CELAM-Tagung in Aparecida Ein Gespräch mit Bischof Norbert Strotmann
In drei Wochen beginnt
die Vollversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen, der CELAM, im brasilianischen
Wallfahrtsort Aparecida. Gut 300 Bischöfe und Vertreter verschiedener kirchlicher
Gruppen sind dabei. Unter ihnen der Herz-Jesu-Missionar Norbert Strotmann. Er stammt
aus Deutschland und ist Bischof der 40 Kilometer südlich vonLima gelegenen Diözese
Chosica. Lesen und hören Sie hier das Interview:
Bischof
Strotmann: Wie lief die Vorbereitung auf Aparecida?
„Die Vorbereitung
war eigentlich wie gehabt und nicht ganz zu meiner Freude, was da abgelaufen ist,
weil man im Grunde genommen Mechanismen hat ablaufen lassen, die man vierzig Jahren
gebraucht hat: Was vor vierzig Jahren noch funktionierte, also das heißt Gläubigenbefragung
über Gemeinde, ist ja heute immer weniger repräsentativ, sodass man von der Methode,
die man angewandt hat, eigentlich sagen muss: Die Gefahr ist groß, dass man an die
Probleme nicht dran kommt, die Lateinamerika zur Zeit hat.
Es
gab ja ein erstes Vorbereitungspapier und dann eine Synthesis – was ist dabei rausgekommen?
Insgesamt
muss man sagen, war das Feedback nicht wie früher, aber auch früher hat es ja von
diesen Umfragen her keinen zentralen Leitlinien gegeben. Jedenfalls ist es erstaunlich
- ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist - dass das Synthesedokument nicht einmal
als Arbeitsgrundlage vorgesehen ist. Und was mich dabei überrascht hat, es ist kein
„Instrumentum Laboris“ – es ist nicht unterschrieben, nicht einmal vom Präsidenten
des Celam, sondern vom Generalsekretär. Da gibt es also noch offene Fragen. Das heißt,
wir kommen relativ unbedarft nach Aparecida.
Mit
Rückblick auf die bisherigen Konferenzen Medellin, Puebla, Santo Domingo heißt es,
diese hätten die Kirche und die Gesellschaft wesentlich geprägt. In welche Richtung
sollte Aparecida gehen?
Ich meine, man sollte sich auf zwei Schwerpunkt
konzentrieren, und nur wenn man die Vielfalt der pastoralen Perspektiven bündeln kann,
wird Aparecida überhaupt eine Zukunftswirkung haben, sonst verpufft es, wie schon
andere ähnliche Ereignisse. Nach meiner Meinung wird es dringend Zeit, dass die katholische
Kirche sich darauf besinnt, dass man nicht mehr als 20 Jahre über Evangelisierung
reden kann, ohne irgendwann für eine solche Makroregion einen Strategieplan vorzulegen.
Das heißt nichts Ausgearbeitetes, aber sagen wir mal fünf Schwerpunkte, die dann von
den nationalen Bischofskonferenzen und von den Diözesen ernsthaft aufgegriffen und
durchgeführt werden. Ein wenig ärgert mich an unserer Situation, dass das ja gerade
von den nichtkatholischen Christen in gekonnter Form vorgelebt wird, sei es in der
Nutzung von Medien, sei es in der Projizierung; und da haben wir riesige Löcher. Das
wäre ein Bereich. Der zweite Punkt wäre für mich ungeheuer wichtig: Lateinamerika
im Prozess der Globalisierung, das heißt: Wenn Aparecida – ich meine das mit gutem
Grund – christliche und katholische Identität schon durch den Titel der Konferenz
neu akzentuieren möchte, dann kann das nicht gehen, indem man auf soziale Relevanz
verzichtet. Das heißt: Soziale Relevanz sollte in Zukunft an klare Identität gebunden
sein. Natürlich sind Globalisierungsperspektiven immer sehr theorerielastig und auch
für viele Mitbrüder im Bischofsamt eine etwas fremde Angelegenheiten, das setzt also
schon Erfahrungen im sozialen Bereich voraus. Wie weit wir da kommen werden, weiß
ich nicht, nur kann man darauf nicht verzichten. Man hat festgestellt für Lateinamerika,
dass die Ungleichheit, die Arbeitslosigkeit, Armut und Ökologie-Probleme den Kern
der Gesamtproblematik Lateinamerikas ausmachen. Da kann man als Kirche nicht außen
vor stehen.
Es soll ja eine Missionierungskampagne gestartet
werden. Wie schätzen Sie das Vorhaben ein?
Das kann ich sehr kurz
machen: Das was in den Papieren steht bisher, ist nicht zukunftsfähig. Das heißt,
das ist von Leuten erarbeitet, die überhaupt keine Nähe zur Situationhaben, da meint
man, wenn man eine Wochen- oder eine Monatsmission macht, indem man Himmel und Hölle
motiviert und aktiviert, würde man etwas erreichen. Wenn Sie als Bischof längere Zeit
in diesem Bereich gearbeitet haben vor Ort, wissen Sie, dass das eine ganz mühsame
Geschichte ist, nicht-praktizierende Christen wieder in die Praxis hineinzubekommen.
Das geht jedenfalls nicht über die Strategien, die da vorgeschlagen worden sind.
Es ist ja von hier aus spannend zu sehen, dass sich ganz Lateinamerika
politisch nach „links“ bewegt zu haben scheint. Wie schätzen Sie das ein?
Im
Grunde genommen haben Sie ja auf Weltebene nur zwischen Europa und Lateinamerika eine
Übereinstimmung, was soziale Marktwirtschaft sein sollte. Und da hat man natürlich
die Wälder durchforstet, sodass angesichts der Situation in Lateinamerika ganz klar
und kalkulierbar die Drift nach Links geht, natürlich versetzt mit ethnischen Elementen.
Aber wenn Sie in Lateinamerika leben: Völlig verständlich! ‚Der letzte Freund lässt
uns am Baum hängen, dann suchen wir unsern eigenen Weg’, und wenn Sie lateinamerikanische
Wirtschaftsgeschichte kennen, dann wissen Sie, die pendelt sehr stark, wesentlich
stärker als die der Europäer oder der Nordamerikaner.
Das
heißt die Menschen fühlen sich im Stich gelassen.
Ja, und dazu kommt
auf weltpolitischer Ebene, dass Sie da auch so Dinge haben, die der Normalverbrauchen
nicht sieht, aber bei Spitzenpolitikern schon klar sind. Ethik ist keine Zulassungsbedingung
mehr zur Weltgesellschaft, sondern Wirtschaftskapazität. China hat überhaupt keine
Probleme, trotz politischen Systems trotz der Probleme mit den Menschenrechten. Dann
verstehen Sie perfekt das Phänomen Venezuela: ‚Was die Chinesen dürfen, können wir
auch.’“
Was wünschen Sie sich von Aparecida?
Hoffentlich
schaffen wir als Bischöfe, den Menschen in Lateinamerika die Botschaft ‚Unsere Nähe
zum Herrn und seine Nähe zu den Menschen heute’ glaubwürdig rüberzubringen. In Lateinamerika
sind wir, was Organisation angeht, relativ schwach. Aber wo aber unsere riesige Stärke
liegt ist, dass wir immer aus einer schwierigen Situation noch das Beste machen können,
wo keiner mehr in Europa den Mut hätte, nach vorne zu schauen. Insofern bleiben wir
der Kontinent der Hoffnung! (rv 27.04.2007 mc)