Die meisten Bewohner Mitteleuropas kleiden sich schlecht, primitiv, unschön. Diese
vielleicht etwas scharfe und ungewöhnliche These möchte ich heute mit Ihnen bedenken.
Seit Jahren habe ich – wenn ich durch unsere Städte und Dörfer komme - den Eindruck,
dass die allermeisten Menschen nicht schön herumlaufen. Man geht im Freizeitlook –
und der ist eher schlampig, langweilig. Wenn ich nun daran denke, wie die Menschen
etwa in Indien, in Japan, in den Ländern Afrikas und Lateinamerikas versuchen, so
schön wie möglich zu sein, so wundert es mich, warum wir reichen Europäer eigentlich
so armselig ausschauen. Jahrelang liefen die Meisten sogar in düsteren Farben herum.
Das ist in letzter Zeit ein wenig besser geworden. Man trägt wieder mehr bunt. Nun
ist die Frage der Kleidung ja eigentlich kein Thema für einen Priester und für einen
Wochenkommentar von Radio Vatikan. Uns soll es ja um die unsterblichen Seelen der
Menschen und ihr ewiges Heil gehen und nicht um die äußere Schönheit. Die Frage
bewegt mich dennoch, weil ich fürchte, die äußere Nachlässigkeit hat mit einer inneren
Haltung zu tun. Ich fürchte, die äußere Stillosigkeit spiegelt innere Unordnung. Ich
wäre froh, wenn ich damit Unrecht hätte. Lassen Sie es mich noch ein wenig ausweiten.
Wenn Menschen sich äußerlich schön machen, dann vermutet man dahinter Eitelkeit. Ich
denke aber, dass das nicht ganz stimmt. Man macht sich auch schön, um anderen einen
guten Anblick zu erlauben. Man macht sich schön, um sich in die Gesellschaft, in der
man lebt, einzuordnen. Das sieht man an wohl gekleideten Bänkern, das sah man früher
an der Trachtenkleidung. ‚Erinnern wir uns daran, dass vor allem Menschen aus ehemals
kommunistischen Ländern sich etwa für die Fronleichnamsprozession in traditionelle
Schale werfen. Wer sich schmuck anzieht, zeigt Stil. Fehlt uns das Gefühl für Stil,
für Anstand, für äußere Umgangsformen? Und wenn ja: zeigt das, dass uns auch im Inneren
Respekt, Hochachtung, Anstand, Ehrfurcht fehlen. Ich habe ein wenig den Verdacht.
Das gilt nicht unbedingt für die einzelne Person, aber das gilt für die Gesellschaft
als Ganze. Und wenn das alles stimmt, dann sollten wir darüber nachdenken, wie wir
die Gesellschaft von innen her heilen können. Und ein letztes: Auch wenn ich mir die
Teilnehmer an vielen Sonntagsgottesdiensten anschaue, dann denke ich: bitte zieht
euch doch für den lieben Gott und die feiernde Gemeinde etwas sonntäglicher an. Wenn
der Priester und die Ministranten gut aussehen, so darf das Volk Gottes nicht nachhinken.
Besonders traurig ist es, wenn Lektorinnen oder Lektoren oder Kommunionhelfer aussehen
als seien sie auf der Flucht. Wenn das Volk Gottes zusammenkommt und vor den Herrn
tritt, sei es schön und schmuck. (rv 23.06.2007 gem)