Die Alternative "Schöpfung
oder Evolution" bedeutet eine falsche Fragestellung - zwischen beiden Polen besteht
"kein Konkurrenzverhältnis". Das betonte der Wiener Philosoph Günther Pöltner jetzt
beim "Dies facultatis" der Theologisch-Philosophischen Hochschule Heiligenkreuz. Der
Begriff Schöpfung meine die "existenzielle Erfahrung des Staunens über das Wunder
des Seins" und ziele nicht auf einen "vulgären Schöpfungsbericht". Das "entscheidende
Defizit" des Evolutionismus liegt laut Pöltner insbesondere in der "methodischen Reduktion
unserer Lebenswelt". So seien die Naturwissenschaften darauf angewiesen, die Fülle
innerweltlicher Phänomene zunächst "auf einen berechenbaren Bestand" zu reduzieren,
um somit "überhaupt erst ihren konkreten Gegenstand zu gewinnen". Ihrem methodischen
Ansatz nach klammere die Naturwissenschaft damit "von Anfang an bestimmte Fragen bewusst
aus". Ausgeklammert werde etwa "alles, was den Menschen als Mensch betrifft".
Dazu zählten insbesondere die Themen Freiheit, Sittlichkeit, Heiligkeit und Gott.
Diese Exklusion bedeute jedoch nicht nur einen "methodischen Atheismus", sondern darüber
hinaus die Gefahr eines "methodischen A-Humanismus". Wo immer die naturwissenschaftliche
Evolutionstheorie ihre methodische Beschränkung bestreitet, werde sie zum "bloßen
Evolutionismus und zur Ideologie", betonte der Wiener Philosoph. Die Theologie trage
an dieser Entwicklung jedoch Mitschuld, weil sie im Affekt gegen die naturwissenschaftlichen
Angriffe ein Schöpfungsverständnis vorgestellt habe, das blind sei für die eigentliche
biblische Intention des Schöpfungsberichts, "dem Staunen vor der Schöpfung". Die Theologie
muss laut Pöltner das Wissen um "das Wunder der Seinsgabe" bewahren.