Das höchste UNO-Gericht
hat das Massaker an bosnischen Moslems durch Serben in Srebrenica von 1995 als "Völkermord"
eingestuft. Auf Antrag Bosniens stellte der Internationale Gerichtshof heute fest,
dass die in Srebrenica verübten Schikanen und Morde zu der Kategorie gehörten, die
eine UNO-Konvention von 1948 als "Völkermord" bezeichnet. Das Urteil von heute ist
bahnbrechend. Allerdings betonten die Richter in Den Haag, dass Serbien nicht verantwortlich
oder Komplize bei den Massakern von Srebrenica war. Das Land habe jedoch nicht genug
getan, die Taten zu verhindern bzw. zu bestrafen. Es war das erste Mal, dass ein Staat
vor dem höchsten UNO-Gericht wegen Völkermords angeklagt worden ist.
(agenturen
26.02.07 sk)
Zur heutigen Lage in Bosnien ein Hintergrundbericht von Mario
Galgano.
Die Reform der Polizei in Bosnien-Herzegowina gilt als wichtiges
Kriterium für die EU-Annäherung. Seit Monaten wird zäh verhandelt, jetzt hat die EU
ein Ultimatum gesetzt. Eine Einigung ist dennoch nicht in Sicht. Bis zum 2. März sollen
Vertreter der Föderation und der bosnischen Serbenrepublik, der Republika Srpska,
eine Einigung erzielen, so das Ultimatum der EU-Kommission. Anderenfalls müsse die
geplante Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU
erneut verschoben werden. Doch bisher konnten die Parteien ihre Standpunkte nicht
einander annähern. Das haben auch die jüngsten Verhandlungen aller Beteiligten am
vergangenen Montag (19.2.) in Sarajewo gezeigt. Der Balkanstaat scheint ähnliche
Probleme wie der Kosovo zu haben. Der Weihbischof von Sarajewo, Pero Sudar, erläutert
die politische Entwicklung.
„Die Situation hat sich nach den letzten Wahlen
im Oktober 2006 weder verbessert noch verschlechtert. Doch nach den Wahlen sind alle
Probleme und Hindernisse ans Licht gekommen, die sich im Laufe des Balkankrieges angesammelt
haben. Das sind die Konsequenzen der politischen Beschlüsse aus den 90er Jahren, die
nicht eine Lösung für uns brachten sondern nur den Krieg gestoppt haben. Die Situation
ist sehr schwierig und es ist fast nicht erklärbar.“
Dass sich in Bosnien-Herzegowina
mehr und mehr eine geistige, moralische wie auch kulturelle Krise ausbreitet, wird
von den Beteiligten als auch unbeteiligten Akteuren des gesellschaftlichen Lebens
wissentlich in Kauf genommen, ausgenutzt oder als unwichtig bewertet. Wir fragen dem
Weihbischof von Sarajewo, ob die Kosovo-Verhandlungen auch einen Einfluss auf Bosnien-Herzegowina
haben.
„Aber sicher hat das einen Einfluss auf uns. Denn ein Drittel von
Bosnien ist serbisch und nennt sich serbische Republik (Republika Srepska). Sie sind
Serben, und für sie ist es sicherlich nachvollziehbar, das der Kosovo ein Teil von
Serbien ist. Daher möchten sie Kompromisse in Bosnien-Herzegowina und verlangen auch,
dass man sie aus diesem Grund besser verstehe. Falls der Kosovo unabhängig wird, ist
das meines Erachtens eine gefährliche Entscheidung.“
Die größte Gefahr
für die bosnische Angelegenheit ist der Umgang mit den Kriegsflüchtlingen. Die Wahlen
am 1. Oktober 2006 galten als zukunftsweisend, weil die internationale Gemeinschaft
2007 den Hohen Repräsentanten abziehen und Bosnien und Herzegowina in die volle Souveränität
überführen will. Hat die internationale Gemeinschaft einen Fehler gemacht?
„Leider
muss ich das bejahen, denn gerade die Teilung Bosniens in verschiedene ethnische Teile,
hat verhindert, dass die Kriegsflüchtlinge wieder zurück zu ihren Häusern kehren konnten.
Sie mussten stattdessen in das Gebiet zurück, dem sie ethnisch angehören. 50 Prozent
der Flüchtlinge sind wieder zurückgekommen, und die meisten mussten in das Gebiet,
wo ihr Volk die Mehrheit bildet.“ (rv 26.02.07 mg/sk)