2007-05-12 19:56:54

Papst in Brasilien: 12. Mai. Alles auf einen Klick.


Aparecida: Wallfahrtspater, ohne Laien geht es nicht
Am Sonntag steuert die Papstreise seinem Höhepunkt entgegen, jedenfalls was die Bedeutung für die Kirche in Lateinamerika angeht. In Aparecida wird Benedikt XVI. die fünfte Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik mit einer programmatischen Rede eröffnen. Die Ansprache an die Mitglieder der brasilianischen Bischofskonferenz am Freitag: Ein erste Positionsbestimmung des Papstes, wie sich die Probleme der Kirche aus Sicht des Papstes darstellen. Wie ist die Sicht „von unten“? Pater Max Cappabianca hat mit dem Wallfahrtsseelsorger in Aparecida, Redemptoristenpater Luis Carlos de Oliveira, gesprochen, und ihn gefragt, wie die einfachen Gläubigen diese Konferenz sehen:
„Eigentlich hat dieses Ereignis schon von Papst Johannes Paul II. vorbereitet worden, den die Menschen sehr lieben. Die Leute sagen, dieser Papst ist irgendwie anders. Manche haben Schwierigkeiten, ihn zu akzeptieren. Das Problem ist, die Leute verstehen nicht, dass jeder Papst anders ist. Wenn Du zum Beispiel den Verlobten wechselt, ist der dann auch anders. Jetzt nehmen die Leute ihn inzwischen besser auf – die Leute wollen kommen, auch von fern und wollen hier sein.“
Brasilien leidet ja unter großem Priestermangel. Welchen Ausweg sehen Sie?
„Wir setzen unsere Hoffnung auf die Laien, denn in Brasilien haben 70 Prozent der Menschen keinen Zugang zu Sonntagsmessen, sondern einen Wortgottesdienst – und da sind es 90 Prozent Frauen, die sie leiten. Überall ist diese Tendenz sichtbar, und diese Gemeinschaften wachsen.“
Ein weiteres Problem sind die Sekten. Was sind die Gründe?
„Die Menschen haben großes Vertrauen und einen großen Glauben. Diejenigen, die zu den Evangelikalen und zu den Sekten wechseln, sind meistens Migranten, die ihre Heimat verlassen haben und entwurzelt sind und so zu Opfern dieser Illusion werden. Diese Menschen verlieren alles, ihre Familie, ihren Glauben, ihre Tradition und finden dann erst bei den Sekten Heimat.“
Hat die Kirche möglicherweise in der Vergangenheit versäumt, sich genügend um diese Menschen zu kümmern?
„Dass die entwurzelten Menschen zu den Sekten überlaufen ist meiner Meinung nach die Schuld der Bischöfe und der Priester. Denn sie tun nicht genug, um wirklich einladend zu sein – sie geben sich nicht mit den Problemen des Volkes ab, sondern sind mehr mit ihrer Kleidung beschäftigt. Wir sagen hier: Das sind die Priester des „CCC“ Carro, Conto nel Banco und Cellular (Wagen, Bankkonto und Handy). Denen ist das Volk egal, darüber wird auch nicht gesprochen.“
Was bedeutet dieses Phänomen für die Kirche?
„Ich glaube, dass diese Bewegungen in gewisser Weise der Kirche helfen, denn dort wird wirklich gebetet, die lesen die Bibel – was wir ja nicht so sehr machen – und sie haben ein wirkliches Gemeindeleben
Und wie kann ihrer Meinung nach die katholische Kirche auf das Phänomen reagieren?
„Es gibt zwar diese Bewegung hin zu den Pfingstkirchen, aber gerade deswegen werden unsere kleinen Gemeinschaften, die Basisgemeinden, umso wichtiger. Ich krieg das immer beim Beichtehören mit, wenn die Laien von ihren Erfahrungen sprechen. ‚Ich bin Kommunionhelfer, ich bin Lektor, ich leite eine Gemeinde’ – so entwickeln sich die Laienämter. Ganz sicher geht die Entwicklung dahin. Von diesem Wachstum spricht keiner! Überall kann man das sehen, aber die Kirche hat’s damit allerdings nicht so eilig…Vielleicht müssen wir die Bischöfe und die Missionare davon überzeugen, den Laien mehr zu vertrauen. Wir können noch so viele Priester haben, aber wenn es die Laien nicht gibt, kommt die Kirche nicht voran.“
(rv 12.05.2007 mc)





