2007-01-30 20:21:21

Der Papst an die dt. Kirche - Teil 5


RealAudioMP3 "Wir drängen unseren Glauben niemandem auf. Diese Art von Proselytismus ist dem Christlichen zuwider." Ein weiteres Credo des Papstes. Diesmal ein interreligiöses. Für den Dialog und die Religionsfreiheit. "Der Glaube kann nur in Freiheit geschehen." Ein Bekenntnis. Abgelegt in München, am 10. September 2006.
Freiheit und Toleranz gehören sind die Maßstäbe für den interreligiösen Dialog. Sind Maßstab füreinander.
"Die Toleranz, die wir dringend brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein – die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, daß wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen."
Benedikt scheut sich nicht, Fehler der katholischen Kirche in der Geschichte zuzugeben. Hieß es nicht lange, ihm sei die große Vergebungsbitte Johannes Pauls II. ein Dorn im Auge gewesen? In Köln beim Treffen mit Vertretern von muslimischen Gemeinden klingt das anders:
"Die Lektionen der Vergangenheit müssen uns davor bewahren, die gleichen Fehler zu wiederholen. Wir wollen Wege der Versöhnung suchen und lernen, so zu leben, daß jeder die Identität des anderen respektiert. Die Verteidigung der Religionsfreiheit ist in diesem Sinne ein ständiger Imperativ, und die Achtung der Minderheiten ein unanfechtbares Zeichen wahrer Zivilisation." (20. August 2005)
Gemeinsames Anliegen: der Kampf gegen den Terror. Terrorismus - egal welcher Herkunft - sei "pervers und grausam".
"Die Ersinner und Planer dieser Attentate zeigen, daß sie unsere Beziehungen vergiften, das Vertrauen zerstören wollen. Sie bedienen sich aller Mittel, sogar der Religion, um jedem Bemühen um ein friedliches, entspanntes Zusammenleben entgegenzuwirken." (20. August 2005)
Der Papst sagte es in Köln vor der muslimischen Gemeinde, doch sein Appell gilt gleichsam wohl allen Abrahamsreligionen:
"Gemeinsam müssen wir … uns den zahlreichen Herausforderungen stellen, die unsere Zeit uns aufgibt. Für Apathie und Untätigkeit ist kein Platz, und noch weniger für Parteilichkeit und Sektentum. Wir dürfen der Angst und dem Pessimismus keinen Raum geben. Wir müssen vielmehr Optimismus und Hoffnung pflegen. Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt.“ (20. August 2005)

Unsere Zukunft, sagt Benedikt. Über die deutsche Zukunft hat er auch mit den Politikern dieses Landes gesprochen. Allen voran Bundespräsident Horst Köhler ist dafür dankbar: "Also ich bin ganz bereichert durch das Gespräch und stelle immer wieder fest, der Papst sollte öfter nach Deutschland kommen. Das hilft." (9. September 2006)


Glühender Papst- nein, wie er selbst sagt - schon Ratzinger-Verehrer ist Edmund Stoiber. Sein Zuspruch an den Landsmann - nach eineinhalb Jahren Pontifikat und sechs Tagen Reise durch Bayern: "Sie haben die Menschen zutiefst berührt mit ihrem Lachen, mit ihren Gesten und natürlich mit ihren Worten. Wir haben gespürt, zu uns spricht nicht alleine Papst Benedikt XVI., der Nachfolger im Petrusamt. Hier spricht auch der Seelsorger und Mensch, der seine Heimat liebt und die Menschen, die hier leben.“ (14. September 2006)


