Brasilien: Wallfahrtspater, ohne Laien geht es nicht
Am Sonntag steuert
die Papstreise seinem Höhepunkt entgegen, jedenfalls was die Bedeutung für die Kirche
in Lateinamerika angeht. In Aparecida wird Benedikt XVI. die fünfte Konferenz der
Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik mit einer programmatischen Rede eröffnen.
Die Ansprache an die Mitglieder der brasilianischen Bischofskonferenz am Freitag:
Ein erste Positionsbestimmung des Papstes, wie sich die Probleme der Kirche aus Sicht
des Papstes darstellen. Wie ist die Sicht „von unten“? Pater Max Cappabianca hat mit
dem Wallfahrtsseelsorger in Aparecida, Redemptoristenpater Luis Carlos de Oliveira,
gesprochen, und ihn gefragt, wie die einfachen Gläubigen diese Konferenz sehen:
„Eigentlich hat dieses Ereignis schon von Papst Johannes Paul II. vorbereitet worden,
den die Menschen sehr lieben. Die Leute sagen, dieser Papst ist irgendwie anders.
Manche haben Schwierigkeiten, ihn zu akzeptieren. Das Problem ist, die Leute verstehen
nicht, dass jeder Papst anders ist. Wenn Du zum Beispiel den Verlobten wechselt,
ist der dann auch anders. Jetzt nehmen die Leute ihn inzwischen besser auf – die Leute
wollen kommen, auch von fern und wollen hier sein.“ Brasilien leidet ja unter
großem Priestermangel. Welchen Ausweg sehen Sie? „Wir setzen unsere Hoffnung
auf die Laien, denn in Brasilien haben 70 Prozent der Menschen keinen Zugang zu Sonntagsmessen,
sondern einen Wortgottesdienst – und da sind es 90 Prozent Frauen, die sie leiten.
Überall ist diese Tendenz sichtbar, und diese Gemeinschaften wachsen.“ Ein
weiteres Problem sind die Sekten. Was sind die Gründe? „Die Menschen haben
großes Vertrauen und einen großen Glauben. Diejenigen, die zu den Evangelikalen und
zu den Sekten wechseln, sind meistens Migranten, die ihre Heimat verlassen haben und
entwurzelt sind und so zu Opfern dieser Illusion werden. Diese Menschen verlieren
alles, ihre Familie, ihren Glauben, ihre Tradition und finden dann erst bei den Sekten
Heimat.“ Hat die Kirche möglicherweise in der Vergangenheit versäumt, sich
genügend um diese Menschen zu kümmern? „Dass die entwurzelten Menschen zu den
Sekten überlaufen ist meiner Meinung nach die Schuld der Bischöfe und der Priester.
Denn sie tun nicht genug, um wirklich einladend zu sein – sie geben sich nicht mit
den Problemen des Volkes ab, sondern sind mehr mit ihrer Kleidung beschäftigt. Wir
sagen hier: Das sind die Priester des „CCC“ Carro, Conto nel Banco und Cellular (Wagen,
Bankkonto und Handy). Denen ist das Volk egal, darüber wird auch nicht gesprochen.“ Was
bedeutet dieses Phänomen für die Kirche? „Ich glaube, dass diese Bewegungen
in gewisser Weise der Kirche helfen, denn dort wird wirklich gebetet, die lesen die
Bibel – was wir ja nicht so sehr machen – und sie haben ein wirkliches Gemeindeleben Und
wie kann ihrer Meinung nach die katholische Kirche auf das Phänomen reagieren?
„Es gibt zwar diese Bewegung hin zu den Pfingstkirchen, aber gerade deswegen werden
unsere kleinen Gemeinschaften, die Basisgemeinden, umso wichtiger. Ich krieg das
immer beim Beichtehören mit, wenn die Laien von ihren Erfahrungen sprechen. ‚Ich bin
Kommunionhelfer, ich bin Lektor, ich leite eine Gemeinde’ – so entwickeln sich die
Laienämter. Ganz sicher geht die Entwicklung dahin. Von diesem Wachstum spricht keiner!
Überall kann man das sehen, aber die Kirche hat’s damit allerdings nicht so eilig…Vielleicht
müssen wir die Bischöfe und die Missionare davon überzeugen, den Laien mehr zu vertrauen.
Wir können noch so viele Priester haben, aber wenn es die Laien nicht gibt, kommt
die Kirche nicht voran.“ (rv 12.05.2007 mc)