(Archivbeitrag) Breites Echo in den Medien hat das jüngste Urteil in Sachen
Elektrosmog gegen Radio Vatikan gefunden. Zwei Verantwortliche des Senders, Pater
Pasquale Borgomeo und Kardinal Roberto Tucci, sind dabei zu je zehn Tagen Haft auf
Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss Radio Vatikan die Prozesskosten – etwa
25.000 Euro – tragen sowie Entschädigung an die betroffene Bevölkerung zahlen. Doch
worum geht es eigentlich in dem Prozess?
Zunächst: Es handelt sich nicht um
einen, sondern um zwei Prozesse gegen Radio Vatikan im Zusammenhang mit dem Elektrosmog,
den die Sendeanlage Santa Maria di Galeria im Norden Roms absondert. Bei Prozess Nummer
eins geht es um die Beeinträchtigung von Lebensqualität, bei Prozess Nummer lautet
die Anklage auf Mord.
Das Urteil vom Montag betrifft Prozess Nummer eins –
und damit die Lebensqualität von Anrainern der Sendeanlage. Zum Beispiel: Fernsehprogramme
können nicht einwandfrei empfangen werden, weil sie von Radio Vatikan überlagert werden.
Oder: Aus dem Telefon ertönt Radio Vatikan statt der Stimme des Gesprächspartners.
Das Urteil in Prozess Nummer eins lautet also vorläufig: schuldig. Ins Gefängnis müssen
die beiden Radio-Direktoren nicht, weil sie unbescholten sind. Und wie viel Entschädigung
wird der Vatikan den Betroffenen zahlen? Hier wird es haarig, erklärt der Jurist von
Radio Vatikan, Giacomo Ghisani.
„ Zunächst muss Radio Vatikan eine Studie
bezahlen, die untersuchen wird, wie viele Menschen wie sehr in ihrer Lebensqualität
beeinträchtig sind - und wie viel Geld „beeinträchtigte Lebensqualität“ wert ist.
Beim Prozess war von Forderungen in der Höhe von mehr als 250 Millionen Euro die Rede.“
250
Millionen Euro - existenzgefährdend für Radio Vatikan. Der Sender wird gegen das Urteil
Berufung einlegen. Mit dem Argument, dass Santa Maria di Galeria die italienischen
Grenzwerte für Elektrosmog – es sind die strengsten Europas - seit Jahren einhält.
Und bevor es überhaupt italienische Normen gab, hielt sich der Vatikan an die EU-Normen.
Ernsteren Inhalts ist der ZWEITE Elektrosmog-Prozess gegen Radio Vatikan.
Hier geht es um Kinder, die in den vergangenen Jahren im Umfeld der Sendeanlage an
Leukämie erkrankten und zum Teil starben. Allerdings kam eine internationale Expertengruppe
– bezahlt von der italienischen Regierung, also gleichsam der Klägerseite – zu dem
Schluss, dass die Häufigkeit von Leukämie im fraglichen Gebiet nicht über dem Durchschnitt
liegt. Prozess Nummer zwei steht noch am Anfang.
„Im Moment warten wir
auf eine richterliche Entscheidung, ob der Vatikan in einer Studie untersuchen soll
– beziehungsweise muss -, ob die Leukämiefälle mit der Strahlenbelastung überhaupt
zusammen hängen.“
Aus Sicht des Vatikans stecken hinter den Anschuldigungen
massive politische und wirtschaftliche Interessen. Denn das fragliche Areal ist groß:
400 Hektar. Vor gut 50 Jahren, als der Vatikan das Sendezentrum baute, war das Gebiet
rundherum unbewohnt. Doch in den vergangenen 30 Jahren wucherten die Siedlungen der
Metropole Rom immer näher an die Sendemasten heran – übrigens ohne dass eine der italienischen
Regierungen das unkontrollierte Wachstum verhindert hätte. „Man will uns aus Santa
Maria di Galeria weghaben“, kommentieren die Radio-Chefs. Der Wert des Areals ist
in 30 Jahren förmlich explodiert. Und ohne Sendemasten wäre Santa Maria di Galeria
für Immobilien-Spekulanten das Geschäft ihres Lebens. (rv 11.05.05 gs)