D: „Die Religionen und die Vernunft“ Herder-Verlag gibt einen Sammelband
zur Regensburger Rede heraus
Bald ist es ein Jahr
her, dass Papst Benedikt seine berühmte Regensburger Vorlesung zum Thema „Glaube und
Vernunft“ gehalten hat. Daraufhin bestimmte allem das islamkritische Zitat eines mittelalterlichen
Kaisers die öffentliche Debatte, Unruhen in islamischen Ländern führten zu besonderen
diplomatischen Initiativen des Vatikan. Darüber geriet das eigentliche Thema, nämlich
„Glaube und Vernunft“ und der Ort der Theologie an der Universität ein wenig in Vergessenheit. Nun
hat der Herder-Verlag einen Sammelband herausgegeben, der die wichtigsten Beiträge
zur Debatte versammelt. Herausgeber ist der Frankfurter Theologieprofessor Knut Wenzel.
Lesen Sie hier den Beitrag von Max Cappabianca OP:
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Die
Regensburger Rede vor allem als einen Angriff auf den Islam zu interpretieren, sei
ein grobes Mißverständnis, so Wenzel. Der Papst habe aber auch nicht nur „versehentlich“
den Islam aber nicht hineingezogen: "Ich glaube schon, das war schon ein bewusstes
Zeichen, das gesetzt worden ist. Und es hat ja auch eine sehr interessante Wirkung
gehabt, nämlich die, dass nach einem anfänglichen sehr heftigen Welle der Reaktionen
in der muslimischen Welt dann etwas passiert ist, was man nur begrüßen kann, nämlich
dass sich viele moderate Gelehrte und geistliche Führer im Islam auf der Bühne der
Weltöffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Und zwar solche, mit denen auch ein interreligiöser
Dialog geführt werden kann und auch geführt werden muss.“ Unter den Verfassern
der Beiträge finden sich auch kritische Stimmen wie die des Philosophen Kurt Flasch: „Kurt
Flasch ist sicher ein begnadeter Polemiker… Worum es ihm geht ist zweierlei: Zum einen
sagt er, wenn man anderen Religionen einen allzu unbedarften Umgang mit Gewalt vorwirft,
muss man auch die eigene Geschichte in Betracht ziehen. Das haben andere auch gesagt
und das ist ja durchaus richtig. Ich würde allerdings meinen, dass eine solche selbstkritische
Perspektive in der Perspektive Papst Benedikts nicht ausgeschlossen ist, auch wenn
sie hier nicht ausdrücklich thematisiert worden ist in der Vorlesung. Das andere ist
der Umgang mit Kant, und da wird man zum einen etwas moderater sagen müssen, dass
Papst Benedikt Kant falsch zitiert hat. Er hat auf ihn angespielt, er hat ihn paraphrasiert.“ Aber
nicht nur die Frage nach dem Gewaltpotential des Christentums und der Umgang mit Kant
wird diskutiert, auch die Interpretation der Geistesgeschichte und die Einordnung
des Protestantismus, wie sie vom Papst vorgenommen wurde, ist auf Kritik gestoßen: „Und
darauf hat zum Beispiel Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende der EKD, geantwortet,
sehr differenziert und moderat. Er hat nachdrücklich gesagt, dass die protestantische
Tradition sehr wohl eine enge Koalition von Vernunft und Glauben kennt und denkt.
Das kann man natürlich noch weiter befragen und debattieren und Kardinal Walter Kasper
hat darauf auch geantwortet und hat darauf hingewiesen, dass es auch in der protestantischen
Tradition durchaus unterschiedliche Stellungnahmen zum Verhältnis von Glauben und
Vernunft gibt.“ Über Glauben und Wissen und die Hoffnungslosigkeit der modernen
Vernunft denkt der Philosoph Jürgen Habermas nach. Er begrüßt die Suche nach der Vernünftigkeit
des Glaubens, wittert aber die Gefahr darin, dass in der Vorlesung die drei geistesgeschichtlichen
Einschnitte Nominalismus, Historismus und Kants kritische Wende aus der Entstehungsgeschichte
der „gemeinsamen Vernunft“ von Gläubigen, Ungläubigen und Andersgläubigen ausgeblendet
wird. Letztlich müsse die Regensburger Vorlesung vor allem als Plädoyer für die
Theologie an der Universität gelesen werden, so Knut Wenzel: „Papst Benedikt,
dem man nicht nachsagen kann, dass er ein Modernist wäre, hat sich in diesem Text,
in dieser Regensburger Vorlesung in einer von ihm sonst gar nicht gekannten Weise
deutlich zum Erbe der Moderne und der Aufklärung bekannt. Er hat gesagt, man kann
nicht hinter die Aufklärung zurückgehen, auch die Kirche profitiere von den Früchten
der Moderne, und deswegen hat die Theologie auch ihren Ort auch im modernen wissenschaftlichen
Diskurs und zwar nicht nur um ihrer selbst willen, sondern meine ich um der Wissenschaften
willen.“ Es bleibt die Hoffnung, dass… „…diese
Debatte und die positiven Anknüpfungspunkte, die Papst Benedikt in seiner Regensburger
Vorlesung gesetzt hat, nicht nur sozusagen mediales Ereignis bleiben, sondern wenn
sie weiterwirken könnten und in unpolemischer ernsthafter Weise die Debatte um die
Frage von Glaube und Vernunft und um die Relevanz um Glaube in der modernen Gesellschaft
fortgeführt werden kann.“ Wir empfehlen Ihnen dieses Büchlein sehr;
dort haben sie in einem Band alle an verschiedenen Orten erschienenen Diskussionsbeiträge.
Knut Wenzel (Hg.) Die Religionen und die Vernunft. Die Debatte um die Regensburger
Vorlesung des Papstes Kt., 120 Seiten, Euro 9,90/ Euro (A) 10,20/SFr 18.50 ISBN
978-3-451-29709-0 HERDER-Verlag 2007