Papst in Brasilien: 13. Mai. Alles auf einen Klick.
Papst auf dem
Heimweg - Gegen 1 Uhr Mitteleuropäischer Zeit fliegt das Kirchenoberhaupt am Montag
von Sao Paulo aus nach Rom zurück. Am Montag um 12.45 Uhr wird Papst Benedikt in Ciampino
landen. Am Sonntag um15 Uhr Mitteleuropäischer Zeit hat der Papst die Eröffnungsmesse
mit den Teilnehmern der Konferenz gefeiert. Um 21 Uhr hat er nach der Vesper eine
Grundsatzrede zur Eröffnung der Fünften Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas
und der Karibik gehalten. Eröffnung: Fünfte Generalversammlung der
Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik Papst Benedikt hat in seiner ausführlichen
Eröffnungsrede die Themen angesprochen, die die Bischöfe in Angriff nehmen müssen.
Hier die Kernsätze aus der Grundsatzrede:
In Lateinamerika ... sieht man ein
Fortkommen in Richtung Demokratie; dennoch bleiben Motive, sich Sorgen zu machen angesichts
autoritärer Regierungen oder Ideologien, die sich überlegen dünken und die mit der
christlichen Vorstellung vom Menschen und der Gesellschaft, wie es die Soziallehre
der katholischen Kirche lehrt, nichts zu tun haben. Auf dem Weg zu einer freien Wirtschaft
in manchen Ländern Lateinamerikas muss die Gerechtigkeit im Blick behalten werden...
Es stimmt schon, dass im Ganzen der Gesellschaft eine Schwächung des christlichen
Lebens und der Teilnahme am Leben der katholischen Kirche festzustellen ist; das liegt
am Säkularismus, am Hedonismus, an der Beliebigkeit und auch am Proselytismus durch
zahlreiche Sekten, durch Naturreligionen oder durch neue pseudo-religiöse Bewegungen.
All das stellt uns vor eine neue Situation, um die es hier in Aparecida gehen wird.
Angesichts der neuen und schwierigen Herausforderungen hoffen die Gläubigen, dass
diese fünfte Konferenz ihren Glauben an Christus erneuern und wiederbeleben wird...
Wer
Gott aus seinem Horizont ausschließt, der bekommt ein schiefes Bild von der Wirklichkeit
und kann nur auf dem falschen Weg landen, mit den falschen Rezepten in der Hand. Unsere
erste grundlegende Aussage ist darum die folgende: Nur wer Gott anerkennt, kennt die
Realität und kann auf sie adäquat und wirklich menschlich antworten. Die Wahrheit
dieser These scheint evident, wenn wir auf das Versagen aller Systeme blicken, die
Gott in Klammern setzen.
Die Begegnung mit Gott ist in sich selbst und als
solche eine Begegnung mit den Brüdern. ... In diesem Sinn ist die „Option für die
Armen“ impliziert schon drin im christologischen Glauben an diesen Gott, der für uns
arm geworden ist, um uns mit seiner Armut zu bereichern. ...
(Es ist) nötig,
das Volk zur Lektüre und zur Meditation des Wortes Gottes zu erziehen... Wie sollten
sie denn sonst seine Botschaft verkünden, wenn sie deren Inhalt und Geist gar nicht
bis ins Tiefste kennen? ...
(Außerdem sehe ich) die Notwendigkeit in unserem
Pastoralprogramm, dem Wert der Sonntagsmesse Priorität zu geben. Wir müssen die Christen
motivieren, damit sie aktiv an ihr teilnehmen – am besten, wenn möglich, gemeinsam
mit der Familie. ...
Wie kann die Kirche zur Lösung der dringenden sozialen
und politischen Probleme beitragen und wie auf die große Herausforderung der Armut
und des Elends antworten? Die Probleme Lateinamerikas und der Karibik sind, wie überhaupt
in der Welt von heute, vielfältig und komplex, und man kann sie nicht mit Patentrezepten
angehen. Kein Zweifel: Die fundamentale Frage, wie die Kirche im Licht des Glaubens
an Christus auf diese Herausforderungen antworten soll, geht uns alle an. In diesem
Zusammenhang ist es unerlässlich, vom Problem der Strukturen zu sprechen, vor allen
Dingen den Strukturen, die Ungerechtigkeiten hervorrufen. Gerechte Strukturen sind
eine Bedingung, ohne die eine gerechte Ordnung der Gesellschaft nicht möglich ist.
Aber wie entstehen sie, und wie funktionieren sie? Kapitalismus wie Marxismus gaben
vor, die Straße für die Schaffung gerechter Strukturen zu kennen, und beteuerten,
dass diese, wenn sie denn erst mal geschaffen wären, von selbst funktionieren würden.
