2007-02-02 17:57:22

Interview: 75. Geburtstag von Bischof Kamphaus


RealAudioMP3 Dr. Franz Kamphaus wurde im Februar 1932 im Münsterland als jüngstes von fünf Kindern geboren und wuchs auf dem elterlichen Bauernhof auf. Selbst ein begnadeter Redner war er bald nach seiner Weihe für die Predigtausbildung der Priester verantwortlich. 1982 wurde er von Papst Johannes Paul II. als Nachfolger von Bischof Kempf zum Bischof von Limburg ernannt. Der gerechte Frieden und das Gewissen der Menschen stehen im Vordergrund der Pastoral dieses Oberhirten. Unter starken Druck aus Rom geriet Kamphaus, als er sich im Jahre 2000 gegen den erklärten Willen des Papstes vehement für den Verbleib der katholischen Kirche in der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung einsetzte. Auch angesichts des dramatischen Bevölkerungswachtums in der Dritten Welt fordert Franz Kamphaus - abweichend von der Haltung des Vatikans - ein generelles Überdenken zur globalen Familienplanung. Seit 2001 widmet sich Bischof Kamphaus besonders dem Themenfeld Bioethik und Gentechnologie. Den meisten Menschen aber ist Bischof Kamphaus wie gesagt -wegen seiner überragender Kunst der Predigt bekannt. Allem voran natürlich den Gläubigen des Bistums Limburg, aber auch vielen Hörerinnen und Hörern des hessischen Rundfunks in Frankfurt, Mainz und Wiesbaden und darüber hinaus.


… Herr Bischof Kamphaus, es geht Ihnen der Ruf voraus, ein großer Prediger zu sein: wie viel konkreten Einfluss messen Sie dem richtigen Wort zur rechten Zeit bei?


'Ob großer Prediger, das weiß ich nicht. Ich bemühe mich darum, die Predigt gut vorzubereiten, und ich muss sagen, dass auch nach mehr als vierzig Jahren Predigtdienst es immer noch und immer wieder eine riskante,spannende Sache ist, zu predigen. Wenn in meinem Dienst etwas nicht zur Routine geworden ist, dann ist das die Predigt. Manchmal - so gesteht Bischof Kamhaus weiter, kann ich in der Nacht vor größeren Predigten nicht besonders gut schlafen. In Ehrfurcht vor dem Wort Gottes, dass er in seiner Presdigt auszulegen und zu vermittel habe. Und auch in Hochachtung vor den Menschen, die zuhören. Ich bin durchaus der Meinung, dass Predigten Menschen bewegen können - oft bewegt es mich, wie noch Jahre danach Menschen mich auf eine bestimmte Predigt ansprechen und sagen: Das haben Sie doch dort vor vielen Jahren gesagt.'


… Manches haben Sie nicht nur gesagt, Herr Bischof, sondern oft auch getan. Das heißt, Sie haben gerne ethische Grundsätze in die Praxis umgesetzt. Zum Beispiel, als Sie Ihr großes Bischofshaus in Limburg einer Flüchtlingsfamilie aus Eriträa überlassen haben und sich in eine einfache Wohnung zurückzogen. Warum?


' Ich finde, das ist für einen Priester und auch Bischof gut, dass er einfach lebt. Das ist ein schönes Wort, finde ich: einfach zu leben. Nicht mit großem, barocken Brimborium drumherum, sondern einfach. Welche Reaktionen dies ausgelöst hat, überschaue ich nicht.


* Jeder Mensch hat Vorbilder und wird von denen teilweise geprägt. Ich nehme an, dass auch Sie in Ihrer Jugend, aber vielleicht auch später noch von Persönlichkeiten beeinflußt wurden, die Ihnen einen besonderen Eindruck hinterlassen haben?


'Der mich am meisten - neben Jesus, den ich aus der heiligen Schrift immer neu und täglich in seiner Haltung in mich aufzunehmen versuche - hat mich vor allem mein Namenspatron, der Heilige Franz von Assisi, beeindruckt. Ich bin im Heiligen Jahr 2000 auf seinen Spuren gewandert, von Assisi nach Rom. Zehn Tage lang habe ich versucht, seinen Gedanken und seinem Leben etwas nachzuspüren. Ich habe erfahren, wie befreiend das ist, wenn man wenig mitnimmt: man braucht nicht viel zum Leben. Das einfache Leben ist das beste, meine ich. Je weniger man mitnimmt, desto beweglicher und desto freier ist man. Und desto mehr ist man Jesus auf der Spur.'


