2007-02-03 12:50:18

EU: Pöttering fordert Stärkung des Parlamentarismus


RealAudioMP3 Hans-Gerd Pöttering ist neuer Präsident des EU-Parlaments in Straßburg. Der bekennende Katholik aus dem niedersächsischen Bad Iburg gehört zur konservativen EVP-Fraktion. Mit Blick auf die neu angelaufene Diskussion um den Verfassungsvertrag fordert Pöttering eine Stärkung des Parlamentarismus in Europa. Wir haben mit Pötering gesprochen und ihn gefragt: Reicht eine stark gekürzte und entschärfte Fassung, oder sollte doch ein neuer Text in Betracht gezogen werden, wie ihn die polnische Regierung vorlegen will?

„Mir ist nicht bekannt, dass die polnische Regierung einen Text vorgelegt hat. Sie hat das angekündigt. Aber ich bin dagegen, auf der Grundlage neuer Texte zu arbeiten, denn dann können ja 27 Regierungen Texte unterbreiten und alle gehen in eine andere Richtung, und das wäre das Chaos für Europa, sondern ich bin zutiefst davon überzeugt und vertrete damit auch die Meinung des europäischen Parlaments, was ja auch meine Verantwortlichkeit ist, dass wir verhandeln auf der Grundlage des vorliegenden Verfassungsvertrages und da sind – wenn wir gutwillig sind und alle Parteien gutwillig sind – hinreichende Möglichkeiten, den Vertragstext etwas schlanker zu machen, aber die Substanz zu bewahren. Und zur Substanz gehört, dass wir die notwendigen Reformen verwirklichen, zum Beispiel das Europäische Parlament mit dem Ministerrat in der Gesetzgebung auf Hundert Prozent der Gesetzgebung, dass wir einen europäischen Außenminister bekommen, dass wir Transparenz und Offenheit im Ministerrat haben, dass wir auch die nationalen Parlamente stärker einbinden und – wo wir als Parlament darauf bestehen – dass wir auch die Werte, die sich aus dem Teil zwei der Verfassung ergeben, rechtlich verbindlich machen, denn diese europäische Union hat nur eine Zukunft, wenn sie auch zusammengehalten wird durch uns verbindenden Rechte. Deswegen werden wir auf der Grundlage des vorliegenden Verfassungsvertrages die Verhandlungen führen müssen. Ich halte nichts davon, wenn nun jedes Land seinen Vorschlag macht und ich möchte auch alle Regierungen daran erinnern, dass ja die Regierungen die Verträge unterschrieben haben. Das heißt die frühere Regierung Polens hat den Verfassungsvertrag unterschrieben, und wenn wir mit jeder neuen Regierung völlig von vorne anfangen, dann schaffen wir Chaos in der europäischen Union. Und deswegen bitte ich alle um guten Willen auf der Grundlage des gegenwärtigen Vertragstextes Lösungen zu finden. Die deutsche Regierung als Ratspräsidentschaft hat dabei die volle Unterstützung des Europäischen Parlamentes und ihres Präsidenten.“

Nach dem Papstbesuch in der Türkei. Hat Ankara Ihrer Meinung nach größere Chancen auf die EU-Mitgliedschaft?

„Der Besuch des Heiligen Vaters in der Türkei war ja sehr erfolgreich, insbesondere auch die Begegnung mit dem Patriarchen Bartholomaios. Das war ein sehr beeindruckender Besuch. Aber dieser Besuch hat keine unmittelbare Wirkung im Hinblick auf die Mitgliedschaft der Türkei in der der Europäischen Union. Es wird verhandelt mit der Türkei, es bleiben Probleme, zum Beispiel im Verhältnis zur Anerkennung Zyperns. Die Türkei ist auf einem langen Weg, ihr Wertesystem das der Europäischen Union anzugleichen. Wir sollten der Türkei diese Chance geben. Es wird jetzt verhandelt, die Frage der Mitgliedschaft stellt sich zu diesem Zeitpunkt nicht. Wir sind Freund der Türkei, wir sind Partner der Türkei, wir wollen gute Beziehungen. Und auf dieser Basis sollten wir jetzt die Verhandlungen führen.“

 
Im EU-Parlament gibt es jetzt eine neue rechtsradikale Fraktion. Wie sollte man Ihrer Meinung nach damit umgehen? Soll man sie eher einbinden oder doch lieber ausgrenzen?

„Ich bedauere, dass es zur Bildung einer Fraktion der Rechtsextremen gekommen ist. Aber sie nutzen die Satzung des Europäischen Parlaments, unsere Geschäftsordnung. Meine Empfehlung an das Europäische Parlament ist, dass wir die Auseinandersetzung politisch suchen, das heißt, dass wir uns mit deren Thesen, mit deren Auffassungen auseinandersetzen, um so hoffentlich die Bürgerinnen und Bürger für unsere Überzeugungen zu gewinnen, das heißt für die Würde des Menschen, für die Menschenrechte, gegen die Diskriminierung, dass wir jeden Menschen in seinem Wert anerkennen. Das ist eigentlich das Prinzip Europas.“
 
Es heißt, Sie wollten den Papst einladen.

„Wir hatten ja schon einmal den Besuch eines Papstes im europäischen Parlament im Jahre 1988, als Papst Johannes Paul II. vor dem Europäischen Parlament gesprochen hat. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit und meines Programms, das ich am 13. Februar im Europäischen Parlament vorstellen werde, ist der Dialog der Kulturen, und ich möchte kulturelle und religiöse Persönlichkeiten ins europäische Parlament einladen, aber dazu brauche ich die Unterstützung der Fraktionsvorsitzenden. Das kann der Parlamentspräsident nicht allein entscheiden. Ich werde zu einem angemessenen Zeitpunkt der Konferenz der Präsidenten, das sind die Fraktionsvorsitzenden, einen Vorschlag unterbreiten. Und dazu wird sicher auch der Vorschlag gehören, Papst Benedikt XVI. ins Europäische Parlament einzuladen.“

(rv 030207 mc)







All the contents on this site are copyrighted ©.