usw.
da wären, weil er alle Texte selber noch einmal lesen muss. Das müsste man schon unterstreichen,
dass man den Leuten auch sagt was sie bekommen. Sie bekommen in dem einen Fall einen
Ritus, der in der äußeren Form, in den Rubriken und gewissermaßen in der Körpersprache
eine Form ist, die der Priester für die Gemeinde feiert und im anderen Fall einen
Ritus, den alle miteinander feiern, freilich geleitet von einem geweihten Priester,
das bleibt unbestritten.“