Presseschau am 12.5.
Die Presse Brasiliens räumt dem Besuch Benedikts XVI. auch am vierten Tag breiten Raum ein: heute bestimmen die Schlagzeilen Bilder und Berichte über die Heiligsprechung Frei Galvaos am Freitag. „Papst feiert die ersten Heiligsprechung eines Brasilianers vor 1,2 Millionen Gläubigen“ titelt „Agora“ mit Berufung auf Angaben der Präfektur. In der „Folha de Sao Paolo“ finden sich im Innenteil zehn Seiten Sonderberichte über das Großereignis auf dem „Campo de Marte“.


Weiterer Schwerpunkt: Die Rede des Papstes vor den Bischöfen Brasiliens in der Kathedrale von Sao Paulo. Die meisten Zeitungen greifen aus der langen Ansprache vor allem seinen Appell heraus, gegen die Sekten vorzugehen, außerdem seine Kritik an gierigen Politikern, die Angriffe auf die Familie und das Problem der Scheidung. Die „Folha de Sao Paolo“ resümiert: „In seiner starken Ansprache fasst der Papst seine lehrmäßige Agenda zusammen“; der „Jornal de Tarde“ nennt die Rede „seine radikalste“.


Interessant: Die Kritik des Papstes an den Medien wurde von den Zeitungen vor allem als Angriff auf die in Brasilien überaus beliebten Telenovelas verstanden. In der „Agora“ findet sich bereits ein Bericht über die Ankunft des Papstes Freitag abend in „Aparecida“, wo 10.000 Menschen den Papst begeistert empfangen haben. Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Presse verfolgt das Geschehen weiterhin positiv und überaus wohlwollend.
(rv 12.05.2007 mc)
 

 
Brasilien: Misereor-Chef, Aufbruch tut not
Morgen beginnt die fünfte Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik. Organisiert wird sie vom lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM. Sie dauert bis zum 31. Mai und trägt den Titel „Jünger und Missionare Jesu Christi“. Unter den mehr als 2000 Teilnehmern ist auch der Hauptgeschäftsführer des Katholischen Hilfswerks Misereor, Josef Sayer.
„Ich freue mich sehr und ich bereite mich schon lange - und zwar nicht alleine sondern mit Bischöfen des CELAM - darauf vor. Ich verspreche mir von der Konferenz sehr viel, von der Anwesenheit des Heiligen Vater in besonderer Weise. Bei allen Konferenzen hat sich gezeigt, dass der Besuch des Papstes, seine Eröffnungsrede in der Konferenz, ganz entschieden aufgegriffen worden ist. Da gab es Orientierungen und das verspreche ich mir auch vom jetzigen Papst.“
Prof. Sayer war schon früher in Brasilien. Besonders in Erinnerung ist ihm geblieben:
„In Brasilien war das Traurigste und Schönste zugleich, als ich in Sao Paulo nachts ein Projekt von Misereor besucht habe und dort eine Frau getroffen habe, die zwei Tage zuvor ihr Kind auf der Straße auf die Welt gebracht hat. Eine traurige, grausame Sache und zugleich sah ich wie diese Frau gestrahlt hat. Straße als Lebensraum habe ich dort entdecken gelernt. Wo nicht nur Kinder und Erwachsene sind sondern wo auch das Schicksal so ist, dass eine Frau ihr Kind auf der Straße zu Welt bringt.“
Für die Konferenz in Aparecida haben sich die Bischöfe ein ganz besonderes Thema ausgesucht.
„Die Kirche in Lateinamerika braucht eine Aufbruchsstimmung und ich bin sehr froh, dass sich in den Vorbereitungskonferenzen, wo ich mit dabei war, das Thema Jüngerschaft herauskristallisiert hat. Es geht darum, wie wir Jesus heute nachfolgen können. Das nicht irgendetwas herausgegriffen worden ist - es gab auch mal die Vorstellung ein Sakrament zu behandeln, aber das haben die Bischöfe abgelehnt. Jüngerschaft heißt mit der hiesigen Situation umgehen. Was leben die Menschen? Wie können wir da Jünger sein? Die Situation analysieren, schauen wie ganz konkret die Armen leben. Wie ist das Verhältnis arm – reich? Wie ist die Kluft zwischen Armen und Reichen, wie kann sie geschlossen werden? Was können da die Jünger als Botschaft Jesu, als Vertreter der Botschaft Jesu, mit einbringen.“
Misereor verfolgt in Brasilien eine Vielzahl unterschiedlicher Hilfsprojekte.
„In Brasilien haben wir Projekte, um genügend Wasser für die Landwirtschaft zu gewinnen, damit sich die Menschen dort vom Land selber ernähren können. Ein anderer Projekttyp ist der mit den Landlosen. Es gibt fünf Millionen Landlose. Es macht ja keinen Sinn, das Großgrundbesitzer so viele Flächen haben, die sie überhaupt nicht bearbeiten können und Kleinbauern nicht wissen wie sie durchkommen. Wir haben im Straßenkinderbereich ein gutes Projekt, wo wir die Gesetzgebung mitverfolgen. Alle Gesetze die erlassen werden, werden auf die Folgen die sie für die Kinder haben können geprüft. Wir haben Projekte für Frauen. Eine Frau ernährt ihre Familie. Kommt eine Frau in die Lage dass sie sich ernähren kann, ernährt sie ihre Familie. Bei Männern ist es häufig so, dass sie die Verantwortung für die Familie nicht so sehen. Und deshalb setzen wir ganz gezielt bei den Frauen an.“
(rv 12.05.2007)