* Wenn man auf Jesus Spur sein will, muss man zurückschauen: Jesus lebte vor 2000 Jahren, Franz von Assisi vor 1000 Jahren, Franz Kamphaus lebt heute: tiefgreifende Veränderungen sind seither auf allen Ebenen, in der Gesellschaft, in der Politik, in der Kultur und in der Kirche vollzogen worden. Wo fühlt sich ein katholischer Bischof heute besonders herausgefordert?


'Große Veränderungen sagen Sie. Das finde ich auch. Es tut sich viel. Manche sagen - es ändert sich ja nichts. Das ist eine falsche Diagnose. Es ändert sich viel. Nur ist oft festzustellen, dass wir durch die Umstände, durch die Verhältnisse von außen geändert werden, aber uns nicht selbst aktiv ändern, indem wir umkehren. Es ist ein Riesenunterschied, ob man geändert wird, durch das, was rundherum passiert, oder ob man sich selbst ändert und die Änderung der Verhältnisse mitbetreibt.
Unser Auftrag ist von Anfang an, von Pfingsten an, weltumspannend. Global. Global ist nicht erst eine Sache, die wir jetzt im Zuge der Globalisierung entdeckt hätten, sondern eine Sache, die uns ins Stammbuch geschrieben ist. Nur sind wir's zu wenig in unserem Denken und in unserem Handeln. Bei allen Veränderungen wäre das mein Wunsch, dass das mehr in unsere Köpfe und in unsere Herzen käme: dass wir für die Welt da sind.'


Herr Bischof, viele befürchten eine Zukunft ohne christlichen Visionen? Wird es die geben?


'Für mich nicht. Ich will nicht über andere urteilen. Für mich ist die Vision, die Jesus in die Welt gebracht hat, die Zukunft für die Welt. Eine Vision, die auf Gott aufbaut und im Glauben an Gott verankert ist und die die Solidarität mit der Welt, mit den Menschen in der Welt zu leben versucht.
Das was Papst Johannes Paul II. immer wieder gesagt hat: wir müssen die Solidarität globalisieren. Also nicht Solidarität nur im nächsten Umfeld, unter uns sozusagen, sondern weltweite Solidarität.'


… Was müssen die Verantwortlichen, was muss vor allem die Kirche konkret tun, um der Spirale der weltweiten Ungerechtigkeit entgegen zu wirken?


'Die Kirche hat eine Menge Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist die, dass sie das Gewissen schärft. Die Kirche ist keine politische Macht, aber sie kann, wie es vor allen Dingen die Päpste in den vergangenen Jahrzehnten und nicht zuletzt Papst Johannes Paul II. getan haben, das Gewissen der Menschheit schärfen im Blick auf Gerechtigkeit für alle. Wichtig in diesem Zusammenhang sind zwei Punkte: einmal, dass die Entschuldung der Völker vorangetrieben wird, weil die Schuldenlast eine der größten Faktoren in der Armutsspirale darstellt. Das zweite ist die Bildung. Ohne Bildung wird es in der Entwicklung der Völker nicht weitergehen, wie 'Populorum progressio', die bahnbrechende Enzyklika Paul VI. ,zum Ausdruck gebracht hat. Das Eintreten für Entschuldung und die Bildung in den sogenannten unterentwickelten Ländern voranzubringen, in beiden Fällen sind wir als Christen und speziell als Katholiken also herausgefordert .
... Herr Bischof, Sie gelten in der Kirche als lebensnaher Mahner und stellen immer das Gewissen stets als oberste Richtline menschlichen Handelns dar: Was ist das, das Gewissen?


