2007-04-27 12:07:20

CELAM-Tagung in Aparecida
Ein Gespräch mit Bischof Norbert Strotmann


RealAudioMP3 In drei Wochen beginnt die Vollversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen, der CELAM, im brasilianischen Wallfahrtsort Aparecida. Gut 300 Bischöfe und Vertreter verschiedener kirchlicher Gruppen sind dabei. Unter ihnen der Herz-Jesu-Missionar Norbert Strotmann. Er stammt aus Deutschland und ist Bischof der 40 Kilometer südlich vonLima gelegenen Diözese Chosica. Lesen und hören Sie hier das Interview:



„Die Vorbereitung war eigentlich wie gehabt und nicht ganz zu meiner Freude, was da abgelaufen ist, weil man im Grunde genommen Mechanismen hat ablaufen lassen, die man vierzig Jahren gebraucht hat: Was vor vierzig Jahren noch funktionierte, also das heißt Gläubigenbefragung über Gemeinde, ist ja heute immer weniger repräsentativ, sodass man von der Methode, die man angewandt hat, eigentlich sagen muss: Die Gefahr ist groß, dass man an die Probleme nicht dran kommt, die Lateinamerika zur Zeit hat.



Insgesamt muss man sagen, war das Feedback nicht wie früher, aber auch früher hat es ja von diesen Umfragen her keinen zentralen Leitlinien gegeben. Jedenfalls ist es erstaunlich - ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist - dass das Synthesedokument nicht einmal als Arbeitsgrundlage vorgesehen ist. Und was mich dabei überrascht hat, es ist kein „Instrumentum Laboris“ – es ist nicht unterschrieben, nicht einmal vom Präsidenten des Celam, sondern vom Generalsekretär. Da gibt es also noch offene Fragen. Das heißt, wir kommen relativ unbedarft nach Aparecida.





Ich meine, man sollte sich auf zwei Schwerpunkt konzentrieren, und nur wenn man die Vielfalt der pastoralen Perspektiven bündeln kann, wird Aparecida überhaupt eine Zukunftswirkung haben, sonst verpufft es, wie schon andere ähnliche Ereignisse. Nach meiner Meinung wird es dringend Zeit, dass die katholische Kirche sich darauf besinnt, dass man nicht mehr als 20 Jahre über Evangelisierung reden kann, ohne irgendwann für eine solche Makroregion einen Strategieplan vorzulegen. Das heißt nichts Ausgearbeitetes, aber sagen wir mal fünf Schwerpunkte, die dann von den nationalen Bischofskonferenzen und von den Diözesen ernsthaft aufgegriffen und durchgeführt werden. Ein wenig ärgert mich an unserer Situation, dass das ja gerade von den nichtkatholischen Christen in gekonnter Form vorgelebt wird, sei es in der Nutzung von Medien, sei es in der Projizierung; und da haben wir riesige Löcher. Das wäre ein Bereich. Der zweite Punkt wäre für mich ungeheuer wichtig: Lateinamerika im Prozess der Globalisierung, das heißt: Wenn Aparecida – ich meine das mit gutem Grund – christliche und katholische Identität schon durch den Titel der Konferenz neu akzentuieren möchte, dann kann das nicht gehen, indem man auf soziale Relevanz verzichtet. Das heißt: Soziale Relevanz sollte in Zukunft an klare Identität gebunden sein. Natürlich sind Globalisierungsperspektiven immer sehr theorerielastig und auch für viele Mitbrüder im Bischofsamt eine etwas fremde Angelegenheiten, das setzt also schon Erfahrungen im sozialen Bereich voraus. Wie weit wir da kommen werden, weiß ich nicht, nur kann man darauf nicht verzichten. Man hat festgestellt für Lateinamerika, dass die Ungleichheit, die Arbeitslosigkeit, Armut und Ökologie-Probleme den Kern der Gesamtproblematik Lateinamerikas ausmachen. Da kann man als Kirche nicht außen vor stehen.



Das kann ich sehr kurz machen: Das was in den Papieren steht bisher, ist nicht zukunftsfähig. Das heißt, das ist von Leuten erarbeitet, die überhaupt keine Nähe zur Situationhaben, da meint man, wenn man eine Wochen- oder eine Monatsmission macht, indem man Himmel und Hölle motiviert und aktiviert, würde man etwas erreichen. Wenn Sie als Bischof längere Zeit in diesem Bereich gearbeitet haben vor Ort, wissen Sie, dass das eine ganz mühsame Geschichte ist, nicht-praktizierende Christen wieder in die Praxis hineinzubekommen. Das geht jedenfalls nicht über die Strategien, die da vorgeschlagen worden sind.



Im Grunde genommen haben Sie ja auf Weltebene nur zwischen Europa und Lateinamerika eine Übereinstimmung, was soziale Marktwirtschaft sein sollte. Und da hat man natürlich die Wälder durchforstet, sodass angesichts der Situation in Lateinamerika ganz klar und kalkulierbar die Drift nach Links geht, natürlich versetzt mit ethnischen Elementen. Aber wenn Sie in Lateinamerika leben: Völlig verständlich! ‚Der letzte Freund lässt uns am Baum hängen, dann suchen wir unsern eigenen Weg’, und wenn Sie lateinamerikanische Wirtschaftsgeschichte kennen, dann wissen Sie, die pendelt sehr stark, wesentlich stärker als die der Europäer oder der Nordamerikaner.



Ja, und dazu kommt auf weltpolitischer Ebene, dass Sie da auch so Dinge haben, die der Normalverbrauchen nicht sieht, aber bei Spitzenpolitikern schon klar sind. Ethik ist keine Zulassungsbedingung mehr zur Weltgesellschaft, sondern Wirtschaftskapazität. China hat überhaupt keine Probleme, trotz politischen Systems trotz der Probleme mit den Menschenrechten. Dann verstehen Sie perfekt das Phänomen Venezuela: ‚Was die Chinesen dürfen, können wir auch.’“



Hoffentlich schaffen wir als Bischöfe, den Menschen in Lateinamerika die Botschaft ‚Unsere Nähe zum Herrn und seine Nähe zu den Menschen heute’ glaubwürdig rüberzubringen. In Lateinamerika sind wir, was Organisation angeht, relativ schwach. Aber wo aber unsere riesige Stärke liegt ist, dass wir immer aus einer schwierigen Situation noch das Beste machen können, wo keiner mehr in Europa den Mut hätte, nach vorne zu schauen. Insofern bleiben wir der Kontinent der Hoffnung!
(rv 27.04.2007 mc)







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