"Die Menschen, die hier leben“, finden Benedikt XVI. - platt gesagt - oft sympathischer als Joseph Ratzinger. Mit ihm, dem Sterben Johannes Pauls II. und dem Weltjugendtag hat die Kirche in Deutschland Aufwind zu spüren bekommen. Die Kirche wurde in der deutschen Öffentlichkeit plötzlich anders wahrgenommen, erklärt die Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts, Renate Köcher. Benedikt XVI. ist für sie der große Kommunikator:
"Wenn man nun genauer prüft, wofür steht er, für welche Botschaften, dann sind es keineswegs einseitig die berühmten Reizthemen die in so hohem Maße die Diskussion der letzten Jahrzehnte in Deutschland gerade bestimmt haben, wie Festhalten am Zölibat, Ausschluss der Frauen vom Priesteramt, Abtreibung. Wenn man fragt, wofür Benedikt XVI. steht , dann nennt die deutsche Bevölkerung an der Spitze gleichauf die strikte Ablehnung der Abtreibung, die aktive Verbreitung des katholischen Glaubens in der Welt, eine selbstbewusste katholische Kirche, das Festhalten am Zölibat, ein deutliches Bekenntnis zu Werten und Traditionen und die praktische Nächstenliebe als wesentlichen Bestandteil des Glaubens.“
Nicht alle Botschaften des Papstes würden gleichermaßen aufgenommen. Nur eine Minderheit etwa erkennt laut der Allensbachchefin, den Feldzug Benedikts gegen die Beliebigkeit:
"Ich denke, hier ist einfach der Grund, dass dies einfach ein zu abstraktes zu intellektuelles Konzept ist, um von der Masse der Bevölkerung aufgenommen und bearbeitet zu werden.“

Und was sagen die deutschen Bischöfe? Was sagen sie zu ihrem Mitbruder auf dem Bischofsstuhl von Rom, der in der Vergangenheit eher für Zentralismus stand, sich für eine stärkere Orientierung gen Vatikan einsetzte und weniger – wie etwa Walter Kasper – für eine Stärkung der Ortskirchen?


Direkt nach der Papstwahl war im Vatikan von einer "Bombenstimmung“ die Rede. Der erklärte Papstwähler und Kölner Kardinal Meisner konnte kaum passende Worte für seine Freude über Benedikt XVI. an der Spitze der Weltkirche finden. Kardinal Karl Lehmann würdigte als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz den neuen Papst als "begnadeten Theologen" und "Garanten der Festigkeit des Glaubens“. Dass 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein deutscher Kardinal den Stuhl Petri besteige, mache deutlich: "Deutschland ist in die weltweite Völkergemeinschaft zurückgekehrt."


Lehmann gab damals auch zu, dass das Verhältnis zwischen der deutschen Kirche und Joseph Ratzinger nicht immer das Beste war. Mahnte aber auch vor einem einseitigen Bild. Bei den ersten Ad Limina-Besuchen der deutschen Bischöfe sollte sich das Verhältnis des Papstes zu seiner Ortskirche also nun bewähren. Es ist grundsätzlich gut, schon immer, betont Kardinal Lehmann. Von Rapport, Gardinenpredigt oder gar Standpauke dürfe bei dem deutschen Gipfeltreffen im Vatikan keine Rede sein.
"Ich habe das überhaupt noch nie wahrgenommen. Wenn ich komme, dann ist man eigentlich interessiert, was wir berichten können, was wir für Erfahrungen haben. Es gab ein paar Mal auch die Situation des Rapportes, das war so bei den Geschiedenen Wiederverheirateten der oberrheinischen Kirchenprovinz, das war so bei Schwangerschaftskonfliktberatung usw., aber das waren herausgehobene Konfliktsituationen. Das Normale ist, dass es ein ganz brüderlicher, sachlicher Austausch ist, und bleiben am Schluss auch mal Fragen, die jeder auch mitnimmt.“
Der Eindruck von Hamburgs Erzbischof Werner Thissen nach zwei Audienzen bei Benedikt XVI.: "Er liest uns nicht die Leviten, sondern er macht uns Mut. Und das finde ich erfreulich, und das gibt auch Kraft."
Er tut den Deutschen gut, sagt Franz Josef Bode von Osnabrück. "Ich meine, dass er eine solche positive Botschaft des Glaubens ausspricht, die uns Deutschen gut tut, weil wir manchmal vielleicht ihm auch sehr stark Probleme machen. Und er hat eine sehr gute Art die Schönheit des Glaubens herauszustellen. Und das sagt er uns ja auch immer wieder, dass wir zunächst mal die Leute vom Glauben begeistern sollen, ehe wir mit all den moralischen Fragen und so kommen, sondern wirklich auch innerlich vom Glauben neu angesprochen werden. Und das hat Deutschland sicher nötig.”

