"Denn mit der Kraft
und der Vernunft, nicht mit Waffen - mit der Kraft der Gerechtigkeit kommt man voran".
Im August 1939, wenige Tage vor Hitlers Einmarsch in Polen, versuchte Papst Pius XII.
in einer Radioansprache abermals den Kriegsausbruch zu verhindern. Ein Schritt
zurück: Als Eugenio Pacelli noch nicht Pius XII. war, sondern Kardinalstaatssekretär
im Vatikan, hätte ein Rom-Besuch Adolf Hitlers den Kirchenmann beinahe dazu veranlasst,
von seinem Amt als Zweiter Mann des Heiligen Stuhles zurückzutreten. Das erklärte
Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone Dienstag Abend bei der Buchvorstellung „Pius
XII., Eugenio Pacelli – ein Mann auf dem Thron Petrus“. Pius XII. – ein Feind des
Nationalsozialismus: Diese These des italienischen Historikers Andrea Tornielli versucht
die Ressentiments gegen den umstrittenen Papst während des Zweiten Weltkrieges zurecht
zu rücken. Bertone bezeichnete Papst Pius als „Opfer einer schwarzen Legende“: „Ehrlichen
Menschen sind vielleicht weitere Fragen in den Sinn gekommen. Wann hat Pius XII. Mussolini
getroffen? Es scheint, als sei er ihm ein einziges Mal 1932 als Staatssekretär begegnet,
als Mussolini Pius XI besuchte. Aber als Papst niemals. Wann hat Kardinal Pacelli,
also Pius XII., Hitler getroffen? Niemals. Aus den Quellen geht hervor: Nie. Wann
ist er womöglich Hitler und Mussolini gemeinsam begegnet? Nie. Es gibt hingegen eine
Dokumentation, aus der hervorzugehen scheint, dass Kardinal Pacelli anlässlich des
Besuchs von Hitler zurücktreten wollte.“ Dem Papst, der von 1939 bis 1958 die
Kirche führte, wird vorgeworfen, von den Konzentrationslagern gewusst zu haben. Statt
zu intervenieren habe er sich in Schweigen gehüllt. Papst Pius XII. müsse als Mensch,
Diplomat und Papst neu entdeckt werden, da sind sich Forscher und Kirchenmänner einig,
erläutert Bertone: „Man muss zu den Quellen gehen und die historischen Dokumente
sprechen lassen. Nicht mit einer vorgefertigten Meinung die Quellen instrumentalisieren,
sondern die Quellen selbst zum Sprechen bringen. Die vielen, unzähligen Überlieferungen
erlauben es dem Forscher, die menschlichen, spirituellen und politischen Züge dieses
Papstes offen zu legen.“ Die Rolle Pius XII. während des zweiten Weltkrieges
kann allerdings nur durch die Öffnung der noch gesperrten Akten im Vatikanischen Geheimarchiv
abschließend geklärt werden. Bertone brachte aus diesem Grund gestern Abend eine Kostprobe
aus den unveröffentlichten Dokumenten mit: Ein Aufruf zu Solidarität von päpstlicher
Seite. 1943, so erinnern Zeitzeugen, zirkulierte ein Schreiben, dass an alle Diözesen
und Gemeinden appellierte, sich für das Leben der Juden einzusetzen. Genaueres erfahre
man jedoch erst, so Bertone, wenn der Vatikan die Akten freigebe. Wann genau – dazu
wollte sich der Kardinalstaatssekretär nicht äußern. Nach vatikanischem Reglement
dürfen die Archivbestände erst 70 Jahre nach dem Ende eines Pontifikates freigegeben
werden. Allerdings hatte es in der Vergangenheit mehrere Ausnahmen von dieser Regelung
gegeben.