Der deutsche Ethiker Hans-Bernhard Wuermeling kritisiert Zürcher und Berner Initiativen
zum Religionsunterricht. Wir dokumentieren hier seinen Text, den er uns zugänglich
gemacht hat. "Es ist 3 ½ Jahre her, daß man den Bibelunterricht in den Zürcher
Primarschulen abgeschafft hat. Seither gab es deswegen Streit. 50.000 Unterschriften
forderten die Wiedereinführung von „Biblische Gschichte“ - jetzt allerdings als nichtobligatorisches
Fach. Nun hat der Regierungsrat dagegen ein obligatorisches Fach „Religion und Kultur“
vorgeschlagen. Darauf haben sich alle Fraktionen des Kantonalrates - teilweise geradezu
begeistert - geeinigt. So soll es ab 2008 anstelle der Einführung in eine Religion
für alle Zürcher Primarschüler einen Unterricht über Religionen (man beachte die
Mehrzahl!) geben. Die Kirchen glauben den Versprechungen der Kantonsregierung,
daß das Christentum den Schwerpunkt des neuen Faches bilden werde. Sie scheinen darauf
zu hoffen, ein alle verpflichtender Unterricht werde der Glaubensverbreitung dienen
können. Aber daran müssen Zweifel erlaubt sein. Ein Unterricht, an dem teilzunehmen
der Staat verpflichtet, müsse wertneutral sein, sagen die Befürworter. Und ganz besonders
zur Toleranz erziehen. Und der ethischen Schulung dienen. Da kommt es dann sehr darauf
an, wer diesen Unterricht und wie erteilt. Die Verwaltung sagt, dafür kämen nur patentierte
Lehrkräfte in Frage, demnach also keine Katecheten. In jedem Falle werden sich
die Kirchen darauf einrichten müssen, - auf welche Weise auch immer - neben der Schule
und darüber hinaus für die Einführung der Kinder in die Religion zu sorgen. Denn
schließlich kommt es nicht auf Wertneutralität und jedenfalls nicht zunächst auf Toleranz
an, sondern auf die Vermittlung des Glaubens an die Gottgeschaffenheit und die Erlösung
des Menschen. Sonst verflacht alles im Relativismus, etwa so wie in Bern, wo man jetzt
ein Haus der Religionen baut, in dem sich der sogenannte religiöse Dialog womöglich
in Diskussionen um das Einhalten von Feiertagen und Speisevorschriften in Hospitälern
und Gefängnissen erschöpft, um den eigentlich religiösen Dialog zu vermeiden. Denn
die Initiatoren dieses Hauses bezeichnen sich als nicht oder kaum religiös Gebundene,
wollen offensichtlich nur Friedensbringer sein. Von einem solchen Haus in riesigen
Dimensionen, das Moscheen und Kirchen einschließt und sich über halb Jerusalem erstreckt,
ist in der kurzen Erzählung vom Antichrist von Wladimir Solowjew die Rede. Das aber
ist ein Haus des Teufels, der den Menschen mit verführerisch verpacktem Relativismus
den Frieden verspricht - um den Preis der Wahrheit. Ob nicht den Zürchern und Bernern
und uns allen, wenn wir Solowjew lesen, manche der gegenwärtigen schalen Friedensinitiativen
etwas apokalyptisch unheimlich vorkommen? Darüber sollte man nachdenken!" (rv 21.01.07
sk)