Das Gefühl absoluter
Unsicherheit, knapper werdende Nahrungsmittel, kein Vertrauen in die Politik und keine
Alternativen in Sicht - viele Iraker haben die Hoffnung aufgegeben und erwarten auch
von der Zukunft nicht viel. Ihr Alltag ist geprägt von der allgegenwärtigen Gewalt
im Land - und die zivile Infrastruktur ist fast komplett zusammengebrochen. Vier Jahre
nach dem Einmarsch der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in Bagdad am 20.
März 2003 zieht Bagdads Weihbischof Shlemon Warduni eine traurige Bilanz. „Vor
dem Ausbruch des Krieges hatte ich gesagt: Gott will keinen Krieg. Schon damals konnte
man absehen, dass die Konsequenzen schrecklich sein würden. So kam es. Tag für Tag
sind die Grausamkeiten und Morde gestiegen. Kinder, Jugendliche, Alte, Kranke… Wir
leiden alle, denn die Welt denkt nicht an das Wohl der Iraker. Jeder denkt an seine
eigenen Interessen und deshalb hat man die Iraker vergessen. Der Terrorismus steigt
und mit ihm auch die Zahl der Waisen und Witwen.“ Die irakische Internetseite
Body Count spricht unter Berufung auf die internationale Presse von bis zu 65.000
Toten seit März 2003. Die meisten Opfer kämen aus der Zivilbevölkerung. Warduni:
„Keiner weiß genau, wie viele Tote es sind. Es werden noch viel mehr werden. Die
Menschen leben in Schmerz, Angst und Leid. Alle wollen sie fliehen, denn es gibt weder
Frieden noch Sicherheit. Oft gehen wir aus dem Haus, ohne sicher zu sein, heil und
gesund zurückzukehren. Die Raubüberfälle, Todeskommandos, Autobomben, Minen und Raketen:
Man kann nicht in Ruhe essen, nicht studieren, nicht in Ruhe beten. Viele Menschen
haben Angst, in die Kirche zu kommen, viele Kinder haben Angst, in die Schule zu gehen.“ Laut
UNO haben zwei Millionen Menschen den Irak verlassen, vor allem die religiösen Minderheiten.
1,8 Millionen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. „Es wollen alle weg.
Es gibt nicht den kleinsten Sonnenstrahl, der sagen lässt: „Morgen leben wir besser.“
Infrastruktur gibt es nicht. Strom haben wir nur für eine halbe Stunde, dann fünf
Stunden lang gar nicht. Alle gehen weg. Auch die, die einen starken Charakter haben,
werden unter diesen schrecklichen Bedingungen schwach. Es bleiben also die, denen
schlicht nichts anderes übrig bleibt.“ Vernichtend auch die Bilanz des Weltkirchenrats.
Wenn sich nicht wenigstens die großen Gemeinschaften zum Wohl des Volkes zusammenschlössen,
stünden dem Irak noch größere Katastrophen bevor als bisher, erklärte Weltkirchenratspräsident
Samuel Kobia. (rv/apic/misna 20.03.2007 bp)