Nach den Morden an drei christlichen Mitarbeitern eines Bibelverlags - unter den Toten
ist auch ein Deutscher - sind die Christen in der Türkei verunsichert und aufgeschreckt.
Zwar glaubt der Nuntius im Land, Erzbischof Antonio Lucibello, nicht an eine wachsende
Feindschaft gegenüber Christen. In einem Gespräch mit der italienischen Tageszeitung
„La Stampa“ sieht der Vatikan-Botschafter die Morde in Zusammenhang mit der aufgeheizten
innenpolitischen Lage in der Türkei; es gebe offenbar keine direkte Verbindungslinie
zur Ermordung des Priesters Andrea Santoro in der Schwarzmeerstadt Trabzon im Februar
letzten Jahres.
Tayyip Erdogan zeigt sich „zutiefst betrübt“ über das Massaker
von Malatya. Der Ministerpräsident, der womöglich bei der kommenden Präsidentenwahl
kandidiert, fordert, die Mörder „zu verurteilen und zu bestrafen“. Die Ermordeten
gehörten zu einem evangelikalen Verband, der sich auf die Verbreitung der Bibel spezialisiert
hat. Sie verkauften in ihrem Verlagshaus in der südosttürkischen Stadt christliche
Literatur und Kreuze. Die Polizei hat bisher ein Dutzend des Mordes Verdächtigte festgenommen.
Schockiert über die Morde an den drei Christen in der Türkei haben sich auch
Kirchenvertreter und Politiker in Deutschland geäußert. Der Ratsvorsitzende des Evangelischen
Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber (Berlin), sagt: „Dass auch ein Christ
aus Deutschland unter den Opfern ist, bringt uns das Geschehen besonders nahe.“ Das
„Wort des Lebens“ anderen anzubieten, dürfe niemals Grund dafür sein, Menschen an
Leib und Leben zu bedrohen. Von „Entsetzen“ sprach der deutsche Außenminister Frank-Walter
Steinmeier; die Umstände dieser Tat müssten vollständig ans Licht gebracht werden.
Unions- und FDP-Politiker rufen die Türkei dazu auf, die Religionsfreiheit zu gewährleisten.
Auch der Grüne Volker Beck verurteilte die Bluttat in der Türkei.
Das "Zentral-Institut
Islam-Archiv-Deutschland" aus Soest fordert alle Moslems auf, "gegen derartige Verbrechen
aufzustehen, um ihre Solidarität mit der kleinen christlichen Minderheit in der Türkei
zu bekunden". Es genüge jetzt nicht mehr, "den Koran zu bemühen, um die Friedfertigkeit
des Islam zu unterstreichen". Vielmehr müsse in der islamischen Gemeinschaft endlich
die Frage nach der Vermittlung der Lehre gestellt werden und nach den Lehrern, denen
die Jugend anvertraut werde. Das katholische Hilfswerk missio drängt die deutsche
Regierung, "massiv auf die türkische Regierung einzuwirken. Als Anwärterstaat für
die EU muss das Land die Menschenrechte sowie die ... Religionsfreiheit achten". Der
neue Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland verurteilt die Morde und warnt davor,
Christen und Moslems jetzt gegeneinander auszuspielen. Der Koran garantiere grundsätzlich
das Recht auf Glaubensfreiheit.
Luigi Padovese ist Bischofsvikar für Anatolien.
Er sagte uns: „Das sind Taten einiger Islamisten und Nationalisten. Ihre Stimme macht
sich besonders bemerkbar in Momenten wie jetzt vor den Präsidentschaftswahlen. Das
sind Taten, die destabilisieren sollen; sie geben von der Türkei ein sehr negatives
Bild. Wir Christen sind tieftraurig, denn wir sehen, dass sich Taten dieser Art immer
neu wiederholen. Das macht uns perplex und führt dazu, dass wir uns Fragen über unsere
Präsenz in der Türkei stellen. Ich habe hier immer einen Polizisten, der auf mich
aufpasst; in Antiochien braucht die katholische Pfarrei Polizeischutz – das sind Symptome,
dass man bei der Polizei befürchtet, dass wieder mal etwas passieren kann.“ (agenturen/rv
19.04.2007 sk)