2007-06-07 14:23:19

Bertone: Pius XII. neu entdecken


RealAudioMP3 "Denn mit der Kraft und der Vernunft, nicht mit Waffen - mit der Kraft der Gerechtigkeit kommt man voran". Im August 1939, wenige Tage vor Hitlers Einmarsch in Polen, versuchte Papst Pius XII. in einer Radioansprache abermals den Kriegsausbruch zu verhindern.
Ein Schritt zurück: Als Eugenio Pacelli noch nicht Pius XII. war, sondern Kardinalstaatssekretär im Vatikan, hätte ein Rom-Besuch Adolf Hitlers den Kirchenmann beinahe dazu veranlasst, von seinem Amt als Zweiter Mann des Heiligen Stuhles zurückzutreten. Das erklärte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone Dienstag Abend bei der Buchvorstellung „Pius XII., Eugenio Pacelli – ein Mann auf dem Thron Petrus“. Pius XII. – ein Feind des Nationalsozialismus: Diese These des italienischen Historikers Andrea Tornielli versucht die Ressentiments gegen den umstrittenen Papst während des Zweiten Weltkrieges zurecht zu rücken. Bertone bezeichnete Papst Pius als „Opfer einer schwarzen Legende“:
„Ehrlichen Menschen sind vielleicht weitere Fragen in den Sinn gekommen. Wann hat Pius XII. Mussolini getroffen? Es scheint, als sei er ihm ein einziges Mal 1932 als Staatssekretär begegnet, als Mussolini Pius XI besuchte. Aber als Papst niemals. Wann hat Kardinal Pacelli, also Pius XII., Hitler getroffen? Niemals. Aus den Quellen geht hervor: Nie. Wann ist er womöglich Hitler und Mussolini gemeinsam begegnet? Nie. Es gibt hingegen eine Dokumentation, aus der hervorzugehen scheint, dass Kardinal Pacelli anlässlich des Besuchs von Hitler zurücktreten wollte.“
Dem Papst, der von 1939 bis 1958 die Kirche führte, wird vorgeworfen, von den Konzentrationslagern gewusst zu haben. Statt zu intervenieren habe er sich in Schweigen gehüllt. Papst Pius XII. müsse als Mensch, Diplomat und Papst neu entdeckt werden, da sind sich Forscher und Kirchenmänner einig, erläutert Bertone: „Man muss zu den Quellen gehen und die historischen Dokumente sprechen lassen. Nicht mit einer vorgefertigten Meinung die Quellen instrumentalisieren, sondern die Quellen selbst zum Sprechen bringen. Die vielen, unzähligen Überlieferungen erlauben es dem Forscher, die menschlichen, spirituellen und politischen Züge dieses Papstes offen zu legen.“
Die Rolle Pius XII. während des zweiten Weltkrieges kann allerdings nur durch die Öffnung der noch gesperrten Akten im Vatikanischen Geheimarchiv abschließend geklärt werden. Bertone brachte aus diesem Grund gestern Abend eine Kostprobe aus den unveröffentlichten Dokumenten mit: Ein Aufruf zu Solidarität von päpstlicher Seite. 1943, so erinnern Zeitzeugen, zirkulierte ein Schreiben, dass an alle Diözesen und Gemeinden appellierte, sich für das Leben der Juden einzusetzen. Genaueres erfahre man jedoch erst, so Bertone, wenn der Vatikan die Akten freigebe. Wann genau – dazu wollte sich der Kardinalstaatssekretär nicht äußern. Nach vatikanischem Reglement dürfen die Archivbestände erst 70 Jahre nach dem Ende eines Pontifikates freigegeben werden. Allerdings hatte es in der Vergangenheit mehrere Ausnahmen von dieser Regelung gegeben.

(rv 06.07.2007 sis)







All the contents on this site are copyrighted ©.