Sie beteuerten, dass man dazu eine dem allem vorausgehende individuelle Moral nicht
brauche... Doch dieses ideologische Versprechen hat sich als falsch erwiesen, die
Fakten haben das gezeigt. Das marxistische System hat, wo immer es an der Regierung
war, nur ein trauriges Erbe an wirtschaftlicher und ökologischer Zerstörung hinterlassen
und darüber hinaus eine schmerzhafte Zerstörung des Geistes. Das Gleiche sehen wir
auch im Westen, wo die Distanz zwischen Armen und Reichen ständig wächst und die Menschenwürde
auf beunruhigende Weise Schaden leidet: durch Drogen, Alkohol und täuschende Glücksversprechen.
Wie gesagt: Gerechte Strukturen sind eine unerlässliche Bedingung für eine
gerechte Gesellschaft. Aber sie entstehen und funktionieren nicht ohne einen moralischen
Konsens der Gesellschaft, über die grundlegenden Werte und über die Notwendigkeit,
diese Werte auch mit dem nötigen Verzicht, sogar gegen das persönliche Interesse zu
leben. Wo Gott abwesend ist, der Gott mit dem menschlichen Antlitz Jesu Christi, da
zeigen sich diese Werte nicht mit ihrer ganzen Kraft, und es entsteht auch kein Konsens
über sie. Ich will damit nicht sagen, dass die Nicht-Gläubigen nicht mit einer besonderen
und exemplarischen Moralität leben könnten; ich sage nur, dass eine Gesellschaft,
in der Gott abwesend ist, nicht den nötigen Konsens über moralische Werte findet und
auch nicht die Kraft, entsprechend dem Modell dieser Werte zu leben - und das auch
gegen die eigenen Interessen. ...
Die politische Arbeit ist nicht unmittelbare
Kompetenz der Kirche. Der Respekt einer gesunden Laizität, was auch die Pluralität
der politischen Positionen einschließt, ist in einer echten christlichen Tradition
grundlegend. Wenn die Kirche anfangen würde, sich direkt in ein politisches Subjekt
zu verwandeln, dann würde sie damit nicht mehr tun für die Armen und für die
Gerechtigkeit, sondern weniger. Denn sie verlöre ihre Unabhängigkeit und ihre
moralische Autorität, wenn sie sich mit einem einzigen politischen Weg und mit Meinungen,
über die man sich streiten kann, identifiziert. Die Kirche ist Anwältin der Gerechtigkeit
und der Armen, eben weil sie sich nicht mit den Politikern identifiziert noch
mit den Interessen der Parteien. ...
Da es sich hier um einen Kontinent der
Getauften handelt, wird es nötig sein, im politischen Bereich, aber auch in Medien
und Universitäten, etwas gegen die bemerkenswerte Abwesenheit von Stimme und Initiative
katholischer Führer mit starker Persönlichkeit und großherzigem Einsatz zu tun, die
konsequent sind, was ihre ethischen und religiösen Überzeugungen betrifft. ...
Die
Familie, ein Weltkulturerbe, bildet einen der wichtigsten Schätze der lateinamerikanischen
Länder. Ohne Zweifel ist sie im Moment mit widrigen Situationen konfrontiert, die
sich aus Säkularismus und ethischem Relativismus ergeben. ... In einigen Familien
Lateinamerikas gibt es leider immer noch eine Macho-Mentalität, die die Neuheit des
Christentums ignoriert, bei der die gleiche Würde und Verantwortung der Frau im Vergleich
zum Mann anerkannt und proklamiert wird. (Übersetzung: sis, sk, bp)
Grußworte
von Kardinal Ossa
Zu Beginn der Vesper in Aparcedia,
richtete der Präsident der CELAM, Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, Erzbischof
von Santiago de Chile die ersten Worte an Papst Benedikt XVI.:
Lieber Heiliger
Vater, im Namen aller Anwesenden, Mitglieder und Gäste dieser 5. Generalversammlung
der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, aber auch im Namen aller Bischöfe,
Priester und Diakone, Ordensleute, Geweihte und Laien, die mit uns an diesem Nachmittag
verbunden sind in ihren Häusern sowie in zahlreichen Kirchen und Heiligtümern unseres
Landes, möchte ich Ihnen, Heiliger Vater, ein überaus herzliches und dankbares Willkommen
sagen.