… 'Das Gewissen ist ein wunderbares Organ in uns. Ein Organ, dass uns mahnt, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Die Gewissensbildung, die Entwicklung des Gewissens, ist eine der Hauptaufgaben, die sich in der religiösen Bildung stellt. Das Gewissen steht dafür, dass jeder Mensch in seiner Eigenständigkeit von Gott respektiert wird, als sein Ebenbild und von daher auch von den Menschen respektiert werden muss. In Gewissensfragen ist der Mensch letztlich allein Gott verantwortlich. Er hat auf ihn zu hören und nicht auf Menschen.'

… Als Papst Johannes Paul II. vor fünf Jahren den Ausstieg aller deutschen Bistümer aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung verfügte, waren Sie kompromisslos dagegen. Fûr Sie war das eine Gewissensfrage. Ist der damalige Konflikt mit dem Vatikan spurlos an Ihnen vorüber gegangen, was denken Sie heute darüber?


' Zunächst ist zu sagan, dass ich nicht als Einziger für den Verbleib in der Konfliktberatung eingetreten bin. Das war ursprünglich die weit überwiegende Mehrheit der Bischöfe, es waren nur Einzelne, die anderer Meinung waren. Dann hat es einen langen Prozess der Urteilsbildung gegeben. Es ist wahr, dass ich dann am Ende allein dastand. Ich war und bin der Meinung, dass ich durch den Verbleib in der Konfliktberatung mehr Menschen das Leben rette, als wenn wir aussteigen sollten. Der Papst hat das anders verfügt, ich muss sein Gewissen respektieren, er hatte diese Entscheidung nicht unbegründet getroffen. Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass es falsch gewesen ist, aus der Konfliktberatung auszusteigen, aber die Verantwortung für den Ausstieg hatte dann der Papst in Gottes Namen zu übernehmen. Das ist nicht meine Sache. Darüber jetzt nachträglich weiter zu reden, lehne ich ab.


… Sie haben sich in der weltweiten Bioethik -Debatte immer wieder zu Wort gemeldet: Welche Gefahren, aber auch welche Chancen, wenn es überhaupt solche gibt, sehen Sie auf diesem Gebiet auf die künftigen Generationen zukommen?


'In der ganzen Genentwicklung ist es ein Riesenproblem, dass man mit Embrionen verfährt, als wäre es Menschenmaterial. Menschen in Gestalt von Embrionen werden instrumantalisiert. Das heißt: sie werden Mittel zum Zweck. Nun ist es aber so, dass der Mensch n i e Mittel zum Zweck werden darf. Die ganze Emanzipations-Bewegung läuft ja darauf hinaus, dass der Mensch nicht in der Handhabe eines anderen Menschen sein darf. Das genau aber geschieht wissenschaftlich in der Forschung. Man hantiert mit Menschenleben herum. Der Mensch hat nicht Wert, der Mensch hat Würde. Das ist ein Grundaxiom christlichen Denkens: die Menschenwürde. Die erlaubt es nicht, dass ein Mensch Mittel zum Zweck wird. Die Gefahr besteht und es besteht nicht nur die Gefahr, sondern es wird ja über weite Strecken schon so verfahren, dass die Würde von Menschenleben nicht geachtet wird, sondern, dass der Mensch Mittel zum Zweck wird'.


… Angesichts der dramatischen Bevölkerungszunahme in der 3. Welt haben Sie - und auch da abweichend von der offiziellen Haltung des Vatikan - immer eine Politik gefordert, die der Situation in diesen Ländern mehr gerecht würde. Nach welchen Kriterien richtet sich Ihre Meinung zu diesem vordergründen Problem?


