2007-05-10 15:13:11

Die Kirche in Brasilien


RealAudioMP3 Brasilien – die meisten denken an Zuckerhut und Samba. Die Wahrheit ist: Brasilien ist ein Land der Gegensätze, Reichtum und Armut prallen hier wie nirgendwo aufeinander - trotz steigender Wirtschaftskraft als Schwellenland hat das Land mit vielen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Unser Korrespondent Pater Max Cappabianca OP zur Situation der Kirche in dem Land:

„Die Befreiungstheologie ist am Ende“. Ein falsches Urteil, denn trotz wiederholter vatikanischer Interventionen gegen Theologen wie Leonardo Boff oder dem Sektenproblem: Die Kirche versteht sich weiterhin als Anwältin der Armen. Bischöfe, Priester, Katechisten und Laien – sie alle kämpfen für eine gerechtere Welt aus christlichen Werten. Anders als in Europa sind hier die Härten des kapitalistischen Systems nicht gemildert durch einen funktionierenden Sozialstaat. Das erklärt, warum in der Vergangenheit auch militante kommunistische Bewegungen so viel Erfolg haben konnten. Die Kirche war schon immer auf Seiten der Armen, sagt der aus der Schweiz stammende Bischof Cristian Kropf. Der Sankt Gallener ist seit über vierzig Jahren in Brasilien, vor 27 Jahren wurde er erster Bischof von Jequié im Nordosten Brasiliens.

„In Brasilien hat sich die Kirche sehr stark eingesetzt - im Rechtsbereich, aber auch durch Hinwirken auf Strukturveränderungen. Das Ziel war mehr Gerechtigkeit, gegen Ausbeutung der Arbeiter. Brasilien hat der brasilianischen Bischofskonferenz einiges zu verdanken, vor allem in der Zeit des Militärregimes, wo die Kirche noch das Sprachrohr war von Leuten, die nicht mehr offen die Zustände kritisieren konnten, weil sie ansonsten eingesperrt worden wären. Bischöfe konnten sie nicht so gut einsperren!“

Inzwischen ist auch Brasilien auf dem Weg der Demokratisierung – aber Veränderungen müssen tiefer greifen, meint der Bischof.

„Ich sage: Zu einer solchen Gesellschaft kommt man nicht mit einer Revolution, nicht durch Proteste gegen die Globalisierung, gegen Kapitalismus, gegen Neoliberalismus! Der Weg dazu ist der Weg der Bildung, der Ausbildung, der persönlichen Bildung! Ich dränge immer drauf, dass wir nur ein besseres Brasilien haben durch bessere Brasilianer, dass wir nur eine bessere Welt haben mit besseren Menschen!“

Am meisten hat die Kirche mit den Sekten zu kämpfen. Der Katholikenanteil ist von 90 auf mittlerweile unter 70 Prozent gesunken. Ein „Instant-Glauben“ wird in den Sekten geboten, Opium für das Volk, oft verbunden mit handfesten wirtschaftlichen Interessen. Zwar wenden sich die Menschen mittlerweile auch wieder ab - über 30 Prozent der Sektenanhänger sagen, sie fühlten sich betrogen. Doch das Problem bleibt, weil die Kirche es oft nicht schafft, die Menschen an sich zu binden. Bischof Krapf:

„Brasilien hat eine große Reserve an Glauben... manchmal allerdings nicht rational genug, es fehlt an religiöser Bildung. Das hat zum Teil mit einer defizitären Schulbildung zu tun. Andererseits ist der Kirchenbesuch relativ schlecht, allerdings wird er besser. In unserer Gegend haben wir fast in jeder Pfarrei Kirchen gebaut - und die sind voll. Andererseits geht die katholische Kirche rein zahlenmäßig zurück, und man muß schon sagen, die meisten Katholiken nehmen wenig an der Messe teil.“

Dennoch hat die Kirche für die Zukunft eine wichtige Aufgabe, meint Bischof Krapf. Die „Option für die Armen“, das Leben mit den Unterdrückten teilen – das sei entscheidend. Und dafür müssten auch die Strukturen gestärkt werden:

„Manchmal werde ich gefragt, warum ich soviel Wert auf die Priesterausbildung lege - ich sollte doch mehr in sozialer Richtung tun. Die erste Antwort ist, dass ich mit der Ausbildung eines Priesters, der wirklich seine Pflicht erfüllt, auch in materieller Hinsicht und in sozialer Hinsicht mehr leistet, als wenn ich das Geld, das die teure Ausbildung eines Priesters kostet, direkt an die Armen verteilen würde. Die Regierung verteilt ja bereits die Almosen, aber das ist nicht die Lösung. Die Menschen brauchen keine Almosen, die Leute brauchen Arbeit!“

Und das geht nicht nur die Kirche in Brasilien an, sondern auf der ganzen Welt! Entscheidend sei, so Dom Cristiano:

„…dass wirklich die Menschheit irgendwie dazu kommen muss, dass die Reichen etwas von Ihren Privilegien hergeben. Das ist - sagen wir mal - das christliche Rezept. Das kommunistische Rezept ist, die Armen zu organisieren und sich das zu nehmen, was ihnen eigentlich gehört: Gott hat die Welt nicht für ein paar privilegierte Klassen geschaffen. Aber da lautet doch die Frage, wie kommt man dazu?“
(rv 10.05.2007)








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