Diese so lang ersehnte Begegnung mit Eurer Heiligkeit berührt uns sehr,
hier an der Seite unserer lieben Frau von Aparecida, in dieser heiligen Stadt, wahrhaft
Hauptstadt der Geographie des Glaubens. Uns erfüllt mit Dankbarkeit und Vertrauen
das unaufhörliche Gebet unserer Kirche, das – mit Maria, der Mutter Jesu – eine flehentliche
Bitte ist für unsere Hirten und für all jene, die mit ihnen zusammenarbeiten, wie
auch für die ganze Kirche, um einen neuen Einbruch des Heiligen Geistes, um ein neues
Pfingsten.
Dieses Heiligtum ist gewachsen als Frucht aus einem wundersamen
Fischfang. Darum ruft es in uns die Erinnerung hervor an die Berufung der ersten Jünger
Jesu, am Ufer des Sees, und an den Glauben des Simon Petrus, als er die Herausforderung
seines Herrn und Meisters annahm, und in See stach, um die Netze auszuwerfen und einen
derartigen Überfluss an Fischen zu erhalten. An diesem Ort der Gnade nun ist nicht
der Fischfang die wundersame Begebenheit, sondern die Entdeckung des Bildnisses unserer
lieben Frau, verborgen und beschädigt im Wasser des Flusses Paraìba.
Der Fluss,
der die Geburt dieses Heiligtums bezeichnet, ruft uns, im gleichen Moment, den Fluss
des lebendigen Wassers beim Propheten Ezechiel und in der Offenbarung des Johannes
in Erinnerung; ein Fluss, der seine Quelle hat am Thron Gottes und des Lammes, der
Geist, der alle Dinge mit Leben erfüllt. Das Bild unserer lieben Frau von Aparecida
macht uns jene Kreatur bewusst, die ihre Seele für das Wirken des Heiligen Geistes
öffnet; der sie lehrt, im Magnificat die machtvollen Werke der Barmherzigkeit und
Weisheit Gottes zu besingen. Sie ist Quelle der Inspiration für die ganze Kirche,
die Jüngerin und Missionarin ist wie sie, die Magd des Herrn. In allen ihren Heiligtümern
rufen wir ihre Fürbitte an, um Leben im Überfluss zu haben und zu geben.
Heiliger
Vater, genau das ist es, was wir mehr wollen: dass alle die Türen ihrer ganzen Existenz
und ihres Durstes öffnen für diesen Fluss des lebendigen Wassers, das erfüllt mit
Jugendlichkeit, mit Frieden und mit dem neuen Leben in Christus, damit das, was der
Vater im Himmel auf diesem Kontinent der Hoffnung ausgesät hat, reichliche und erstaunliche
Frucht bringen möge, so wie es auch im Leben der Jungfrau Maria und aller unserer
Heiligen war.
Zusammen wollen wir vor dem Nachfolger des Heiligen Petrus, und
auch mit ihm unseren Eifer erneuern: zu Beginn dieses Jahrhunderts die Netze auszuwerfen
und dies im Namen des Herrn zu tun. Wir tun dies im Vertrauen auf die Ernte eines
überfließenden und wundersamen Fischfangs, damit sie in unseren Völkern das Licht
des Tages sehen, das Licht Christi, nicht nur das gesegnete Abbild aus dem Fluss Paraíba,
sondern auch die vielen verborgenen Gesichter, untergegangen in der Traurigkeit, in
der Verzweiflung oder unter dem Gewicht der zahlreichen Ungerechtigkeiten; die Gesichter,
in denen sich das Streben spiegelt, ein lebendiges Abbild Jesu Christi zu sein, oder
seiner heiligen Mutter… im Letzten schließlich, ein Abbild der Heiligsten Dreifaltigkeit
zu sein.
Heiliger Vater, im Bewusstsein, dass Christus gekommen ist, kommt
und kommen wird zu unserem Treffen, der uns beim Namen ruft, uns dazu einlädt, seine
Jünger zu sein, auch in uns den Willen erweckt, in der Gemeinschaft der Kirche zu
leben, ihn zu hören, ihm nachzufolgen, wollen wir mit erneutem Eifer den missionarischen
Auftrag annehmen, seinen Namen hinauszutragen, den Armen das Evangelium zu bringen,
den Blinden und Gefangenen die gute Botschaft als Befreiung von den Sünden und ihren
gravierenden Konsequenzen zu verkünden, als Verheißung eines erfüllten Lebens, als
Freude, Frieden und Hoffnung. Wir wollen immer Hirten nach dem Herzen Jesu sein, damit
sich die Herzen und die Sinne öffnen, die Freuden und die Leiden, die Irrtümer und
die Armseligkeiten, die Projekte und die Kulturen auf den hin, der das Leben ist,
die Wahrheit und das Leben für unsere Völker und für die ganze Welt.
