Bei einem Bombenanschlag
in der türkischen Hauptstadt Ankara sind gestern mindestens sechs Menschen getötet
worden, mehr als 80 Menschen wurden verletzt. Die Explosion ereignete sich nach Polizeiangaben
in dem belebten Stadtviertel Ulus in den frühen Abendstunden vor einem Einkaufszentrum,
kurz vor Beginn eines offiziellen Abendessens für 500 Teilnehmer einer internationalen
Waffenmesse. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen vermutet die Polizei kurdische
Separatisten als Drahtzieher; Internetforen erwägen einen Selbstmordattentäter einer
türkisch-kommunistisch-revolutionären Verbindung hinter dem Attentat. Kurzum: Das
wichtigste an dem Anschlag sind die Spekulationen, so der Leiter der Missio-Fachstelle
für Menschenrechte, Otmar Oehring. „Ich denke, der Anschlag kommt vielen in der
Türkei sehr gelegen. Es ist gestern von einem hochrangigen Mitglied des Generalstabs
gesagt worden, dass man wohl davon ausgehen muss, dass der separatistische Terror
im Hintergrund steht, und das ist natürlich durchaus auch eine gern gefundene Anschauung,
weil man natürlich den Kurden gerade in diesen aufgewühlten Zeiten des Parlamentswahlkampfes
alles in die Schuhe schiebt.“ Konstruktiver als alle Spekulationen, so Oehring,
der in Ankara aufwuchs, sei der Hinweis auf ein besorgniserregendes Phänomen: „Der
Nationalismus ist momentan ein ganz großes Problem in der Türkei, eine Gefahr auch
für die Zukunft des Zusammenlebens in dem Vielvölkerstaat Türkei; man muss auch sagen,
dass die Türkei nicht nur ein monolithischer Block von Türken ist, sondern es leben
viele Völker dort, aber die Nationalisten versuchen dies stets so darzustellen, als
ob das alles nur ,Türken’ wären, respektive dass nur Türken ein Lebensrecht in der
Türkei hätten. Insofern kann man natürlich durchaus spekulieren, dass es bestimmte
Gruppen gegeben hat, die Interesse an diesem Anschlag hatten, die nationalistische
Gefühle in dieser Vorwahlkampfzeit bedienen wollen und alles, was uns jetzt momentan
in den Medien berichtet wird, nicht unbedingt mit der Wahrheit zu tun hat.“ (rv
23.05.2007 sis)