Gut fünf Wochen nach
Beilegung eines blutigen innerpalästinensischen Machtkampfs ist eine Einheitsregierung
aus Hamas und Fatah im Amt. Nach Bestätigung durch das Parlament wurden die 25 Mitglieder
des neuen Kabinetts teils in Gaza und teils in Ramallah im Westjordanland am Samstag
vereidigt. Trotz eines Appells von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas will die EU
aber ihren Finanzboykott gegen die Regierung aufrechterhalten. Auch die Christen vor
Ort sind skeptisch. Das bestätigt Petra Heldt. Sie ist Dozentin am "Ratisbonne Pontifical
Institute" und Sekretärin der Ökumenischen Gemeinschaft christlicher Kirchen in Jerusalem.
„Wir
haben noch nicht gehört, dass es laute Stimmen gibt, die die Rechte der Religionsfreiheit
und des natürlichen Wachsens der Christen in diesem palästinensischen Gebiet zum Ausdruck
bringen. Ich glaube, im Moment sieht es so aus, als seien die großen Verlierer Israel
und die Christen.“
Die Christen in Palästina leben in den autonomen Gebieten,
also in Zonen der Westbank, in Ostjerusalem und Gaza. Die arabischen Christen sind
wie ihre muslimischen Nachbarn Palästinenser, die sich meist der palästinensischen
Nationalbewegung zugehörig fühlen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass sich die palästinensischen
Christen auch an den Protesten gegen die Bauarbeiten am Tempelberg in Jerusalem beteiligt
haben. Werden diese Proteste auch einen Einfluss auf die neue Regierung haben?
„Ich
glaube, es sind zwei verschiedene Paar Schuhe, soweit ich das beurteilen kann. Denn
zum einen handelt es sich um einen Bürgerkrieg innerhalb der palästinensischen Gebiete.
Dieser Bürgerkrieg soll und muss unterbunden werden. Daher glaube ich, dass sich sowohl
Hamas als auch Fatah in dieser Hinsicht sehr engagieren. Aber die Frage ist, was nützen
die Unruhen auf dem Tempelberg von muslimischer Seite? Diese Aufregungen haben zum
Teil auch dazu gedient, die internationale Aufmerksamkeit von den eigenen innenpolitischen
Schwierigkeiten – sprich Bürgerkrieg – abzuwenden. Es ist somit ein gewissermaßen
politisches Spiel, und auch hier kann ich sagen, dass wir die Situation mit großer
Aufmerksamkeit beobachten - und dass es nicht dazu angetan erscheint, die Position
der Christen in den Gebieten sowohl in den palästinensischen als auch in den israelischen
Gebieten stärken zu wollen.“
Heute wandern viele arabische Christen aus.
Die meisten von ihnen sind so genannte arabische Palästinenser. Als christliche Araber
gelten sie nicht hundertprozentig als Araber, weil sie keine Muslime sind. Und als
Israelis sind sie natürlich nicht hundertprozentig Israelis, weil sie nicht Juden
sind, und auch nicht hundertprozentig Palästinenser, weil es keinen Staat Palästina
gibt. Petra Heldt weiß, wie man den Christen vor Ort helfen könnte - und zwar mit
Pilgerfahrten ins Heilige Land.
„Ich glaube, es ist wichtig, dass Christen
hierher kommen und sehen. Damit sie die christliche Identität stärken und die Verbindung
mit den Christen zum Ausdruck bringen. Die Frage ist, wie man das am besten macht.“
Die
deutschen Bischöfe haben erst kürzlich eine Reise ins Heilige Land unternommen. Doch
umstrittene Äußerungen über die Situation der Palästinenser sorgten für Empörung.
„Ich
bin ja nicht die einzige, die sagt, dass es vielleicht nicht die idealste Weise war,
wie unglücklicherweise und vielleicht durch Missverständnisse in den Medien die Bischofsreise
zum Ausdruck gekommen ist. Man muss sich sehr gut vorbereiten. Jeder kennt die Situation
seit Jahren und weiß, wie es hier ist und was man sagen muss. Das muss meiner Meinung
nach immer sehr gut überlegt werden. Ich glaube, wir müssen diesen Vorfall zum Anlass
nehmen, unsere eigenen christlichen Positionen noch mal im Hinblick auf unsere eigene
christliche Identität zum Nahen Osten zu überprüfen.“
Die Deutsche Bischofskonferenz
hatte versucht, die Wogen der Kritik zu glätten. Der Besuch der Bischöfe in Israel
und in den palästinensischen Gebieten sei „durchgängig von einer hohen Sensibilität
für die Belange beider Konfliktparteien“ bestimmt gewesen. Beim Besuch in Bethlehem
seien „aus der emotionalen Betroffenheit Einzelner heraus einige wenige sehr persönliche
Bemerkungen gefallen, die bereits selbstkritisch richtig gestellt wurden“. Dazu nochmals
Petra Heldt:
„Wieweit helfen wir uns allen, wenn wir immer für die anderen
sprechen, aber nie für uns selbst? Das heißt, eine Bischofskonferenz hat natürlich
ein ganz großes Potenzial und kann die Situation der Christen sehr gut und stark hervorheben.
Aber man muss das in einer Weise tun, die auch christlich vertretbar ist. An der Stelle
müssen wir noch mal völlig neu lernen, über die Situation der Christen im Nahen Osten
zu reden. Politik ist eine Seite. Aber wir als Christen haben vielleicht auch die
Aufgabe, das christliche Element viel stärker – und damit auch unsere kirchliche Präsenz
– positiv zum Ausdruck zu bringen.“
Hier noch einige Zahlen: Im Gaza-Streifen
und Westjordanland leben rund 3,6 Millionen Menschen. Statistisch genaue Angaben sind
schwer zu ermitteln. Dennoch ergibt sich ein demographisches Bild für die christliche
Minderheit unter Muslimen in Palästina. Auf der Westbank leben ungefähr acht Prozent
Christen, in Gaza weniger als ein Prozent. Die Mehrheit der christlichen Palästinenser
gehört vier Konfessionen an: Griechisch-orthodox sind etwa eine Hälfte, die andere
Hälfte setzt sich aus etwa 60 Prozent katholischen und jeweils zehn Prozent griechisch-katholischen
und protestantischen Christen zusammen. (rv 19.03.2007 mg)