„Rede,
Herr, denn dein Diener hört“, so war die Antwort des Samuel, als er seinen Weg als
Jünger und als Prophet des Herrn begann. Es ist auch das, um was wir Gott in Demut
bitten zu Beginn unserer Versammlung. Rede, Herr, vor unseren Brüdern, im besonderen
den Kleinsten; und sprich zu uns durch die Unruhen, das Elend und durch den Hunger
nach Brot, das herabgestiegen ist vom Himmel, in dieser unseren Zeit. Sprich zu uns
durch die Schriften, wenn wir auf Knien zu Füßen des Allerheiligsten Sakramentes verharren.
Sprich zu uns durch den Mund der Tradition der Kirche mit den Freuden und Schmerzen,
dem Vergessenen, dem Leben und den Aufgaben unserer Gemeinschaft, dankbare Gaben deiner
Gnade und deiner Liebe. In dieser Stunde der Gnade, in diesem Haus deiner Heiligen
Mutter Aparecida, sprich zu uns, Herr, durch den Nachfolger Petri, deiner Erscheinung
in mitten deiner Kirche, der hier mit uns sein wollte, um seinen Auftrag zu erfüllen,
uns im Glauben zu stärken. Sprich zu uns, Herr, mit den Worten von Papst Benedikt
XVI. Deine Jünger und dein Missionare hören dich.
Große
Messfeier Benedikts XVI. in Aparecida
Der Open-Air-Gottesdienst
auf dem Platz vor der Basilika war der Auftakt des lateinamerikanischen Bischofstreffens.
Zu dem Gottesdienst bei herrlichem Sonnenschein kamen mehrere hunderttausend Menschen
in gelöster Stimmung auf das Gelände des Marienheiligtums. Viele hatten auch auf dem
Gelände übernachtet, um einen Platz für die Papstmesse zu erhalten. Die Atmosphäre:
irgendwie familiärer als in Sao Paolo, die Umgebung ist auch grüner, hier kamen die
Menschen näher an den Gast aus Rom heran. Hoch über dem Altar Benedikts XVI. ein großes
weißes Kreuz, das von der Fassade der Marienbasilika herunterblickte; darunter, hinter
dem Altar, die große Darstellung eines segnenden Christus auf gelbem Grund. Benedikt
im hellen Meßgewand wirkte gelöst, etwas müde vielleicht, sichtlich angetan von den
fröhlichen Gesängen. Auffallend bei der Feier war die Anwesenheit der vielen Bischöfe
aus allen Teilen Lateinamerikas. Drei Wochen lang wollen die 170 Kardinäle und Bischöfe
sowie 100 weitere Delegierte von heute an über die kirchliche Zukunft des Subkontinents
beraten und die Lage von einer halben Milliarde Katholiken analysieren.
Unser
Korrespondent, Pater Max Cappabianca, schickte uns nach der Papstmesse folgende Eindrücke:
Die
Stimmung auf dem Platz vor der Basilika in Aparecida war großartig und der Papst in
seinem Element, denn in seiner Predigt wies Benedikt XVI. wieder einmal auf die grundlegenden
Glaubenswahrheiten hin: Die Menschen können missionarisch sein, weil Christus vom
Vater gesandt ist. Das ist es, was die Christen in Lateinamerika zu „Jüngern und Missionaren“
macht. Der christliche Glaube habe Lateinamerika zum „Kontinent der Hoffnung“
gemacht, so der Papst. Grundlage der Hoffnung für die Christen sei „nicht eine politische
Ideologie, nicht eine soziale Bewegung, nicht ein Wirtschaftssystem, sondern der Glaube
an Gott als die Liebe, der in Jesus Christus Fleisch geworden, gestorben und auferstanden
ist.“ In der Predigt fanden sich daher keine politischen oder sozialen Appelle,
vielmehr eine Ermutigung, der Kraft des Glaubens an Jesus Christus zu vertrauen.
Erst aus dieser Mitte heraus geht aller christlicher Einsatz für Gerechtigkeit hervor.
Konsequent die Aufforderung des Papstes an die Gläubigen: „Seid treue Jünger und mutige
und wirksame Missionare!“ (rv 13.05.2007 mc)
Die
Predigt des Papstes in Aparecida
Der Glaube habe Amerika zum Kontinent
der Hoffnung gemacht, nicht eine politische Ideologie, eine soziale Bewegung, oder
ein Wirtschaftssystem. Das hat Papst Benedikt XVI. zum Auftakt der Bischofsversammlung
in Aparecida betont. Wir dokumentieren hier seine Predigt in der Heiligen Messe am
Wallfahrtsort in unserer eigenen Übersetzung:
Ich betrachte es als besonderes
Geschenk der Vorsehung, dass diese Heilige Messe zu dieser Zeit und an diesem Ort
gefeiert wird. Wir sind in der liturgischen Osterzeit, angekommen am 6. Sonntag: Pfingsten
ist schon nahe, und die Kirche ist eingeladen, den Heiligen Geist immer mehr anzurufen.
