2007-01-19 13:03:54

Dokument: Kirchl. Seelsorge für Sinti und Roma


Die Kirche müßte eigentlich in der Pastoral für Sinti und Roma selbst zur "Zigeunerin" werden. Diese Schlußfolgerung steht in einem Dokument des Päpstlichen Rats für die Migranten, das jetzt veröffentlicht wurde. Das Papier fasst die Ergebnisse eines Studientreffens von Anfang Dezember im Vatikan zusammen. Wörtlich heißt es in dem Text, "dass die Kirche sich die Ängste und die Hoffnungen der Zigeuner zu eigen machen muss, damit das Evangelium in einer für ihre Mentalität und ihre Traditionen geeigneten Weise gelebt und verkündet werden kann (und) dass sie akzeptiert, sich an den Werten der Zigeuner zu bereichern".

Hier dokumentieren wir die entscheidenden Passagen aus dem Dokument.

PÄPSTLICHER RAT DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS


Studientreffen der National-Direktoren der Pastoral für die Zigeuner

(Vatikanstadt, 11.-12. Dezember 2006)



SCHLUSSDOKUMENT


I. DAS EREIGNIS
Vom 11. bis 12. Dezember 2006 fand im Palazzo San Calisto (Rom) das Treffen der National- Direktoren der Pastoral für die Nomaden zu den „Orientierungen für eine Pastoral der Zigeuner. Prüfung des Dokuments“ statt. An dem Ereignis nahmen 27 Delegierte aus 21 Ländern teil, die drei Kontinente vertraten: Europa (Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweiz, Serbien, Slowakei, Spanien, Ukraine und Ungarn), Amerika (USA und zum ersten Mal Chile) und Asien (Bangladesh, die Philippinen, Indien und Indonesien, die zum ersten Mal teilnahmen).
Ziel der Versammlung war es – wie das Thema dies schon ausdrückt – das Studium der Orientierungen zu vertiefen in der Absicht, ihre sinnvolle Anwendung zu fördern. Es handelt sich um das erste Dokument der Kirche in ihrer universellen Dimension, das den Zigeunern gewidmet ist, veröffentlicht vom Päpstlichen Rat am 8. Dezember 2005.
...


II. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die folgenden Betrachtungen sind das Ergebnis einer gründlichen Untersuchung der Orientierungen in ihrer anthropologischen, soziologischen, theologischen und ekklesialen Ausprägung, ohne dabei die historischen und juristisch-legislativen Aspekte zu vernachlässigen, sowie der Diskussionen in den Arbeitsgruppen:
    Die National-Direktoren haben die Bedeutung der Tatsache anerkannt, endlich ein Dokument (Orientierungen) zu haben, das die von der Kirche in der Zigeunerseelsorge vollbrachten Bemühungen bezeugt, dass ihre Spiritualität anerkennt und dass den Nomaden die Lehre des Evangeliums in seiner Ganzheit anbieten will. Es handelt sich um ein Dokument, dass die Pastoral der Zigeuner nicht nur als bloße Wohltätigkeit, sondern als ein Erfordernis auf Grund der Universalität der Kirche beschreibt.
    Die Orientierungen sind das Ergebnis der bisher vollbrachten seelsorgerischen Bemühungen und eines Austauschs der bisher erreichten Ergebnisse. Sie markieren daher einen wichtigen Augenblick in der Geschichte der Evangelisierung und der menschlichen Förderung der Zigeuner. Die diesbezügliche Erklärung von Papst Paul VI.: „Ihr seid das Herz der Kirche“ (Pomezia, 1965) und die Bekräftigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die Kirche keinen Unterschied macht zwischen den Menschen (vergl. Gaudium et spes), setzten dem historischen Schweigen diesem Volk gegenüber ein Ende.
    Das XX. Jahrhundert hat jedenfalls dank zweier historisch bedeutender Ereignisse eine grundlegende Änderung in der Betrachtung der Welt der Zigeuner gebracht. Erstens die Seligsprechung von Ceferino Jiménez Malla, demütiger spanischer Zigeuner, Märtyrer des Bürgerkrieges von 1936, während das zweite sich auf die Bitte an Gott um Verzeihung für die auch gegenüber den Zigeunern von den Kindern der Kirche begangenen Sünden bezieht, die Papst Johannes Paul II. am 12. März 2000 im Rahmen der liturgischen Feiern des Großen Jubiläums ausgesprochen hat.
    Zu den genannten Sünden – wenn nicht die tatsächlichen, so doch gewiss Unterlassungssünden – kann auch eine Jahrhunderte währende Lauheit oder sogar das komplette Fehlen eines besonderen und spezialisierten Ansatzes der Kirche, ihrer Pastoren, Geistlichen und anderen Seelsorger, in ihrer Mission bei den Zigeunern gezählt werden. In diesem Zusammenhang rufen die Orientierungen das ganze Christenvolk zu einer Umkehr im Geiste und in den Einstellungen auf mit dem Ziel, eine positive Beziehung zum Volk der Zigeuner aufzubauen.
    In ihrer Haltung den Zigeunern gegenüber darf die Kirche nicht nur „aufnehmen“, (die Aufnahme fand schon im Alten Testament statt), sondern sie muss das Risiko eingehen, dem andern entgegen zu gehen, vor allem demjenigen, der anders ist, der abgelehnt wird, der nicht gern gesehen ist, wie das im Neuen Testament sichtbar wird. Es ist der Christus der Evangelien, der die kulturellen Tabus bricht.
    Das Evangelium – Mysterium der Erlösung, von Christus der Kirche anvertraut – muss den Menscher jeder Kultur gepredigt werden. Im Werk der Evangelisierung der Zigeuner muss der Prozess der Inkulturation, verstanden als Inkarnation des Evangeliums in den Kulturen und zugleich die Einführung der Zigeuner in das Leben der Kirche, seine Gültigkeit und seine Vorrangstellung wieder finden. In diesem Zusammenhang zählen die Orientierungen eine Reihe von Meinungen auf, aber sie erläutern zugleich die Möglichkeit, das angestrebte Gleichgewicht zu erreichen. Entscheidend ist diesbezüglich die Bekräftigung, dass die Kirche im Sinne einer wahren Katholizität selbst Zigeuner unter den Zigeunern werden muss, damit diese voll am kirchlichen Leben teilhaben können.
    Die „Förderung der Menschen“ und die „Evangelisierung“ sind zwei sich ergänzende Aspekte, die unerlässlich sind für die Verbreitung vom Reich des Vaters, das Reich der Wahrheit des Lebens ist, Reich der Heiligkeit und der Gnade, Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. In der Seelsorge zugunsten der Zigeuner müssen demnach die humanitäre Hilfe und die Wahrheit des Evangeliums Hand in Hand gehen, und es ist notwendig, dass die Elemente der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit und der Gleichheit ihnen eigen sind.
    Was die „Reinigung“ der Kultur der Zigeuner betrifft, so muss dieser Prozess durch das Evangelium erfolgen und seine ganze Erfüllung in Christus finden. In den Orientierungen wird betont, dass die Kirche neben der Akzeptanz der Zigeunerkultur die Seelsorge auch auf eine Überwindung jener Aspekte in ihr richten muss, die aus einer christlichen Blickweise nicht zu teilen sind, und die in der einen oder anderen Weise, ein Hindernis auf dem Weg der Versöhnung und der Kommunion zwischen den Zigeunern und den gağé darstellen.
    Der Zigeuner fühlt sich ausgeschlossen, er hat den Wunsch seine Mobilität und seine eigene Familie zu bewahren. Die Solidarität steht im Mittelpunkt seiner Mentalität. Seine religiöse Auffassung und sein Glaube gründen auf der Existenz eines starken Beschützers.