 

 

 
Papst besucht ehemalige Drogenabhängige
„Denkt über das Böse nach, das ihr den Jugendlichen antut!“ Der Appell Papst Benedikts XVI. an die Drogendealer war eindringlich. Am vierten Tag der Pastoralreise stand ein Besuch der „Fazenda de Esperança“ auf dem Programm, einem Drogenhilfeprojekt, das von dem in Paderborn geborenen Franziskanerpater „Frei Hans“ Stapel gegründet wurde. Unser Korrespondent Pater Max Cappabianca berichtet:
Strahlender Sonnenschein, eine traumhaft grüne Landschaft und über 6000 Jugendliche empfingen begeistert Papst Benedikt XVI. hier in Guaratinguetá, 30 Kilometer von Aparecida entfernt in der ersten „Fazenda de Esperança“. Persönlich hatte Benedikt diesen Besuch gewünscht, an dem Jugendliche aus den 43 Fazendas der ganzen Welt teilnahmen – auch einige aus der deutschen Fazenda „Gut Neuhof“ in Berlin.
Hart ging der Papst mit denen ins Gericht, die Mitschuld am Drogenproblem tragen: „Deswegen sage ich den Drogendealern, dass sie über das Böse nachdenken, das sie zahlreichen Jugendlichen und Erwachsenen aus allen sozialen Schichten antun: Gott wird von ihnen Rechenschaft fordern für das, was sie getan haben. Die menschliche Würde darf nicht auf diese Weise mit Füßen getreten werden.“
Die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zeige ohne Zweifel die Wirksamkeit der Fazenda. Ebenso wichtig seien, so Benedikt – und das verlange ebenso Aufmerksamkeit und bestätige die Gültigkeit der Arbeit – die Bekehrungen, das Wiederfinden Gottes und die aktive Teilnahme am Leben der Kirche.
„Es reicht nicht, den Körper zu heilen, man muss die Seele mit den kostbaren göttlichen Geschenken schmücken, die wir in der Taufe geschenkt bekommen haben. Danken wir Gott, dass er so viele Seelen mit Hilfe des Sakraments der Vergebung und der Eucharistiefeier auf den Weg einer erneuerten Hoffnung zurückgeführt hat.“
Pantomimisch erzählten die Jugendlichen, wie die Droge ihr Leben zu zerstören droht; und wie sie im Glauben Kraft für den Kampf gegen die Sucht gewinnen. Ein Mädchen weinte gar beim Bericht aus ihrem Vorleben. Und der Papst: Er war sichtlich berührt und umarmte sie und noch viele andere Jugendliche.
Zuvor hatte Benedikt die dem neuen Heiligen Galvao geweihte Kirche der Fazenda besucht. Dort waren Clarissen versammelt, die in der Frauenfazenda arbeiten. Sein Appell an die Schwestern und die Eltern der Drogenabhängigen: „Seid Verkündigerinnen der ,Hoffnung die nicht zugrunde gehen lässt.’(Röm 5,5) Der Schmerz des Gekreuzigten, der die Seele Marias unter dem Kreuz durchdrang, tröste die zahlreichen Herzen der Väter und Mütter, die aus Schmerz um ihre noch drogenabhängigen Kinder weinen“.
Theologisch tief entfaltete der Papst, wie aus seiner Sicht Drogensucht, menschliche Freiheit und Gottes Heilswillen zusammenhängen: „Als die Sünde in die Welt kam und mit ihr der Tod, verloren die von Gott geliebten Geschöpfe trotz ihrer Verwundung nicht gänzlich ihre Schönheit. Im Gegenteil, ihm wurde eine noch viel größere Liebe geschenkt. ,Glückliche Schuld, die einen so großen Erlöser sah!’ – verkündet die Kirche in der geheimnisvollen und lichtreichen Osternacht (Exultet). Es ist der auferstandene Herr, der die Wunden heilt und die Söhne und Töchter Gottes rettet, der die Menschheit rettet vom Tod, von der Sünde und der Knechtschaft der Leidenschaften.“
Der Appell an die Schwestern: „Verkündigt mit dem hingebenden Schweigen des Gebets – einem beredten Schweigen, das der Vater hört –; verkündet die Botschaft der Liebe, die den Schmerz, die Droge und den Tod besiegt. Verkündet Jesus Christus, einem Mensch wie wir, der wie wir litt und der unsere Sünden auf sich nahm, um uns von ihnen zu befreien.“
Eine gute Stunde dauerte der Besuch im ganzen – vielleicht war es die glaubwürdigste Demonstration dessen, was dem Papst am Herzen liegt: in seiner Enzyklika „Deus Caritas est“ und in jedem Wort seiner Verkündigung.
(rv 12.05.2007 mc)