'Dazu ist grundsätzlich zu sagen: Die Devise darf nicht lauten, weniger Armut durch weniger Menschen, sondern weniger Menschen durch weniger Armut! Die Armut ist das Problem. Wenn Menschen arm sind, sind der einzige Reichtum, den sie haben, die Kinder. Diese Spirale kann man nur so unterbrechen, indem man die Armut bekämpft und aufklärt. Bildung also. Und die Erfahrung bringt es mit sich, dass in fast allen Ländern, wo die Armutsbekämpfung greift und Bildung und Aufklärung geschieht, auch die Bevölkerungsentwicklung sich normalisiert. Das ist der Weg. Also die Entwicklung der Völker betreiben. Ich denke, dass in der katholischen Kirche die Ethik in der Vergangenheit viel zu sehr individualethisch geprägt gewesen ist, also nur das einzelne sexuelle Verhalten eines Menschen im Auge hatte, und zu wenig die Auswirkungen, die das im Sozialbereich eben aufs Ganze der Bevölkerungsentwicklung eines ganzen Landes hin hatte. Man kann also nicht nur den Individualbereich, den Bereich eines Einzelnen sehen und im Auge behalten, man muss auch die Auswirkungen im Sozialbereich sehen und da ist die Sozialethik, wie der jetzige Papst das in einem Vortrag gut zum Ausdruck gebracht hat, eine ganz wichtige Sache'.


… In der Verurteilung des Krieges im Irak, des Begriffs des Präventivkrieges stehen Sie hingegen in einer Linie mit den politischen Aussagen des Hl.Stuhls. Welche Macht besitzt der Vatikan eigentlich im Bereich politischer Entscheidungen auf der Weltbühne?


'Der Vatikan hat große Möglichkeiten, denn er kann das Gewissen der Nationen schärfen. Sicher hätte Präsident Bush es gerne gehabt, wenn der Papst seine Politik unterstützt hätte. Das hat er Gott sei Dank nicht getan, sondern ist ihr entschieden entgegen getreten. Das hat seine Wirkungen nicht verfehlt. Das heißt diesen Einfluss sollte man nicht unterschätzen. Das fatale an der ganzen Kriegsführung im Irak ist, dass das Geld, das eigentlich in die Entwicklung des Volkes hätte gesteckt werden sollen, in die Entwicklung von Waffen gesteckt wird. Um es deutlich zu sagen: das Geld ist investiert in Tötung, in Tod und nicht in Leben. Das ist die Perspektive auf die Zukunft hin:
dass wir nicht in Tötungsinstrumente investieren, sondern in Leben, in Entwicklung investieren. Ich halte die ganze Kriegspolitik - das habe ich noch und noch gesagt - gerade von Präsident Bush seit jeher für verfehlt und in seinen Ausführungen für schlimm. Die Politik, die darauf angelegt ist, Menschen in die Knie zu zwingen,wo es doch darauf ankommt, zu helfen, dass Menschen auf die Beine kommen und aufrecht gehen können. Wenn das nicht geändert wird, wird alles Bemühen um die islamischen Länder wenig Erfolg haben.'


… Sie sind 75 Jahre alt geworden und haben in Rom Ihr Rücktrittsgesuch eingereicht, weil das das Kirchenrecht so vorsieht. Was vor allem wünschen Sie sich für die nächsten Jahre für Ihr Bistum und für sich selbst?


' Ich habe den Rücktritt oder das entsprechende Schreiben das fällig ist auf Grund des kirchlichen Gesetzbuches bereits an Papst Benedikt XVI.gerichtet. Ich wünsche mir natürlich, dass es im Bistum Limburg einen guten Nachfolger gibt. Das ist das Erste und Wichtigste, das ich mir wünsche. Für mich habe ich keine besonderen Wünsche, ich werde als Priester weiterhin, so lange die Kräfte reichen, meinen Dienst tun und helfen, in vielen Situationen, wo Seelsorge gebraucht wird.


… Sie haben so manchen Stein ins Rollen gebracht und sowohl junge Menschen wie Erwachsene damit zum Nachdenken gebracht. Wären Sie einverstanden, wenn es später einmal von Ihnen hieße: Priester aus Leidenschaft - Rebell aus Überzeugung ?


'Rebell - ich weiß nicht, ob die Menschen, die mit mir zusammen leben, mich so unbedingt als Rebellen sehen. Aber Priester aus Leidenschaft - das Ja. Das trifft die Sache jedenfalls von meiner Intention her. Ob ich dem in jeden Fall gerecht geworden bin, das ist eine andere Frage. Das mag Gott beurteilen, aber die Intention leidenschaftlich in der Kirche als Priester zu dienen, die hat mich mein Leben lang umgetrieben. Ich hoffe, dass ich dem bis ans Lebensende treu bleiben kann.'


Aldo Parmeggiani










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