Der Ort ist das Nationalheiligtum Unserer lieben Frau von Aparecida, marianisches
Herz Brasiliens: Maria empfängt uns in diesem Abendmahlssaal, und diese Mutter und
Meisterin hilft uns zu Gott ein einmütiges und vertrauensvolles Gebet zu richten.
Diese liturgische Feier ist das wirklich Fundament der V. Konferenz, denn sie stellt
sie auf die Grundlage des Gebets und der Eucharistie, Sacramentum caritatis – Sakrament
der Liebe. Tatsächlich, nur die Liebe Christi, ausgegossen durch den Heiligen Geist,
kann aus dieser Versammlung ein authentisches kirchliches Ereignis machen, einen Moment
der Gnade für diesen Kontinent und für die ganze Welt. Heute Nachmittag werde ich
die Möglichkeit haben, zum Kern der Fragen kommen, die das Thema euer Konferenz aufwirft.
Jetzt lassen wir dem Wort Gottes Raum, das wir in Freude dem Vorbild Marias folgend
aufnehmen können, unserer Frau der unbefleckten Empfängnis, mit offenem und gehorsamen
Herzen, damit durch die Kraft des Heiligen Geistes Christus im Heute unserer Tage
aufs neue Fleisch annehmen kann.
Die erste Lesung aus der Apostelgeschichte
spricht vom so genannten „Konzil von Jerusalem“, das die Frage behandelte, ob die
Heiden, die Christen wurden, die Gebote des Mose zu befolgen hätten. Der Text überspringt
die Diskussion „zwischen den Aposteln und den Ältesten“ (vv. 4-21) und gibt die abschließende
Entscheidung wieder, die in einem Brief niedergeschrieben wurde, der zwei Gesandten
anvertraut wurde; diese sollten ihn der Gemeinde von Antiochien überbringen (vv. 22.29).
Diese Passage der Apostelgeschichte passt für uns, denn auch wir sind zu einer Kirchenversammlung
zusammen gekommen. Der Text erinnert uns an den Sinn des gemeinschaftlichen Unterscheidungsvermögens
angesichts wichtiger Problemfelder, die sich der Kirche auf ihrem Weg stellen und
die durch die „Apostel“ und „Ältesten“ geklärt werden – im Licht des Heiligen Geistes,
der, so sagt das heutige Evangelium, an die Lehre Jesu Christi erinnert (vgl. Joh
14,26) und so der christlichen Gemeinde hilft, in Liebe zur ganzen Wahrheit zu gelangen
(vgl. Joh 16,13). Die Häupter der Kirche diskutieren und tauschen Argumente aus, aber
immer gestützt auf das gläubige Hören des Wortes Christi im Heiligen Geist. So können
sie am Ende sagen: „Wir haben entschieden, der Heilige Geist und wir…“ (Apg 15,28).
Das
ist die „Methode“, mit der wir in der Kirche arbeiten, in den kleinen wie großen Versammlungen.
Das ist nicht nur eine Verfahrensfrage; es ist Spiegelbild der Natur der Kirche selbst,
Geheimnis der Gemeinschaft mit Christus im Heiligen Geist. Was die Konferenzen der
Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik angeht: die erste Konferenz im Jahr 1955 in
Rio de Janeiro stützt sich auf einen Brief Papst Pius XII.; in den folgenden bis heute
ist der Bischof von Rom an den Versammlungsort gekommen, um die Anfangsphase zu leiten.
