2007-05-27 08:36:33

Stichwort: Heiliger Geist.


Die „Macht“ oder das Prinzip, durch das Jesus, der neue Mensch, „inmitten der Weltgeschichte anwesend bleibt“, heißt im Glaubensbekenntnis „Heiliger Geist“. Als Professor in Tübingen hat der jetzige Papst 1968 bei einer Vorlesungsreihe diesen Text des Glaubensbekenntnisses zum Ausgangspunkt für eine originelle theologische Analyse genommen. „Ich glaube an den Heiligen Geist“ übersetzte er dabei so: Ich glaube an eine „Kraft, durch die uns Christus seine Nähe erfahren lässt“. Leider wurden und werden die Worte „Heiliger Geist“ im Credo von den meisten Christen isoliert verstanden – im Sinn von: Ich glaube, dass es einen Heiligen Geist gibt, also die dritte „innergöttliche Person“, die dritte Person der so genannten göttlichen Dreifaltigkeit. Das ist zwar auch tatsächlich Inhalt des christlichen Glaubens – aber darum geht es dem Credo an dieser Stelle gar nicht, im Gegenteil: Wenn man das so isoliert liest und bekennt, dann wird ja „die Lehre vom Heiligen Geist ortlos“, „praktisch ohne Funktion für das christliche Bewusstsein“.

In Wirklichkeit geht es an dieser Stelle des Credo gar nicht um das Thema Dreifaltigkeit, sondern um die „Macht Gottes in der ... Geschichte“ der Menschheit, um seine bleibende Nähe. „Ich glaube an Heiligen Geist“, übersetzt der Theologe Ratzinger deshalb etwas eigenwillig. Und wo er gerade dabei ist, setzt er auch gleich einen Doppelpunkt hinter den „Heiligen Geist“, denn das, was jetzt im Credo folgt, gehört für ihn dazu. Ich glaube an Heiligen Geist: an die Kirche also.

Jesu Rückkehr zum Vater war ja, und man hört bei diesen Worten einen leisen Spott heraus, „keine Weltraumfahrt“. Sie bedeutet eigentlich, dass er „nicht mehr der Welt der Vergänglichkeit und des Todes angehört“, sondern bei Gott ist. „Der Mensch findet Raum in Gott“, das Wesen Gott und das Wesen Mensch sind seit Jesu Durchbruch nicht mehr voneinander zu trennen, sondern ineinander verwoben, die menschliche Geschichte hat dadurch jetzt eine neue Richtung und ein neues Niveau. Und weil Gott ja „den ganzen Kosmos umfasst und trägt“, ist Jesus jetzt nicht weit weg von uns, sondern ist uns im Gegenteil „für immer nahe“, sogar „in Hörweite“. Das bedeutet im Credo „Heiliger Geist“. –

