Die Fachwelt ist bestürzt,
doch hier im Vatikan sieht man die Sache gelassener: Drei Jahre lang soll die Vatikanische
Bibliothek geschlossen bleiben - mit Blick auf die Ewigkeit ist das im Vatikan nur
ein kurzer Augenschlag. Heute hat Papst Benedikt die berühmte Sammlung besucht. Dass
Benedikt ein Büchernarr ist, war bereits bekannt…
„Ich bekenne, dass ich
an meinem siebzigsten Geburtstag gehofft hatte, dass mir der geschätzte Johannes Paul
II. gewährt, mich ganz dem Studium und der Forschung der interessanten Dokumente widmen
zu dürfen, die ihr hier aufbewahrt: Es sind wahre Meisterwerke, die uns helfen, die
Geschichte der Menschheit und des Christentums zu durchlaufen. In seiner Vorsehung
hat der Herr ein anderes Programm für meine Person vorgesehen, und deswegen bin ich
nun nicht als leidenschaftlicher Erforscher alter Texte unter euch, sondern als Hirt,
der dazu berufen ist, alle Gläubigen zu ermutigen, am Heil der Welt mitzuwirken, indem
jeder den Willen Gottes dort erfüllt, wohin er uns zu arbeiten gestellt hat.“
Neben
der Bibliothek stattete Benedikt auch dem Vatikanischen Geheimarchiv einen Besuch
ab. Leo XIII. war der erste Papst, der 1881 Teile des Geheimarchivs Forschern zugänglich
machte. Zuletzt hatte Benedikt 2006 die Akten des Pontifikats Pius XI. freigegeben.
Manche Historiker missbrauchten die neue Freiheit für einseitige und polemische Darstellungen
der historischen Wahrheit, so Benedikt:
„So muss ich diesbezüglich Eure
Haltung loben, denn euer Dienst war immer selbstlos und unvoreingenommen, und ihr
habt euch ferngehalten von sterilen und manchmal auch fragwürdigen historischen Sichtweisen.
Ihr habt den Forschern das wohlgeordnete Dokumentationsmaterial zur Verfügung gestellt,
ohne vorgefertigte Meinungen und ohne Hindernisse in den Weg zu legen.“
Benedikt
XVI. ließ sich bei seinem Besuch einige herausragende Stücke der Biblioteca Vaticana
zeigen, die Mitte Juli wegen dringender Restaurierungen bis 2010 geschlossen wird.
Dies hatte für Unruhen in Wissenschaftskreisen gesorgt, weil dadurch laufende Forschungsprojekte
gefährdet werden könnten. Unter anderem begutachtete Benedikt XVI. einen um das
Jahr 200 in Ägypten geschriebenen Papyrus, der die früheste Fassung des Lukas- und
Johannesevangeliums enthält, sowie den Codex Vaticanus aus dem vierten Jahrhundert
und einige Originalbriefe Martin Luthers. Im Geheimarchiv nahm er neben dem Wormser
Konkordat von 1122 und einem Kölner Verzeichnis über theologische Irrtümer von Meister
Eckhart von 1327 auch die Akten des Prozesses gegen Galileo Galilei aus den Jahren
1616 bis 1633 in Augenschein.