In ehrfürchtiger Dankbarkeit denken wir an die Diener Gottes Paul VI: und Johannes
Paul II, die den Konferenzen in Medellín, Puebla und Santo Domingo Zeugnis gegeben
haben, dass die Weltkirche den Kirchen in Lateinamerika nahe ist, die proportional
betrachtet, den Großteil der katholischen Welt umfassen. „Der Heilige Geist und
wir.“ Das ist die Kirche: wir, die gläubige Gemeinde, das Volk Gottes, mit seinen
Hirten, die gerufen sind sie auf dem Weg zu führen; zusammen mit dem Heiligen Geist,
Geist des Vaters im Namen des Sohnes gesandt, Geist dessen, der größer ist als alle
und uns durch Christus geschenkt, der sich für uns klein gemacht hat. Geist des Beistands,
Anwalt, Verteidiger und Tröster. Er lässt uns in der Gegenwart Gottes leben, im Hören
auf sein Wort, frei von Verwirrung und Furcht, mit dem Frieden im Herzen, den Jesus
uns hinterlassen hat und den die Welt nicht geben kann (vgl. Joh 14,26-27). Der Geist
begleitet die Kirche auf dem langen Weg, der zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen
Christi liegt: „Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück“ (Joh 14,28) sagte Jesus
zu den Aposteln. Zwischen dem „Gehen“ und dem „Wiederkommen“ Christi liegt die Zeit
der Kirche, die sein Leib ist; das sind die 2000 Jahre, die bisher vergangen sind;
das sind auch die fünf Jahrhunderte und mehr, in denen die Kirche in Amerika auf Pilgerschaft
ist, den Gläubigen durch die Sakramente das Leben Christi bringt und in diesen Erdteilen
den guten Samen des Evangeliums ausstreut, der dreißigfach, sechzigfach oder hundertfach
Frucht trägt. Zeit der Kirche, Zeit des Geistes: Er ist der Meister, der zu Jüngern
macht: Er entfacht die Liebe zu Jesus, er erzieht zum Hören auf sein Wort, zur Betrachtung
seines Antlitzes; er macht uns der von ihm selig genannten Menschheit ähnlich, arm
im Geist, trauernd, sanft, hungernd nach Gerechtigkeit, barmherzig, rein im Herzen,
Friedensstifter, verfolgt um der Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5,3-10). So, dank des
Eingreifens des Heiligen Geistes, wird Jesus der Weg, auf dem der Jünger vorangeht.
„Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten“, sagt Jesus am Beginn
des heutigen Evangelienabschnitts. „Das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir,
sondern vom Vater, der mich gesandt hat“ (Joh 13,23-24). Wie Jesus die Worte des Vaters
weitergibt, so erinnert der Heilige Geist die Kirche an die Worte Jesu (vgl. Joh 14,26).
Und wie die Liebe zum Vater Jesus dazu brachte, sich an seinem Willen zu nähren, so
zeigt unsere Liebe zu Jesus uns den Gehorsam zu seinem Wort. Die Treue Jesu zum Willen
des Vaters kann sich den Jüngern mitteilen dank des Heiligen Geistes, der die Liebe
Gottes in ihren Herzen ausgießt (vgl.Röm 5,5).
Das Neue Testament zeigt uns
Christus als Bote des Vaters. Vor allem im Johannesevangelium spricht Jesus von sich
oft in Beziehung zum Vater, der ihn in die Welt gesandt habe. So sagt Jesus auch im
heutigen Text: „Das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der
mich gesandt hat“ (Joh 14,24). In diesem Augenblick, liebe Freunde, sind wir eingeladen,
den Blick fest auf ihn zu richten, denn die Aufgabe der Kirche ist nichts anderes
als die Fortführung der Mission Christi: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende
ich euch“ (Joh 20,21). Der Evangelist hebt auch bildlich hervor, dass diese Übertragung
des Auftrags im Heiligen Geist erfolgt: „Er hauchte sie an und sprach zu ihnen: Empfangt
den Heiligen Geist…“ (Joh 20,22). Die Mission Christi hat sich in Liebe erfüllt. Er
hat in der Welt das Feuer der Liebe Gottes entfacht (vgl.Lk 12,49). Die Liebe schenkt
das Leben: Deshalb ist die Kirche dazu gesandt, in der Welt die Liebe Christi zu verbreiten,
damit die Menschen und die Völker „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Auch Euch, die ihr die Kirche in Lateinamerika vertretet, kann ich voll Freude auf
ideelle Weise meine Enzyklika „Deus caritas est“ anvertrauen, mit der ich allen aufzeigen
wollte, was an der christlichen Botschaft wesentlich ist. Die Kirche fühlt sich als
Jüngerin und Missionarin dieser Liebe; Missionarin nur in dem Maß in dem sie auch
Jüngerin ist, das heißt fähig, sich stets mit erneuertem Staunen von Gott anziehen
zu lassen, der uns zuerst geliebt hat und uns zuerst liebt (vgl. 1 Joh 4,10). Die
Kirche betreibt keinen Proselytismus. Sie entwickelt sich viel mehr durch „Anziehung“:
Wie Christus „alles an sich zieht“ mit der Kraft seiner Liebe, die im Opfer am Kreuz
gipfelt, so erfüllt die Kirche ihre Mission in dem Maß, in dem sie - mit Christus
vereint - jedes Werk in geistlicher wie praktischer Übereinstimmung, in Konformität
mit der Liebe ihres Herrn erfüllt.