Was hat Benedikt XVI. also nun der deutschen Kirche ins Stammbuch geschrieben? "Viel“ könnte man spontan meinen. Schließlich ist die Liste der Themen lang. Doch dieser Papst ist kein Mann der vielen Worte, einer der großen schon eher.
In Goldene Bücher trägt er in der Regel wenig mehr als seinen Namen. Dabei könnte er einen Bibelvers anfügen. Johannes 17,21: „… damit die Welt glaubt“. Das ist es, was Benedikt will: nicht länger die Asche hüten, sondern das Feuer des Glaubens neu entfachen. Wie bei der Jugendpastoral, wie bei der Ökumene läuft das immer auf eines hinaus: Die Menschen sollen sich auf den eigenen Glauben besinnen. Das ist die Basis für alle weiteren Gipfelstürme. In einer säkularen Welt versucht Benedikt XVI. die Schminke des "neuen Heidentums“ abzukratzen, erinnert daran, dass der Baum des Glaubens nicht weiterwachsen kann oder schließlich doch verkümmert, ohne die Wurzeln des Christentums mit Nährstoffen zu versorgen. Bundespräsident Köhler schien das verstanden zu haben. Der gläubige Protestant wollte kein "Wortprotokoll“ von seinem Gespräch in der Münchner Residenz abgeben, sagte aber doch: "In jedem Fall waren wir uns einig, dass es darauf ankommt, das was wir haben, in Deutschland als Fundamente des christlichen Glaubens bestärken sollen, in beiden Kirchen."


Einer der eindringlichsten Papstappelle stammt aus Regensburg vom Islinger Feld: "Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott, und die Sache mit der Welt, dem ganzen Universum, geht nicht auf ohne ihn.“ (12. September 2006)
Es ist eine Botschaft für Deutschland. Doch er wäre nicht Papst, wenn diese Botschaft nicht auch für die Welt gelten würde.


Im Angelus auf der Neuen Messe in München-Riem fasste Benedikt XVI. zusammen: "Es ist notwendig– für das Leben des Einzelnen wie für das friedliche Zusammenleben aller –, Gott als Zentrum der Wirklichkeit und als Zentrum unseres eigenen Lebens zu sehen.“ (10. September 2006).
Als Vorbild für diese Art zu Leben und zu Glauben stellt der Papst - selbst in bodenständiger altbayerischer Marienfrömmigkeit erzogen - die Mutter Gottes vor Augen. Die Bitte um ihren Schutz schreibt er der deutschen Kirche ins Stammbuch:
"Die Allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Mutter der Kirche und Hilfe der Christen, kann Euch, dem Klerus und den Gläubigen in unserer Heimat die Kraft, Freude und Ausdauer erwirken, um die notwendige Aufgabe einer echten Erneuerung des Glaubenslebens mutig und im festen Vertrauen auf den Beistand des Heiligen Geistes anzugehen. Auf ihre mütterliche Fürsprache und auf die Fürbitte aller in unserm Lande verehrten heiligen Männer und Frauen erteile ich Euch sowie allen Gläubigen in Deutschland von Herzen den Apostolischen Segen.“ (18. November 2006)
Auf dem Münchner Flughafen - am Ende des vorerst letzten Deutschlandbesuchs - segnet der Papst mit Worten aus seiner Heimat. "Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland.“ Er zitiert die Bayernhymne, die - so der Altbayer und Papst - auch ein Gebet ist. "Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand! / Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau…“
Er fügt an: "Allen ein herzliches 'Vergelt’s Gott’ und: 'Auf Wiedersehen!’, so Gott will.“ (14. September 2006)
Als der Tölzer Knabenchor zum Abschied singt, lächelt er wieder, dieser Papst. So wie ganz am Anfang dieser Reise.


(rv 30.01.07 bp)







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