"Wir drängen
unseren Glauben niemandem auf. Diese Art von Proselytismus ist dem Christlichen zuwider."
Ein weiteres Credo des Papstes. Diesmal ein interreligiöses. Für den Dialog und die
Religionsfreiheit. "Der Glaube kann nur in Freiheit geschehen." Ein Bekenntnis.
Abgelegt in München, am 10. September 2006. Freiheit und Toleranz gehören sind
die Maßstäbe für den interreligiösen Dialog. Sind Maßstab füreinander. "Die
Toleranz, die wir dringend brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein – die Ehrfurcht
vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen
setzt aber wiederum voraus, daß wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen." Benedikt
scheut sich nicht, Fehler der katholischen Kirche in der Geschichte zuzugeben. Hieß
es nicht lange, ihm sei die große Vergebungsbitte Johannes Pauls II. ein Dorn im Auge
gewesen? In Köln beim Treffen mit Vertretern von muslimischen Gemeinden klingt das
anders: "Die Lektionen der Vergangenheit müssen uns davor bewahren, die gleichen
Fehler zu wiederholen. Wir wollen Wege der Versöhnung suchen und lernen, so zu leben,
daß jeder die Identität des anderen respektiert. Die Verteidigung der Religionsfreiheit
ist in diesem Sinne ein ständiger Imperativ, und die Achtung der Minderheiten ein
unanfechtbares Zeichen wahrer Zivilisation." (20. August 2005) Gemeinsames
Anliegen: der Kampf gegen den Terror. Terrorismus - egal welcher Herkunft - sei "pervers
und grausam". "Die Ersinner und Planer dieser Attentate zeigen, daß sie unsere
Beziehungen vergiften, das Vertrauen zerstören wollen. Sie bedienen sich aller Mittel,
sogar der Religion, um jedem Bemühen um ein friedliches, entspanntes Zusammenleben
entgegenzuwirken." (20. August 2005) Der Papst sagte es in Köln vor der muslimischen
Gemeinde, doch sein Appell gilt gleichsam wohl allen Abrahamsreligionen: "Gemeinsam
müssen wir … uns den zahlreichen Herausforderungen stellen, die unsere Zeit uns aufgibt.
Für Apathie und Untätigkeit ist kein Platz, und noch weniger für Parteilichkeit und
Sektentum. Wir dürfen der Angst und dem Pessimismus keinen Raum geben. Wir müssen
vielmehr Optimismus und Hoffnung pflegen. Der interreligiöse und interkulturelle Dialog
zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden.
Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft
abhängt.“ (20. August 2005)
Unsere Zukunft, sagt Benedikt. Über die deutsche
Zukunft hat er auch mit den Politikern dieses Landes gesprochen. Allen voran Bundespräsident
Horst Köhler ist dafür dankbar: "Also ich bin ganz bereichert durch das Gespräch
und stelle immer wieder fest, der Papst sollte öfter nach Deutschland kommen. Das
hilft." (9. September 2006)
Glühender Papst- nein, wie er selbst sagt
- schon Ratzinger-Verehrer ist Edmund Stoiber. Sein Zuspruch an den Landsmann - nach
eineinhalb Jahren Pontifikat und sechs Tagen Reise durch Bayern: "Sie haben die
Menschen zutiefst berührt mit ihrem Lachen, mit ihren Gesten und natürlich mit ihren
Worten. Wir haben gespürt, zu uns spricht nicht alleine Papst Benedikt XVI., der Nachfolger
im Petrusamt. Hier spricht auch der Seelsorger und Mensch, der seine Heimat liebt
und die Menschen, die hier leben.“ (14. September 2006)
"Die Menschen,
die hier leben“, finden Benedikt XVI. - platt gesagt - oft sympathischer als Joseph
Ratzinger. Mit ihm, dem Sterben Johannes Pauls II. und dem Weltjugendtag hat die Kirche
in Deutschland Aufwind zu spüren bekommen. Die Kirche wurde in der deutschen Öffentlichkeit
plötzlich anders wahrgenommen, erklärt die Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts,
Renate Köcher. Benedikt XVI. ist für sie der große Kommunikator: "Wenn man nun
genauer prüft, wofür steht er, für welche Botschaften, dann sind es keineswegs einseitig
die berühmten Reizthemen die in so hohem Maße die Diskussion der letzten Jahrzehnte
in Deutschland gerade bestimmt haben, wie Festhalten am Zölibat, Ausschluss der Frauen
vom Priesteramt, Abtreibung. Wenn man fragt, wofür Benedikt XVI. steht , dann nennt
die deutsche Bevölkerung an der Spitze gleichauf die strikte Ablehnung der Abtreibung,
die aktive Verbreitung des katholischen Glaubens in der Welt, eine selbstbewusste
katholische Kirche, das Festhalten am Zölibat, ein deutliches Bekenntnis zu Werten
und Traditionen und die praktische Nächstenliebe als wesentlichen Bestandteil des
Glaubens.“ Nicht alle Botschaften des Papstes würden gleichermaßen aufgenommen.
