26 Monate nach seinem
Amtsantritt hat Papst Benedikt XVI. eines der großen ungelösten Probleme der katholischen
Kirche und der vatikanischen Diplomatie in Angriff genommen: Das Verhältnis zur Volksrepublik
China und zur dortigen Kirche. Papst Benedikt XVI. wendet sich in einem Brief an die
gespaltene katholische Gemeinde in China. Das Schreiben an „die Bischöfe, Priester,
die Personen des gottgeweihten Lebens und an die gläubigen Laien der katholischen
Kirche in der Volksrepublik China“ wurde heute veröffentlicht. Papst Benedikt XVI.
ruft darin die chinesischen Katholiken zu Geschlossenheit und zur Gemeinschaft mit
dem Papst und der Weltkirche auf. Im ersten Teil des Briefes spricht der Papst die
aktuelle Lage der Kirche in China sowie theologische Aspekte an. Im zweiten Bereich
geht er auf das pastorale Leben ein.
Papst Benedikt betont seine tiefe Zuneigung
zu den Katholiken und China und lobt ihre „begeisterte Treue“ zu den großen Werten
der katholischen Tradition. Ausdrücklich räumt er ein, dass sich ihre Lage in den
vergangenen Jahren verbesserte habe. Doch auch die Probleme der Katholiken in der
Volksrepublik spart der Papst nicht aus, namentlich die Beziehung zum chinesischen
Staat und hierbei besonders die Frage der Bischofsweihen. „Der Heilige Stuhl möchte
in der Ernennung der Bischöfe völlig frei sein“, schreibt Benedikt. Er wünsche
sich in dieser Frage eine Übereinkunft mit der chinesischen Regierung. „Mir ist
bewusst, dass die Normalisierung der Beziehungen mit der Volksrepublik China Zeit
braucht und den guten Willen beider Parteien voraussetzt. Der Heilige Stuhl bleibt
immer offen für Verhandlungen, die notwendig sind, um den gegenwärtig schwierigen
Moment zu überwinden.“
Gleichzeitig betont der Papst, dass die Autorität
eines Bischofs streng religiöser Natur sei. „Es handelt sich also nicht um eine
politische Autorität, die widerrechtlich in innere Angelegenheiten eines Staates eingreift
und seine Souveränität verletzt.“ Gemeinschaft und Einheit seien allerdings „wesentliche
und integrale Elemente der katholischen Kirche; daher ist das Vorhaben einer vom Heiligen
Stuhl „unabhängigen“ Kirche auf religiösem Gebiet unvereinbar mit der katholischen
Lehre.“ So könne der Heilige Stuhl dasoffizielle chinesische Bischofskollegium
nicht anerkennen, weil darin die Untergrundbischöfe fehlten. Benedikt benennt in seinem
Brief alle drei Gruppen von katholischen Bischöfen in der Volksrepublik. Zum einen
spricht er von jenen Oberhirten, die sich wegen ihrer Treue zu Rom geheim und ohne
staatliche Autorisierung weihen ließen. „Illegalität gehört nicht zur Norm des
kirchlichen Lebens“, präzisiert der Papst. Er wünsche, dass Peking die Untergrundbischöfe
anerkenne und dass die Katholiken ihren Glauben frei leben können. An die mit staatlicher
Erlaubnis geweihten Bischöfe appellierte er, sich um eine Aussöhnung mit Rom zu bemühen.
Der Papst bat zudem jene „offiziellen“ Bischöfe, die diese Aussöhnung bereits vollzogen
hätten – die Mehrheit -, dies auch offen gegenüber ihren Gläubigen und den Behörden
zu bekennen.
Den Laien und Familien versichert Benedikt, sie seien die Hoffnung
der Kirche für die Zukunft. „Die Familie trägt in sich das Erbe der Menschheit,
weil durch sie das Leben von Generation zu Generation weitergegeben wird.“ Allerdings
wirkten in China auch Kräfte, die „auf verschiedene Weise“ die Familie negativ
beeinflussten. Benedikt ruft die Kirche zu mehr Anstrengungen auf, um „vor allen“
die Werte der Ehe und der Familie zu bekunden.
Im zweiten Teil des Briefes
gibt Papst Benedikt Ratschläge pastoraler Art. Den Gläubigen empfiehlt er, sich an
romtreue Priester und Bischöfe zu wenden, sollte dies aber nicht möglich sei, können
sie auch Gottesdienste von Geistlichen besuchen, die noch nicht in Gemeinschaft mit
dem Papst stehen. Ferner erlaubt er Priestern der Untergrundkirche, mit „offiziellen“
Priestern zu konzelebrieren, „sofern diese Beziehungen nicht die Ablehnung von
unverzichtbaren Prinzipien des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft mit sich
bringen.“ Zugleich stellte der Papst fest, dass alle bisherigen Sonderregelungen
für die Kirche in der Volksrepublik China abgeschafft seien. Die Katholiken in China
hätten inzwischen ausreichend Gelegenheit, sich in Zweifelsfällen direkt an den Vatikan
zu wenden. Allerdings mahnte Benedikt XVI. an anderer Stelle seines Schreibens die
chinesischen Behörden, den Kirchenvertretern internationale Kontakte zu erlauben.
Diese gehörten zum Grundrecht der Religionsfreiheit. Schließlich legt Benedikt
XVI. in seinem Brief den 24. Mai als Weltgebetstag für die katholische Kirche in China
fest. Das Schreiben ist auf den 27. Mai 2007 (Pfingstsonntag) datiert. (rv 30.06.2007
mg / gs)