Vatikan: Interview mit dem deutschen Botschafter am Heiligen Stuhl
Hans-Hennig
Horstmann ist seit gut 100 Tagen deutscher Botschafter am Heiligen Stuhl. Für uns
ein Anlass, ein erstes Resümée zu ziehen. Mit dem Diplomaten hat Pater Max Cappabianca
OP gesprochen:
Herr Botschafter, Sie sind jetzt vier Monate hier in Rom
als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland am Heiligen Stuhl. Wie ist es Ihnen bisher
hier in Rom und am Vatikan ergangen?
„Es war ein stiller Traum und er ist
in Erfüllung gegangen, ohne dass ich je ahnte, dass das so werden würde. Die Vorfreude
hat sich nicht nur realisiert als Freude. Es ist ein reiches intensives Leben. Wenn
ich so ein Resümee für mich ziehen darf, ist es doch der Geist und das Geistliche,
das die Arbeit prägt. Im Gegensatz und Vergleich zu allen bisherigen Verwendungen
stehe ich nicht in einem wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Nationen, sondern
es gibt eine fröhliche Konkurrenz der Köpfe und eine gute Konkurrenz der Kultur.“
Papst
Benedikt hat ja in seiner Ansprache bei der Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens
auf einige Desiderate hingewiesen, zum Beispiel auf den Schutz von Migranten, oder
seine Sorge um die Familie, die durch neue Formen des Zusammenlebens gefährdet werde.
„Die Ansprache von Benedikt XVI. ist in Berlin sehr wohl registriert worden. Wir sind
in diesen Fragen im Gespräch, wir sind in diesen Fragen einmal in Deutschland selbst
mit der Bischofskonferenz. Darüber hinaus mit der Kurie hier. Ich kann zu Ehe und
Familie nur eins sagen: Der Artikel sechs des Grundgesetzes ist klar und eindeutig:
Es gibt ein Grundgesetzgebot, die Familie, die Ehe und insbesondere auch die Kinder
zu schützen.“
Deutschland hat zur Zeit die Ratspräsidentschaft inne? Was
sind die Prioritäten?
„Es gibt vier Bereiche, auf die wir uns konzentrieren
werden. Das eine ist der Verfassungsprozess, das zweite ist die Modernisierung von
Wirtschaft, von Ökologie, aber auch von dem sozialen Bereich im Zeitalter der Globalisierung.
Darüber hinaus, die beiden anderen Bereiche: Zum einen der Rechtsraum, der gleichzeitig
der Raum der Freiheit und der Sicherheit ist und als wichtiges Thema, das jede Präsidentschaft
begleitet, die Außen- und Sicherheitspolitik.“
Benedikt weist in seinen
Ansprachen immer wieder darauf hin, dass ein Europa ohne Werte nicht möglich ist –
und das hat auch mit der Gottesfrage zu tun. Hat er in der deutschen Regierung einen
Mitstreiter?
„Er hat in der EU-Präsidentschaft den besten Mitstreiter.
Wir werden am 25. März feierlich in Berlin mit allen 27 die wir jetzt sind, die Berliner
Erklärung verabschieden. Und in dieser Berliner Erklärung geht es gerade um die Werte
in Europa, mit denen wir die vor uns stehenden Aufgaben und Herausforderungen bestehen
können. Unser Grundgesetz ist klar: Die Präambel beginnt mit ‚Im Bewusstsein unserer
Verantwortung vor Gott.“
Die europäische Verfassung steht wieder auf der
Tagesordnung. Sehen Sie noch eine Chance für die Verfassung? Wie sieht es mit dem
Gottesbezug aus?
„Das eine ist das geschriebene Wort und das andere ist
dann die gelebte Verfassung und der gelebte Vertrag. Ich bin zuversichtlich, dass
diejenigen, die sich hier einbringen werden sehr wohl bewusst sind, in welchen Traditionen
wir leben und welches unser vielfältiges europäisches Erbe ist. Dem Papst geht es
ja insbesondere auch um die freie Religionsausübung und die Freiheit und den Schutz
der Kirchen. Das garantiert diese Verfassung.
Ich würde Sie gerne etwas
zu Ihren Aufgaben als Botschafter fragen. Was machen Sie eigentlich?
„Die
Aufgaben ist eine dreifaltige. Zum einen im Gespräch mit dem Heiligen Stuhl die Interessen
der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesregierung darzustellen. Die Analysen
auszutauschen im außen- und sicherheitspolitischen Bereich. Das zweite ist zu sehen,
inwieweit wir aus diesen Gesprächen Erkenntnisse gewinnen, die zu besseren Analysen
führen. Und das dritte ist eine Bereich, der mir besonders wichtig erscheint, und
auf den ich auch besonderen Wert lege, dass wir Kirche und Kultur zusammen sehen und
gemeinsame Projekte realisieren.“
Sie hören also ganz genau hin, was in
Rom gesagt wird und geben das nach Berlin weiter?
„Richtig! Berlin ist
sehr an den verschiedenen öffentlichen Stellungnahmen interessiert, aber auch an den
vertraulichen Gesprächen, die mit der gebotenen Vertraulichkeit weitergegeben werden…“
Wie
geht das so vor sich?
„Das Team „RomVatic“, wie ich’s nenne, oder die Squadra
„RomVatic“ führt ihre Gespräche, und dann werden wir mit der gebotenen Rücksichtnahme
auch auf die Interessen des Heiligen Stuhls Berlin unterrichten, sei es schriftlich,
aber auch mündlich…“
Können Sie sich vorstellen, noch ein bisschen hier
zu sein?
„Ich habe es mir erträumt. Und der große Wunsch ist, dass ich
meine vorgesehene Dienstzeit, und das sind vier Jahre, hier vollenden darf.“
Herr
Botschafter, ich danke Ihnen für das Gespräch… „Ich danke Ihnen.“ (rv
170107 mc)