2007-01-22 15:21:20

Frankreich: Abbé Pierre ist tot


Frankreich trauert um den Armenpriester Abbé Pierre. Der 94-Jährige starb vergangene Nacht in einem Pariser Krankenhaus an den Folgen einer Lungenentzündung. Das teilte der Leiter der von Abbé Pierre gegründeten Bewegung Emmaus, Martin Hirsch, in Paris mit. Abbé Pierre hatte in der Pariser Vorstadt Neuilly-Plaisance die erste "Emmaus"-Gemeinschaft zur Unterstützung von Obdachlosen gegründet. Heute umfasst die Bewegung mehr als 500 Vereinigungen in gut 40 Ländern. Hier die Gründung von Emmaus in Abbé Pierres eigenen Worten:
"Die alten Menschen erinnern sich an das, was man den Aufstand der Güte nennt, diesen fantastischen Aufbruch in Frankreich im Winter 1954. In jenem Winter haben sich einige Menschen unter dem Namen Emmaus versammelt. Gemeinsam hatten wir bereits seit drei Jahren daran gearbeitet, verzweifelten Familien zu Hilfe zu kommen."
Über viele Jahre hatte Abbé Pierre die Rangliste der beliebtesten Franzosen angeführt. Der Priester nutzte seine Popularität, um „mit und für die Armen“ zu wirken. Die Emmaus-Bewegung sammelt Möbel und Objekte aller Art, um sie billig an Bedürftige abzugeben. International arbeitet Emmaus für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung in Afrika ebenso wie für die Menschenrechte oder die Versorgung der Straßenkinder Südamerikas. An der Basis des Engagements stand für Abbé Pierre die gemeinsame Erfahrung des Leidens aller Menschen.
"Es ist wichtig zu wissen, dass jeder Mensch verwundbar und verletzt ist vom Leiden anderer. Wir alle sind auf schreckliche Weise privilegiert; und dennoch wäre es geradezu eine Katastrophe, ja ein Fluch für diese wissende Gemeinschaft der Gläubigen, wenn es das Leid anderer Menschen nicht gäbe."
Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Kardinal Jean-Pierre Ricard, würdigte die Persönlichkeit und das Werk Abbé Pierres in einer Erklärung. Vereinigungen wie Emmaus erinnerten „an das außergewöhnliche Zeugnis des Engagements und der Menschlichkeit, die das Leben Abbé Pierres kennzeichneten“. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac sagte, das Land verliere eine große Persönlichkeit, "ein Gewissen, eine Inkarnation der Güte".
Abbé Pierre kam am 5. August 1912 in Lyon unter dem Namen Henri Grouès als Kind einer wohlhabenden Familie zur Welt. Mit 19 Jahren trat er dem Kapuzinerorden bei, musste diesen aber wegen einer Krankheit wieder verlassen. Stattdessen wurde er Vikar in Grenoble. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg ging er in den Untergrund und unterstützte Juden und Widerstandskämpfer.
(afp / ap / rv 22.01.07 gs)








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