Spricht der Papst nun aber vom Heiligen Geist im engeren Sinn als der dritten „Person“ der göttlichen Dreifaltigkeit, dann tut er dies in geradezu hymnischen Worten. „Die Welt, in der wir leben“, sieht er als „das Werk des Schöpfergeistes“. Pfingsten, das Fest seiner Herabkunft, als „ein Fest der Schöpfung“. Der Heilige Geist, der „uns entgegen(kommt) durch die Schöpfung und ihre Schönheit“. Und der uns erlaubt, „einen Blick in das Innere Gottes zu werfen“, wo wir „etwas völlig Unerwartetes (sehen): In Gott gibt es ein Ich und ein Du. Der geheimnisvolle Gott ist keine unendliche Einsamkeit; er ist ein Ereignis der Liebe.“ Gott ist also nicht nur „Schöpfergeist“, nicht nur „schöpferische Mathematik, ... die die Gesetze der Welt und ihre Ordnung formt“, sondern er „hat ein Herz. Er ist die Liebe.“ Der Sohn spricht mit dem Vater, „und beide sind eins im Geist, der sozusagen die Atmosphäre des Schenkens und des Liebens ist, das aus ihnen einen einzigen Gott macht.“
Der Heilige Geist ist also „reines Geschenk“, und er ist „die Hingabe Gottes“ und lehrt uns, das Leben zu finden, indem wir es für andere hingeben; „man findet es nicht, wenn man es an sich reissen will ... Je mehr man sein Leben für die anderen, für das Gute, hingibt, desto voller strömt der Fluss des Lebens.“ Der Heilige Geist ist „lebendige Quelle“, die uns in die „Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott ... einführt“ und der uns „zu Söhnen und Töchtern Gottes macht“. Indem er uns an der Verantwortung Gottes für die Welt teilhaben lässt, führt er uns einer „Freiheit der Kinder Gottes“, die sich auf Verantwortung reimt. Leben schenkt er, Freiheit und Einheit, und diesen letzten Gesichtspunkt versucht der Papst ausgerechnet am Bibelwort „Der Geist weht, wo er will“ zu belegen. „Der Wille des Geistes ist keine Willkür. Er ist der Wille der Wahrheit und des Guten. Daher weht er nicht irgendwoher und dreht sich mal hierhin und mal dorthin; sein Wehen zerstreut uns nicht, sondern es sammelt uns, weil die Wahrheit vereint und die Liebe vereint.“ Beispiel Pfingsten: Die Apostel werden bei ihrer Predigt auf einmal von Menschen aus ganz verschiedenen Ländern verstanden, Hinweis darauf, dass der Heilige Geist „die Herzen (befähigt), die Sprachen aller Menschen zu verstehen, weil er die Brücke echter Kommunikation zwischen Erde und Himmel wiederherstellt. Der Heilige Geist ist die Liebe.“
Ein anderes, neutestamentliches Bild für die Sendung des Heiligen Geistes ist viel verhaltener: Der Auferstandene haucht die Jünger an und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist.“ „Der Atem Jesu“, so folgert Benedetto aus dieser Szene, „ist der Heilige Geist.“ Der Papst erkennt hier zunächst eine Anspielung auf die Schöpfungsgeschichte: „Der Mensch ist dieses geheimnisvolle Geschöpf, das ganz von der Erde stammt, dem aber der Atem Gottes eingehaucht wurde.“ Der Auferstandene nun klinkt sich in die Schöpfungsgeschichte ein und schreibt sie weiter: „In den Menschen ist jetzt trotz all ihrer Grenzen etwas absolut Neues – der Atem Gottes. Das Leben Gottes lebt in uns. Der Atem seiner Liebe, seiner Wahrheit und seiner Güte.“
Aus den Briefen des Apostels Paulus schliesst Benedikt XVI., dass uns „der Geist bis in die innersten Tiefen unseres persönlichen Seins“ prägt. „Ohne die Gegenwart des Geistes in uns (gibt es) kein echtes Gebet“ – das bedeutet „eine Einladung, immer empfänglicher, immer aufmerksamer für diese Gegenwart des Geistes in uns zu sein, sie in Gebet zu verwandeln“. Ohne ihn wären wir abgeschnitten von der Liebe Gottes; das meint der Papst, wenn er in seiner ersten Enzyklika „einen sehr ausdrucksstarken Satz des hl. Augustinus“ zitiert, nämlich: „Wenn du die Liebe siehst, siehst du die Heiligste Dreifaltigkeit.“ „Wenn wir also lieben, geben wir dem Geist Raum“. Der Heilige Geist ist, kurz gesagt, für den Papst „der wahre Hauptakteur der Kirche“, und das macht er mit einer etwas eigenwilligen Überlegung am Pfingsttag fest: Der auferstandene Jesus hatte ja die Apostel gebeten, Jerusalem nicht zu verlassen und zusammenzubleiben, und dieses Zusammenbleiben und Beten war also „die Bedingung, die Jesus für den Empfang der Gabe des Heiligen Geistes stellte“. Ist das nicht der „Entwurf einer ausgezeichneten Lehre für jede christliche Gemeinschaft“? Missionarischer Erfolg – darauf will Benedikt hinaus – hängt also gar nicht so sehr „von einer genauen Planung“ und einer „intelligente(n) Umsetzung“ ab, sondern von Gottes Initiative, dem Senden seines Geistes, und davon, dass wir zusammenbleiben, . „Die Wurzeln unseres Seins und unseres Handelns“ – ein etwas rätselhafter, aber schöner Satz des Papstes – „liegen im klugen, im weisen Schweigen Gottes.“
Postsynodale Exhortation „Sacramentum caritatis“, 13.3.07; Generalaudienz, 15.11.06; Angelus, 11.6.06; Predigt und Regina Coeli, 4.6.06; Predigt bei Treffen mit geistlichen Bewegungen, 3.6.06; Enzyklika „Deus Caritas est“, 25.12.05; Predigt, 15.5.05; Einführung in das Christentum

Aus: S.v. Kempis, Benedikt XVI. - das Lexikon. Von Abtreibung bis Zölibat. Erscheint im Herbst 2007 im Leipziger St.-Benno-Verlag.







All the contents on this site are copyrighted ©.