Liebe Schwestern und Brüder! Das ist der
unschätzbare Schatz und Reichtum des lateinamerikanischen Kontinents, das ist sein
kostbarstes Erbe: der Glaube an Gott, der die Liebe ist, die sich in Jesus Christus
gezeigt hat. Ihr glaubt an den liebenden Gott: Das ist eure Stärke, die die Welt besiegt,
die Freude, die nichts und niemand euch nehmen kann, der Friede, den Christus am Kreuz
für euch errungen hat“ Dieser Glaube hat aus Amerika den „Kontinent der Hoffnung“
gemacht. Es war nicht eine politische Ideologie, nicht eine soziale Bewegung, nicht
ein Wirtschaftssystem; es ist der Glaube an Gott, der die Liebe ist, Mensch geworden,
gestorben und auferstanden in Jesus Christus, das authentische Fundament dieser Hoffnung,
die viele wunderbare Früchte hervorgebracht hat, von der Evangelisierung bis heute;
die Schar der Heiligen und Seligen, die der Heilige Geist in allen Teilen des Kontinents
gerufen hat, beweißt es. Papst Johannes Paul II. hat euch eine Neu-Evangelisierung
aufgetragen, ihr habt seinen Auftrag mit der Großzügigkeit und dem Einsatz angenommen,
der für euch typisch ist. Ich bestätige euch darin und ich sage euch mit den Worten
der fünften Konferenz: Seid gläubige Jünger, damit ihr mutige und überzeugende Missionare
seid.
Die zweite Lesung hat uns die wundervolle Vision des himmlischen Jerusalem
gezeigt. Es ist ein Bild von strahlender Schönheit, an der nichts dekorativ ist, sondern
alles zur perfekten Harmonie der Heiligen Stadt beiträgt. Der Seher Johannes schreibt,
dass „sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes“
(Offb 20,9). Aber die Herrlichkeit Gottes ist die Liebe; deshalb ist das himmlische
Jerusalem ein Bild der Kirche, heilig und herrlich, ohne Flecken und Fehler (vgl.
Eph 5,27), die in ihrer Mitte und in allen Teilen von der Gegenwart des liebenden
Gottes erstrahlt. Sie wird „Braut“ genannt, „Braut des Lammes“ (Offb 20,9), denn in
ihr erfüllt sich das Bild des Hochzeitsmahles, das von Anfang bis Ende die biblische
Offenbarung durchzieht. Die Stadt als Braut ist Heimat der vollen Gemeinschaft Gottes
mit den Menschen; in ihr braucht es weder einen Tempel noch eine äußere Lichtquelle,
denn Gott und das Lamm sind stets gegenwärtig und erleuchten sie von innen heraus.
Dieses
wundervolle Bild hat eschatologischen Wert: Es drückt das Geheimnis der Schönheit
aus, die die Kirche jetzt schon besitzt, auch wenn sie noch nicht zu ihrer ganzen
Fülle gekommen ist. Sie ist das Ziel unserer Pilgerfahrt, die Heimat die uns erwartet
und nach der wir uns verzehren. Sie mit den Augen des Glaubens sehen, betrachten und
ersehnen, darf nicht der Grund für eine Flucht aus der Gegenwart sein, in der die
Kirche Freuden und Hoffnungen, Schmerzen und Ängste der zeitgenössischen Menschheit
mit lebt, vor allem die der Ärmsten und Bedürftigsten (vgl. Gaudium et Spes, 1). Wenn
die Schönheit des himmlischen Jerusalem die Herrlichkeit Gottes ist, also seine Liebe,
dann heißt das, das wir uns ihr nur in der Liebe nähern können und in einem bestimmten
Maß bereits in ihr Leben können. Wer den Herrn Jesus liebt und sein Wort befolgt,
verbreitet schon in dieser Welt die geheimnisvolle Gegenwart des einen dreifaltigen
Gottes, wie wir im Evangelium gehört haben: „Wir werden zu ihm kommen und wir werden
bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Jeder Christ ist deshalb gerufen, lebendiger Stein dieser
wunderbaren „Wohnung Gottes unter den Menschen“ zu werden. Welch wunderbare Berufung! Eine
Kirche, die ganz von der Liebe Christi beseelt und bewegt ist, ist das historische
Bild des himmlischen Jerusalem, Vorwegnahme der Heiligen Stadt, strahlt die Herrlichkeit
Gottes aus. Sie setzt eine unwiderstehliche missionarische Kraft frei, die die Kraft
der Heiligkeit ist. Die Jungfrau Maria erlange der Kirche in Lateinamerika und der
Karibik die Fülle der Kraft aus der Höhe (vgl. 24,49), um auf dem Kontinent und in
der ganzen Welt die Heiligkeit Christi auszustrahlen. Ihm sei Ehre, mit dem Vater
und dem Heiligen Geist, bis in alle Ewigkeit. Amen.
