2007-05-26 12:49:10

Wochenkommentar: Vom Geist des Verstehens


RealAudioMP3 „Die Christen feiern Pfingsten. Das gibt uns in diesem Jahr Anlass, darüber nachzudenken, warum die Papstbotschaft in Brasilien bei uns offenbar nicht besonders gut angekommen ist.“ Das sagt Pater Eberhard von Gemmingen in seinem Wochenkommentar. Er betont:
„Ja – ich bin der Ansicht, dass die Papstreden vor zwei Wochen diesseits des Ozeans kein besonders gutes Echo fanden. Vielleicht hat das mit Verstehen zu tun, was ja ein Stichwort für Pfingsten ist. Modern könnte man von guter Kommunikation sprechen, die durch den Heiligen Geist damals in besonderer Weise ermöglicht wurde.
Schon die scholastische Philosophie wusste: Quidquid recipitur – ad modum recipientis recipitur. Zu Deutsch: Was immer im Geist aufgenommen wird, wird auf die Weise des Aufnehmenden aufgenommen. Anders ausgedrückt: Jeder hört und versteht auf seine eigene Weise – ein bisschen anders als der Nebenmensch. So suchen wir alle und besonders Journalisten oft in einem Text bestimmte Stichworte. Also für Lateinamerika die Schlagworte: Ungerechtigkeit, Befreiungstheologie, Sekten, Kirchenrückgang, Eingeborene. Zu diesen Stichworten erwarten wir bestimmte Aussagen. Das ist verständlich. Damit ist aber die Gefahr gegeben, dass man das, was der Papst eigentlich sagen will, überhört und überliest. Man geht mit der eigenen Brille dran. Alle Menschen reagieren so. Aber man sollte sich dann und wann wieder bewusst machen, dass das zu Fehlschlüssen führen kann. Man versteht dann den anderen nicht wirklich. Beim ersten Pfingsten wurde genau das möglich, dass Menschen sich trotz ihrer Vorurteile und Brillen verstanden. Natürlich müssen sich ein Papst und seine Ratgeber beim Vorbereiten von Reden fragen, ob sie alles getan haben, damit sie wirklich verstanden werden. Aber auch die Rezipienten dürfen nicht nur nach eigenen Kriterien hören und lesen. Und es kommt ein zweites hinzu: Auch wenn ich meine, an einer Rede manches kritisieren zu müssen, so sollte ich dennoch nicht übersehen, dass ich vielleicht 80 Prozent des Inhalts gut annehmen kann und nur 20 Prozent kritisiere. Leicht vergessen wir wegen des Kritisierten die Masse dessen, was wir billigen. Es gibt auch hierfür ein klassisches scholastisches Wort: Bonum ex integra causa, malum ex quolibet defectu. Gutes braucht eine runde Ursache, Schlechtes ist Folge jedweden Mangels. Beispiel: Auch der kleinste Schmerz kann einem das Leben vergällen, zum Wohlfühlen aber muss alles rundum stimmen. Verstehen kommt nicht immer von selbst zustande, man muss sich schon darum bemühen. Bei aller berechtigten Kritik muss doch der Versuch, den anderen zu verstehen, das Entscheidende sein. Nur so kommt gerade pfingstliche Gemeinschaft zustande. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest.“
(rv 26.05.2007 gem)







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