Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft fühlt sich inspiriert durch die Haltung des Papstes
bzw. des Vatikans zu Europa. Das sagte der Präsident des Deutschen Bundestags, Norbert
Lammert, jetzt im Gespräch mit Radio Vatikan. Wörtlich meinte die protokollarische
Nummer Zwei der Bundesrepublik mit Blick auf Benedikt XVI.: „Jedenfalls sehe ich sehr
ähnliche grundsätzliche Überlegungen im Prozess dieser Selbstbesinnung der Europäischen
Gemeinschaft, und ich hoffe umgekehrt – auch nach einem Gespräch, das ich selber mit
dem Heiligen Vater im vergangenen Jahr in Rom führen konnte – dass er gerade diese
Bemühungen der europäischen Gemeinschaft mit besonderer Sympathie verfolgt.“
Lammert
kritisierte ein gewisses Demokratie-Defizit in der EU. „Die Modernisierung der Rahmenbedingungen
der europäischen Gemeinschaft ist auch deshalb so dringlich geworden, weil es immer
noch immer eine Schieflage gibt zwischen der Verlagerung von Zuständigkeiten aus den
Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft und der demokratischen Legitimation dieser Entscheidungen
durch die Gemeinschaft. Mit anderen Worten viele Zuständigkeiten sind aus den Mitgliedsstaaten,
aus der Zuständigkeit der nationalen Parlamente an die europäische Gemeinschaft übertragen
worden, werden dort aber noch nicht – schon gar nicht in vollem Umfang – vom europäischen
Parlament wahrgenommen, sondern von der Gemeinschaft der Regierungen der Mitgliedsstaaten.
Und dieses Demokratiedefizit ist aus grundsätzlichen Erwägungen, aus dem Selbstverständnis
der Demokratieüberzeugungen der Mitgliedsstaaten nicht tolerabel und bedarf deswegen
dringend einer Korrektur in Form einer Stärkung des europäischen Parlaments.“
Lesen
Sie hier weitere Ausschnitte aus dem Interview.
„Manches, was damals als
ein gigantischer historischer Fortschritt empfunden wurde, nach jahrhundertlangen
Rivalitäten zwischen Ländern, etwa zwischen Deutschland und Frankreich, wird inzwischen
fast für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Und deswegen wird die Mühsal in der
Abbarbeitung täglicher Aufgaben stärker im öffentlichen Bewusstsein wahrgenommen,
als der historsiche Fortschritt, der sich durch diese verlässliche und stabile Verbindung
von Nationalstaaten in Europa für deren gemeinsame Sicherheit und deren gemeinsame
Aussichten auf Wohlstand in Frieden ergibt.“
„Das 50jährige Jubiläum der Römischen
Verträge ist eine besonders gute Gelegenheit, die Verbindung neu herzustellen zwischen
den Anfängen dieser Gemeinschaft und ihren Zukunftsperspektiven. Und dass die Kanzlerin
weit vor der Berliner Erklärung schon bei ihrem Antrittsbesuch als amtierende neue
Ratspräsidentin vor dem europäischen Parlament keinen Zweifel daran gelassen hat,
dass diese Gemeinschaft mehr ist als ein großer Markt und dass sie durch mehr zusammen
gehalten wird als durch gemeinsame Handelsinteressen der Mitgliedsstaaten, das ist
aus meiner Sicht ein willkommener Beitrag zu dem Prozess neuer Orientierung und einer
neuen Selbstverständigung auf die eigentlichen Ziele dieser Gemeinschaft.