„Die Christen feiern
Pfingsten. Das gibt uns in diesem Jahr Anlass, darüber nachzudenken, warum die Papstbotschaft
in Brasilien bei uns offenbar nicht besonders gut angekommen ist.“ Das sagt Pater
Eberhard von Gemmingen in seinem Wochenkommentar. Er betont: „Ja – ich bin der
Ansicht, dass die Papstreden vor zwei Wochen diesseits des Ozeans kein besonders gutes
Echo fanden. Vielleicht hat das mit Verstehen zu tun, was ja ein Stichwort für Pfingsten
ist. Modern könnte man von guter Kommunikation sprechen, die durch den Heiligen Geist
damals in besonderer Weise ermöglicht wurde. Schon die scholastische Philosophie
wusste: Quidquid recipitur – ad modum recipientis recipitur. Zu Deutsch: Was immer
im Geist aufgenommen wird, wird auf die Weise des Aufnehmenden aufgenommen. Anders
ausgedrückt: Jeder hört und versteht auf seine eigene Weise – ein bisschen anders
als der Nebenmensch. So suchen wir alle und besonders Journalisten oft in einem Text
bestimmte Stichworte. Also für Lateinamerika die Schlagworte: Ungerechtigkeit, Befreiungstheologie,
Sekten, Kirchenrückgang, Eingeborene. Zu diesen Stichworten erwarten wir bestimmte
Aussagen. Das ist verständlich. Damit ist aber die Gefahr gegeben, dass man das, was
der Papst eigentlich sagen will, überhört und überliest. Man geht mit der eigenen
Brille dran. Alle Menschen reagieren so. Aber man sollte sich dann und wann wieder
bewusst machen, dass das zu Fehlschlüssen führen kann. Man versteht dann den anderen
nicht wirklich. Beim ersten Pfingsten wurde genau das möglich, dass Menschen sich
trotz ihrer Vorurteile und Brillen verstanden. Natürlich müssen sich ein Papst und
seine Ratgeber beim Vorbereiten von Reden fragen, ob sie alles getan haben, damit
sie wirklich verstanden werden. Aber auch die Rezipienten dürfen nicht nur nach eigenen
Kriterien hören und lesen. Und es kommt ein zweites hinzu: Auch wenn ich meine, an
einer Rede manches kritisieren zu müssen, so sollte ich dennoch nicht übersehen, dass
ich vielleicht 80 Prozent des Inhalts gut annehmen kann und nur 20 Prozent kritisiere.
Leicht vergessen wir wegen des Kritisierten die Masse dessen, was wir billigen. Es
gibt auch hierfür ein klassisches scholastisches Wort: Bonum ex integra causa, malum
ex quolibet defectu. Gutes braucht eine runde Ursache, Schlechtes ist Folge jedweden
Mangels. Beispiel: Auch der kleinste Schmerz kann einem das Leben vergällen, zum Wohlfühlen
aber muss alles rundum stimmen. Verstehen kommt nicht immer von selbst zustande, man
muss sich schon darum bemühen. Bei aller berechtigten Kritik muss doch der Versuch,
den anderen zu verstehen, das Entscheidende sein. Nur so kommt gerade pfingstliche
Gemeinschaft zustande. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest.“ (rv 26.05.2007
gem)