 

 

 
Die nächsten Programmpunkte
Papst Benedikt XVI. hat mit dem zweiten Teil seiner Reise begonnen. Ca. 19.00 Uhr Ortszeit, Mitternacht in Mitteleuropa, ist er am Marienwallfahrtsort Aparecida gelandet. Hier nächtigt er im Priesterseminar Bom Jesús, einem riesigen Gebäudekomplex in dem auch das Ordinariat der Erzdiözese Aparecida untergebracht ist. Einige Zeit lebte hier auch Brasiliens erste, allerdings italienischstämmige Heilige Madre Paulina.
Zur Stunde besucht der Papst die „Fazenda de Esperança“ und spricht dort zu drogenabhängigen Jugendlichen. Am Sonntag kommt der Papst dann im doppelten Sinn ans Ziel der Reise: Am größten Marienwallfahrtsort Brasiliens wird Benedikt XVI. die fünfte Generalkonferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik eröffnen.
(rv 12.05.2007 bp)
 

 
Reaktionen auf die Papstrede
Direkt im Anschluss an die Begegnung des Papstes mit den Bischöfen Brasiliens hat unser Korrespondent Pater Max Cappabianca den Erzbischof von Rio de Janeiro, Kardinal Eusebio Oscar Scheid, getroffen und ihn nach seinen Eindrücken gefragt. Scheid sieht in der Ansprache viele Impulse für die brasilianische Kirche:
„Klar er verschiedene Punkte angeschnitten, die eigentlich Schwerpunkte gegen die Seelsorge in Brasilien bedeuten. Und dann hat er ganz besonders die Soziallehre der Kirche betont, im besonderen auch gegen den Wirrwarr der Ideologien, den wir hier in Lateinamerika sehen und fühlen.“
Er sei dankbar für die Klarheit, mit der der Papst die Mitte kirchlichen Wirkens herausgestellt habe:
„Die Verkündigung des Glaubens bis in die Tiefe des Tuns und des Wirkens. Nicht nur Lehre als solche. Es kann niemals eine Lehre geben, die sozusagen nur auf Luft gebaut ist, sondern man muss das verwirklichen in der Nächstenliebe und denen, die im Elend leben.“
Zur Frage, was diese Rede bewirken wird, meint der Kardinal:
„Das hängt auch sehr von uns Bischöfen ab. Dafür brauchen wir einen festen Glauben und eine tatsächliche Nächstenliebe.“
(rv 12.05.2007 mc)







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