Nur eine Minderheit etwa erkennt laut der Allensbachchefin, den Feldzug Benedikts
gegen die Beliebigkeit: "Ich denke, hier ist einfach der Grund, dass dies einfach
ein zu abstraktes zu intellektuelles Konzept ist, um von der Masse der Bevölkerung
aufgenommen und bearbeitet zu werden.“
Und was sagen die deutschen Bischöfe?
Was sagen sie zu ihrem Mitbruder auf dem Bischofsstuhl von Rom, der in der Vergangenheit
eher für Zentralismus stand, sich für eine stärkere Orientierung gen Vatikan einsetzte
und weniger – wie etwa Walter Kasper – für eine Stärkung der Ortskirchen?
Direkt
nach der Papstwahl war im Vatikan von einer "Bombenstimmung“ die Rede. Der erklärte
Papstwähler und Kölner Kardinal Meisner konnte kaum passende Worte für seine Freude
über Benedikt XVI. an der Spitze der Weltkirche finden. Kardinal Karl Lehmann würdigte
als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz den neuen Papst als "begnadeten Theologen"
und "Garanten der Festigkeit des Glaubens“. Dass 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs ein deutscher Kardinal den Stuhl Petri besteige, mache deutlich: "Deutschland
ist in die weltweite Völkergemeinschaft zurückgekehrt."
Lehmann gab damals
auch zu, dass das Verhältnis zwischen der deutschen Kirche und Joseph Ratzinger nicht
immer das Beste war. Mahnte aber auch vor einem einseitigen Bild. Bei den ersten Ad
Limina-Besuchen der deutschen Bischöfe sollte sich das Verhältnis des Papstes zu seiner
Ortskirche also nun bewähren. Es ist grundsätzlich gut, schon immer, betont Kardinal
Lehmann. Von Rapport, Gardinenpredigt oder gar Standpauke dürfe bei dem deutschen
Gipfeltreffen im Vatikan keine Rede sein. "Ich habe das überhaupt noch nie wahrgenommen.
Wenn ich komme, dann ist man eigentlich interessiert, was wir berichten können, was
wir für Erfahrungen haben. Es gab ein paar Mal auch die Situation des Rapportes, das
war so bei den Geschiedenen Wiederverheirateten der oberrheinischen Kirchenprovinz,
das war so bei Schwangerschaftskonfliktberatung usw., aber das waren herausgehobene
Konfliktsituationen. Das Normale ist, dass es ein ganz brüderlicher, sachlicher Austausch
ist, und bleiben am Schluss auch mal Fragen, die jeder auch mitnimmt.“ Der
Eindruck von Hamburgs Erzbischof Werner Thissen nach zwei Audienzen bei Benedikt XVI.:
"Er liest uns nicht die Leviten, sondern er macht uns Mut. Und das finde ich erfreulich,
und das gibt auch Kraft." Er tut den Deutschen gut, sagt Franz Josef Bode von
Osnabrück. "Ich meine, dass er eine solche positive Botschaft des Glaubens ausspricht,
die uns Deutschen gut tut, weil wir manchmal vielleicht ihm auch sehr stark Probleme
machen. Und er hat eine sehr gute Art die Schönheit des Glaubens herauszustellen.
