Das Pontifikat von
Benedikt XVI. ist keine Zeit der großen Gesten oder der lauten Worte. Stattdessen
wird es geprägt von oft kleinen, nachdenklichen Akzentverschiebungen. Auch die Predigt
Benedikts zum Fronleichnamsfest wartete am Donnerstag Abend mit so einem kleinen theologischen
Glanz-Moment auf.
Rom, am Fronleichnamsabend: Vor der Basilika San Giovanni
im Lateran wird das Evangelium verlesen. Es ist die Lukas-Schilderung der wunderbaren
Brotvermehrung durch Jesus, ein Text, den Papst Benedikt auch in seinem neuen Jesus-Buch
ausgiebig durchdenkt. Schlußsatz der Passage: "Und alle aßen und wurden satt." "Ich
will zunächst einmal dieses Wort alle unterstreichen", sagt dann der Papst
in seiner Predigt. Was banal klingen mag, hat theologisch und liturgisch einen interessanten
Hintergrund: Denn das Wort alle steht auch in den Wandlungsworten bei der Heiligen
Messe. "Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
So hieß die Übersetzung der Wandlungsworte - bisher. Denn auf Wunsch des Vatikans
- so scheint ein Brief der entsprechenden päpstlichen Kongregation nahezulegen - sollen
Jesu Worte im Abendmahlssaal künftig enger am griechischen Originaltext übersetzt
werden. Die neue Fassung könnte daher eines Tages lauten: "für euch und für viele". Nur
ein Detail? Die bevorstehende Änderung hat jedenfalls eine Debatte ausgelöst, die
auch in Blättern wie "Christ in der Gegenwart" oder dem "Rheinischen Merkur" ausgetragen
wurde. Manchem mochte da die neue Formulierung "für viele" exklusiv klingen - als
sei also das Heil, das Jesus bringt, nicht einfach unterschiedslos für alle, sondern
nur für die, die auch bereit sind, es anzunehmen. Sehr vereinfacht gesagt, hört sich
die Formel "für alle" offen an, die Formel "für viele" hingegen einschränkender. Es
ist diese theologische Debatte, die den Resonanzboden abgibt für die Worte des Papstes
vor der Fronleichnamsprozession 2007. "Ich will zunächst einmal dieses "alle"
unterstreichen. Es ist in der Tag der Wille des Herrn, dass jeder Mensch sich von
der Eucharistie nährt - denn die Eucharistie ist für alle." Und dann erwähnt Benedikt
auch explizit den Gründonnerstag, an dem an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern
erinnert wird - und damit an die Worte Jesu, die die Eucharistie eingesetzt haben
und die die Wandlungsworte der Heiligen Messe sind. "Am Gründonnerstag zeigt sich
der enge Zusammenhang, der zwischen dem Letzten Abendmahl und dem Geheimnis des Todes
Jesu am Kreuz besteht. Heute wiederum, am Fest Fronleichnam mit der Prozession und
der Anbetung der Eucharistie, wird die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, dass
Christus sich geopfert hat für die ganze Menschheit." Auch wenn er das nicht an
den so genannten Einsetzungsworten der Eucharistie entwickelt, sondern an der Geschichte
von der wunderbaren Brotvermehrung: Benedikt macht deutlich, dass Jesu Opfer am Kreuz
für alle war und ist - nicht nur für einige wenige, nicht nur für eine ganze Menge,
sondern wirklich für alle. Das ist seine theologische Botschaft von Fronleichnam 2007. Dann
aber mal zurückgefragt: Warum sollen dann die Wandlungsworte künftig übersetzt werden
mit: "für euch und für viele", und eben nicht mit "für euch und für alle"? Geht es
da also nur darum, enger am griechischen Originaltext zu bleiben? Nein - auch hinter
dem Wort "für viele" steht ein wichtiger, theologischer Gedanke. Benedikt XVI. spricht
ihn in seinem neuen Buch über Jesus von Nazareth an. Auch diesmal liest er die Eucharistie
im Licht der wunderbaren Brotvermehrung. Beides sind, so sagt er, "Brotgeschichten".
Warum gibt Jesus bei der Brotvermehrung allen zu essen? Antwort des Papstes in seinem
Buch: "Die Menschen waren gekommen, um Gottes Wort zu hören, und hatten alles andere
dafür liegengelassen. Und so, als Menschen, die ihr Herz für Gott und füreinander
geöffnet haben, können sie das Brot in der rechten Weise empfangen." "Alle aßen
und wurden satt" bedeutet also: Jesus gab allen Brot, weil sie sich für sein Wort
geöffnet hatten. "Zu diesem Brotwunder gehört also dreierlei: Die Suche nach Gott,
nach seinem Wort, nach der rechten Weisung für das ganze Leben ist vorangegangen.
Das Brot wird des Weiteren von Gott erbeten. Und endlich ist die gegenseitige Bereitschaft
des Teilens ein wesentliches Element des Wunders." "Für euch und für viele" - das
zielt also darauf, dass der Same - so wie es ein berühmtes Gleichnis Jesu ausdrückt
- auch auf fruchtbaren Boden fallen muß, um aufzugehen.