Die Erlösung – als Fülle der Solidarität – betrifft nicht nur die Seele, sondern den Menschen in seiner Ganzheit, einschließlich seiner Kultur, seiner Form der Beziehungen usw. Daher ist es bei der Vermittlung des Evangeliums außerordentlich wichtig, die Werte und den Reichtum der Zigeunerkultur zu beachten, ihre Sprache zu kennen, ihre Traditionen und Gebräuche zu schätzen. Tatsächlich führt das gemeinsame Leben mit den Zigeunern zu einer gegenseitigen Bereicherung.
    Doch kann übertriebener Respekt vor der Tradition der Zigeuner auch der Isolierung und der Ablehnung Raum geben. Auf den gağé lastet außerdem die Verantwortung für die folgenden Bereiche: Erziehung, berufliche Bildung, Gleichheit vor dem Gesetz, Menschenwürde, gegenseitiges Verzeihen, die Unterbrechung einer Kette von Beleidigungen, die von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Der schon erwähnte Akt, in dem die Kinder der Kirche in der Hoffnung auf eine „Reinigung der Erinnerung“ auch gegenüber den Zigeunern ihre Schuld bekannt haben, eröffnet heute die Möglichkeit einer Verbesserung der Beziehungen. Der erste Schritt zum Dialog liegt darin zu akzeptieren, dass wir unterschiedlich sind.
    Das Fehlen oder eine unzureichende Anerkennung der Identität der Zigeuner von Seiten der Gesellschaft und/oder der Kirche führen zu einem Prozess der Assimilation und nicht der Integration. Lobenswert ist daher die Tatsache, dass die Orientierungen unterstreichen, dass nur die Integration, verstanden als eine harmonische Eingliederung unter voller Akzeptanz der Unterschiedlichkeit zu der angestrebten Einheit führt. Die Zigeuner aufnehmen, ohne sie zu assimilieren, ihnen in erster Linie zu helfen, die ihnen eigene Besonderheit zu bewahren, stellt sich jedoch als ein schwer zu realisierendes Gleichgewicht dar.
    Die Zigeuner habe eine Jahrhunderte währende reale Bedingung der Ablehnung überlebt und sie überleben sie auch heute noch mit Reaktionen, die fester Bestandteil ihrer Kultur geworden sind. Dieses kulturelle Element lässt sie teilhaben an der Sorge Christi, die Tabus zu brechen, und an seiner besonderen Liebe für die Schwachen. Die Kirche hat in der Nachfolge Christi die Mission, diese Liebe zu erfassen und zu fördern.
    Die Besonderheit, die der Zigeunerseelsorge eigen ist, kann aber nicht den Sinn für die universelle, territoriale Verantwortung der Kirche ausmerzen. Die Zigeuner wenden sich tatsächlich an die gesamte Kirche; daher rührt die Notwendigkeit einer Artikulierung zwischen der spezifischen und der territorialen Seelsorge und der Seelsorge in der Pfarrgemeinde. Es ist Aufgabe des Bischofs, die Zigeuner dazu zu ermuntern, ihre Identität und ihre Einheit zu bewahren. Sie müssen sich in ihrer Mobilität in der Ortskirche und in der Gemeinde, der sie angehören, wohl aufgenommen fühlen. Dies wird in den Orientierungen klar und deutlich gesagt.
    Im derzeitigen sozial-politischen Zusammenhang tauchen neue Phänomene auf, die an die Kirchen interpellieren und zwar:

      Neue Einwanderungen von Zigeunern beunruhigen die Staaten und machen der Bevölkerung Angst, was einem erneuerten Rassismus und einer beunruhigenden Fremdenfeindlichkeit zum Leben verhilft, die die Negation der Öffnung der Herzen darstellt, wie Christus sie wünscht;
      Diese neuen Wanderungsbewegungen führen zu einem Zusammentreffen von Völkern und Gruppen, die vorher nichts voneinander wussten.
      Gleichzeitig bemühen sich die Zigeuner, sich vom Assistenzialismus unabhängig zu machen und sich in ihrer Identität als Zigeuner zu behaupten;
      Die Behörden versuchen, den Zigeunern eine Stimme zu geben, damit sie sich behaupten können.




III. EMPFEHLUNGEN
Mit Rücksicht auf das oben gesagte, bezeugen die Teilnehmer die Notwendigkeit:









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