Und das sagt er uns ja auch immer wieder, dass wir zunächst mal die Leute vom Glauben
begeistern sollen, ehe wir mit all den moralischen Fragen und so kommen, sondern wirklich
auch innerlich vom Glauben neu angesprochen werden. Und das hat Deutschland sicher
nötig.”
Was hat Benedikt XVI. also nun der deutschen Kirche ins Stammbuch
geschrieben? "Viel“ könnte man spontan meinen. Schließlich ist die Liste der Themen
lang. Doch dieser Papst ist kein Mann der vielen Worte, einer der großen schon eher. In
Goldene Bücher trägt er in der Regel wenig mehr als seinen Namen. Dabei könnte er
einen Bibelvers anfügen. Johannes 17,21: „… damit die Welt glaubt“. Das ist es, was
Benedikt will: nicht länger die Asche hüten, sondern das Feuer des Glaubens neu entfachen.
Wie bei der Jugendpastoral, wie bei der Ökumene läuft das immer auf eines hinaus:
Die Menschen sollen sich auf den eigenen Glauben besinnen. Das ist die Basis für alle
weiteren Gipfelstürme. In einer säkularen Welt versucht Benedikt XVI. die Schminke
des "neuen Heidentums“ abzukratzen, erinnert daran, dass der Baum des Glaubens nicht
weiterwachsen kann oder schließlich doch verkümmert, ohne die Wurzeln des Christentums
mit Nährstoffen zu versorgen. Bundespräsident Köhler schien das verstanden zu haben.
Der gläubige Protestant wollte kein "Wortprotokoll“ von seinem Gespräch in der Münchner
Residenz abgeben, sagte aber doch: "In jedem Fall waren wir uns einig, dass es
darauf ankommt, das was wir haben, in Deutschland als Fundamente des christlichen
Glaubens bestärken sollen, in beiden Kirchen."
Einer der eindringlichsten
Papstappelle stammt aus Regensburg vom Islinger Feld: "Die Sache mit dem Menschen
geht nicht auf ohne Gott, und die Sache mit der Welt, dem ganzen Universum, geht nicht
auf ohne ihn.“ (12. September 2006) Es ist eine Botschaft für Deutschland.
Doch er wäre nicht Papst, wenn diese Botschaft nicht auch für die Welt gelten würde.
Im
Angelus auf der Neuen Messe in München-Riem fasste Benedikt XVI. zusammen: "Es
ist notwendig– für das Leben des Einzelnen wie für das friedliche Zusammenleben aller
–, Gott als Zentrum der Wirklichkeit und als Zentrum unseres eigenen Lebens zu sehen.“
(10. September 2006). Als Vorbild für diese Art zu Leben und zu Glauben stellt
der Papst - selbst in bodenständiger altbayerischer Marienfrömmigkeit erzogen - die
Mutter Gottes vor Augen. Die Bitte um ihren Schutz schreibt er der deutschen Kirche
ins Stammbuch: "Die Allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Mutter
der Kirche und Hilfe der Christen, kann Euch, dem Klerus und den Gläubigen in unserer
Heimat die Kraft, Freude und Ausdauer erwirken, um die notwendige Aufgabe einer echten
Erneuerung des Glaubenslebens mutig und im festen Vertrauen auf den Beistand des Heiligen
Geistes anzugehen. Auf ihre mütterliche Fürsprache und auf die Fürbitte aller in unserm
Lande verehrten heiligen Männer und Frauen erteile ich Euch sowie allen Gläubigen
in Deutschland von Herzen den Apostolischen Segen.“ (18. November 2006) Auf
dem Münchner Flughafen - am Ende des vorerst letzten Deutschlandbesuchs - segnet der
Papst mit Worten aus seiner Heimat. "Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche
Erde, Vaterland.“ Er zitiert die Bayernhymne, die - so der Altbayer und Papst
- auch ein Gebet ist. "Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand! / Er behüte
deine Fluren, schirme deiner Städte Bau…“ Er fügt an: "Allen ein herzliches
'Vergelt’s Gott’ und: 'Auf Wiedersehen!’, so Gott will.“ (14. September 2006) Als
der Tölzer Knabenchor zum Abschied singt, lächelt er wieder, dieser Papst. So wie
ganz am Anfang dieser Reise.