Die Zuverlässigkeit des Jesus-Bildes in den Evangelien hat Kardinal Christoph Schönborn
unterstrichen. Nach 200 Jahren Bibelkritik könne man getrost mit Papst Benedikt XVI.
von der "soliden historischen Zuverlässigkeit der Evangelien" ausgehen, so Kardinal
Schönborn am Freitagnachmittag bei der Präsentation des Buches "Jesus von Nazareth"
von Papst Benedikt XVI. gestern im Vatikan. "Die zahlreichen Fantasiebilder von Jesus
als Revolutionär, als sanfter Sozialreformer, als heimlicher Liebhaber der Maria Magdalena,
etc. können getrost im Beinhaus der Geschichte abgelagert werden", so der Kardinal.
Das
Buch des Papstes sei - so Schönborn - keine Selbstdarstellung persönlicher Frömmigkeit,
im Vordergrund stehe vielmehr die "geistige Auseinandersetzung" und die "die Leidenschaft
des objektiven Suchens nach der Wahrheit, das Bemühen, allen Fragenden und Suchenden
Rechenschaft zu geben". Deshalb begebe sich der Papst mit seinem Buch "auf die Agora,
den Platz der öffentlichen Debatte" und trage auf dem "Areopag der heutigen Meinungsvielfalt"
seine Sicht von Jesus vor. Was auf den Areopagen heutiger öffentlicher Debatte selbstverständlich
sein sollte, sage der Papst seinen Lesern: "Es steht jedermann frei, mir zu widersprechen.
Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es
kein Verstehen gibt".
Kardinal Schönborn erinnerte daran, dass auf dem Marktplatz
der medialen Öffentlichkeit pausenlos angeblich neue "Enthüllungen" angeboten werden,
die eine ganz andere Geschichte des Jesus von Nazareth offenbaren sollen. Aber auch
"aus den eigenen Reihen" der Kirche komme Zweifel an der historischen Glaubwürdigkeit
des Jesusbildes der Evangelien: Seit mehr als 200 Jahren habe die historische Bibelkritik
"so ziemlich alles in Frage gestellt, was in der Bibel über Jesus zu finden ist".
Der Papst sei trotzdem überzeugt, dass es gelingt, die historische Glaubwürdigkeit
der Evangelien und ihres Jesus-Bildes nachzuweisen, betonte der Wiener Erzbischof.
Dazu sei der Autor auch von seiner Biografie her bestens vorbereitet. Für Papst Benedikt
XVI. sei die Bibel - so Schönborn - "immer Herz und Mitte der Theologie" gewesen:
"Ich kenne keinen Theologieprofessor, der so wie er mit der Bibel innerlich vertraut
ist". 24 Jahre lang sei Joseph Ratzinger der Päpstlichen Bibelkommission vorgestanden,
die erstklassige katholische Bibelwissenschaftler versammle. Er kenne die "historisch-kritische"
Methode der Bibelauslegung. Wenn der Papst auch Kritik an dieser Methode äußere, dann
nicht aus Angst, sondern "aus der begründeten und durchargumentierten Überzeugung,
dass sie ihre Grenzen anerkennen muss". Der Papst sei überzeugt, dass man den Evangelien
trauen kann. Er wolle - wie er schreibt - den Versuch machen, "einmal den Jesus der
Evangelien als den wirklichen Jesus, als den 'historischen Jesus' im eigentlichen
Sinn darzustellen".
Vertraue man auf die historische Zuverlässigkeit der Evangelien
und ihres Jesusbildes, dann stelle sich - so Kardinal Schönborn - freilich eine viel
radikalere Frage: "Wenn Jesus so war, wie ihn die Evangelien darstellen, ist er dann
als Gestalt glaubwürdig? Ist sein Selbstverständnis nicht maßlose Selbstüberschätzung,
eine anmaßende Überhebung?" Nach den Worten von Papst Benedikt war ein Anstoß, dieses
Buch zu schreiben, die Begegnung mit dem Buch des jüdischen Gelehrten Jacob Neusner"
"Ein Rabbi spricht mit Jesus".
Neusner habe sich in diesem Buch sozusagen "unter
die Hörer der Bergpredigt eingereiht und im Anschluss daran ein Gespräch mit Jesus
versucht". Dieser Disput des gläubigen Juden mit Jesus habe dem Papst - wie er schreibt
- mehr als andere Auslegungen "die Augen geöffnet für die Größe von Jesu Wort und
für die Entscheidung, vor die uns das Evangelium stellt". Benedikt XVI. wolle als
Christ in das Gespräch des Rabbi mit Jesus eintreten, um das authentisch Jüdische
und das Geheimnis Jesu besser zu verstehen.
An diesen "Trialog" habe Papst
Benedikt XVI. bereits als Kardinal Ratzinger gedacht, als er Rabbi Neusners Buch als
"das bei weitem wichtigste Buch für den jüdisch-christlichen Dialog, das in den letzten
Jahren veröffentlicht worden ist", bezeichnet hatte. Sein jetzt veröffentlichtes Jesus-Buch
löse dieses Versprechen ein, so Kardinal Schönborn. In dem Buch von Rabbi Neusner
werde deutlich, dass es nicht die Kirche oder der Apostel Paulus war, die einen "sanften,
liberalen, prophetischen oder wie sonst immer gearteten Wanderprediger aus Galiläa
zum Gottessohn hochstilisiert" habe. Vielmehr stelle Jesus selbst in seinem ganzen
Tun und Reden "Anspruch, der Gott allein zusteht", unterstrich Kardinal Schönborn.
Das sei die "zentrale Thematik" des Buches "Jesus von Nazareth".
Es gibt nicht
das Buch über Jesus", betonte Kardinal Schönborn am Freitagabend bei einem Empfang
des "Herder"-Verlags im Priesterkolleg des Campo Santo Teutonico im Vatikan. Das neue
Werk von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. reihe sich in die lange Reihe von Jesus-Büchern
ein. Es sei unmöglich, "alles" über Jesus in einem Werk zusammenfassen zu wollen,
betonte Schönborn auch mit Blick auf Äußerungen des italienischen Philosophen Massimo
Cacciari, der von Lücken und Ausblendungen in dem Buch "Jesus von Nazareth" gesprochen
hatte. Vielmehr handle es sich um ein Zeugnis der Lebensfreundschaft des Papstes mit
Christus. Die Kirche sei der Kreis derer, die in Freundschaft mit Jesus leben. Das
Buch von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. sei eine Einladung zu dieser Freundschaft,
so der Wiener Kardinal.
Für den zweiten Band des Jesus-Buchs von Joseph Ratzinger/Papst
Benedikt XVI. ist bislang noch kein Erscheinungstermin bekannt. Der erste Teil "Jesus
von Nazareth" umfasst den Lebensabschnitt von der Taufe im Jordan bis zu Verklärung.
Er befasst sich nicht mit der Kindheitsgeschichte sowie mit Passion, Tod und Auferstehung.
Diese Bereiche sollen in einem zweiten Teil behandelt werden. (kap 14.04.2007
mc)