(Übersetzung: Birgit Pottler)
Presseschau
vom 13. Mai.
Die bewegenden Bilder des Besuchs Benedikts XVI. in dem Drogenhilfeprojekt
„Fazenda da Esperanza“ und seine Drohungen gegen die Drogenhändler sind heute das
beherrschende Thema in den Zeitungen Brasiliens. Bilder, auf denen Benedikt gezeigt
wird, wie er Kinder und ehemalige Drogenabhängige zärtlich umarmt, hätten ganz Brasilien
bewegt, so unter anderem die Zeitung „O Globo“. In Rio de Janeiro, das seit über einem
Jahrzehnt besonders unter dem Terror derhochgerüsteten Drogenmilizen leidet,
stellen die Blätter heraus, dass Benedikt XVI. mit seinen Worten zur Rauschgiftproblematik
den Nerv getroffen habe.
Einige Zeitungen spekulieren über die am Sonntag beginnende
lateinamerikanischen Bischofstreffen in Aparecida. Dort werde angeblich zwischen zwei
Linien gestritten: Eine folge mehr den Modellen des Papstes, die andere mehr den Denkweisen
Lateinamerikas. Es gehe darum so die in Rio de Janeiro erscheinende „O Dia", ob die
katholische Kirche weiterhin politisch-soziale Themen betont oder dem ethisch-moralischem
Diskurs Priorität gibt, etwa in Bezug auf Abtreibung und Enthaltsamkeit.
Der
"Estado de Sao Paulo" betont, dass sich während der Brasilienvisite das Image Benedikts
XVI. als eines kühlen, konservativen Intellektuellen gewandelt habe. "Dieser Papst
spricht die Sprache des Volkes, küsst und umarmt Gläubige, segnet Menschenmassen."
Er wisse, wie wichtig der Dialog mit dem Anderen, Unterschiedlichen sei. (kna/
rv 13.5.2007 mc)
Rosenkranz-Gebet in Aparecida Papst
Benedikt XVI. hat am Samstagabend (Ortszeit) im größten Marienheiligtum der Welt den
Rosenkranz gebetet. Gemeinsam mit rund 35.000 Gläubigen bat er in der Basilika von
Aparecida um den Schutz der Gottesmutter für Brasilien und Lateinamerika. Heute will
der Papst in Aparecida die fünfte Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe
eröffnen. Danach reist das Kirchenoberhaupt nach Rom zurück. In diesem Augenblick
findet der Eröffnungsgottesdienst der Fünften Generalkonferenz des Episkopates Lateinamerikas
und der Karibik statt. Die Heilige Messe zelebriert Papst Benedikt in der Wallfahrtskirche
von Aparecida.
Eröffnungsgottesdienst Vor wenigen Augenblicken ist
er von seiner Aufenthaltsgaststätte – dem Priesterseminar „Bom Jesus“ – Richtung Wallfahrtskirche
abgefahren. Die Kirche ist rund 3 Kilometer weit davon entfernt. Am letzten Tag
seines Brasilienbesuchs eröffnet somit Papst Benedikt XVI. heute die „Fünfte Vollversammlung
der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik“. Bei dem drei Wochen dauernden Treffen
wollen 170 Kardinäle und Bischöfe sowie 100 weitere Delegierte über die kirchliche
Zukunft des Subkontinents beraten und die Lage von einer halben Milliarde Katholiken
analysieren. Von der Grundsatzrede des Papstes werden Weichenstellungen für die Beratungen
erwartet.
Situation der Katholiken in Lateinamerika In Lateinamerika
lebt nahezu die Hälfte von weltweit mehr als einer Milliarde Katholiken. Wenn sich
von heute an die Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik in Aparecida treffen, dann
hat das auch für die Weltkirche Bedeutung. An den Gesprächen im brasilianischen Wallfahrtsort
nehmen die Kurienkardinäle William Levada und Giovanni Battista Re teil. Am Freitag
hatten sich in São Paulo bis zu eine Million Gläubige zur ersten Heiligsprechung eines
Brasilianers versammelt. Aparecida Die Stadt Aparecida ist der bedeutendste
Marienwallfahrtsort Brasiliens. Rund acht Millionen Menschen pilgern jedes Jahr in
die 150 Kilometer nordöstlich von Sao Paulo gelegene Kleinstadt. In ihrem Zentrum
steht eine mehr als 40.000 Menschen fassende Wallfahrtskirche, in der die Gläubigen
an einer kleinen Statue der Gottesmuter beten. Sie gilt als Schutzpatronin Brasiliens.