2007-01-16 20:20:26

Der Papst an die dt. Kirche - Teil 3


RealAudioMP3 "Der Herr segne alle, die hier zugegen sind, sowie auch alle Pilger und die Bewohner des Landes. Gott schütze die Bundesrepublik Deutschland!"(18. August 2005)
Es ist die erste Widmung, die der deutsche Papst seinem Volk auf heimischem Boden hinterlässt. Auf dem Kölner Flughafen beim ersten Deutschlandbesuch sprach Benedikt XVI. von „den großen sozialen, ökonomischen und kulturellen Zielen“, die Deutschland erreicht habe. Der Stammbucheintrag ist mehr als reine Huldigung. Ist ein Gebet „zum Herrn für den zukünftigen Weg der Kirche und der gesamten Gesellschaft dieser mir so lieben Bundesrepublik Deutschland“ (18. August 2005).


Kirche und Gesellschaft gehören zusammen. Daran lässt der Papst keinen Zweifel, betont immer wieder die christlichen Wurzeln des Abendlandes und damit Deutschlands, erinnert an die tief verwurzelten Traditionen vor allem bayerischer Volksfrömmigkeit. Kurz nach seiner Bayernreise trifft der Papst den neuen Botschafter der Bundesrepublik am Heiligen Stuhl, Hans-Henning Horstmann. Ihm sagt er, erfüllt vom Gemeinschaftserlebnis des Glaubensfestes in Bayern:


"All dies, so meine ich, entbehrt gewiss nicht der gesellschaftlichen Relevanz: Wo Gemeinschaft wächst und Menschen durch die Botschaft des Glaubens stark im Guten werden, kommt dies auch dem menschlichen Zusammenleben in der Gesellschaft zugute und bestärkt die Bürger in ihrer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung im Sinne des Gemeinwohls.“ (28. September 2006)

 
Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl seien gut. Daran lässt der deutsche Hirte keinen Zweifel. Sie seien Spiegel für das „solide“ Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland selbst.
"Bei früheren Gelegenheiten ist wiederholt auf die gute Zusammenarbeit beider Institutionen auf verschiedenen Feldern zum Nutzen und Wohl der Menschen in unserer Heimat hingewiesen worden. Es bleibt zu hoffen, dass das bewährte Zusammenwirken von Kirche und Staat in Deutschland auch bei sich verändernden politischen Prämissen auf der europäischen Ebene fortgesetzt und ausgebaut werden kann.“ (28. September 2006)

Das deutsche Staat-Kirche-Verhältnis ist eng mit der Gesetzgebung verbunden. Der Heilige Stuhl beobachte alle Veränderungen, das betonte der Papst ausdrücklich. Er schrieb damit nicht nur dem diplomatischen Mittelsmann eine Präambel fürs Stammbuch, sondern zeigte auch den Kirchenmännern und -frauen in Deutschland, worauf sie bei ihren Gesprächen mit Politikern Wert legen sollen.
"Ich nenne an erster Stelle den im Grundgesetz verbrieften Schutz von Ehe und Familie, der … von der Aushöhlung bedroht ist.“ (28. September 2006)
Schuld daran sei ein neues Verständnis von Ehe, Gesetzesvorschläge, die sich von der "natürlichen Familie“ Vater-Mutter-Kind entfernten.
"Die durch nichts zu rechtfertigende Abtreibung, die nach wie vor vielen unschuldigen ungeborenen Kindern das Leben kostet, bleibt eine schmerzlich empfundene Sorge des Heiligen Stuhls und der ganzen Kirche.“ (28. September 2006)
Der Papst beobachtet auch die aktuelle Diskussion um die Spätabtreibungen. Sie soll "bei den politisch Verantwortlichen das Bewusstsein dafür schärfen, dass die absehbare Behinderung eines Kindes kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein darf, weil auch das behinderte Leben ebenso wertvoll und von Gott bejaht ist und weil es auf dieser Erde niemals und für niemanden eine Garantie auf ein Leben ohne körperliche, seelische oder geistige Einschränkungen geben kann. ... Des weiteren wird der Heilige Stuhl nicht müde, bei den betreffenden europäischen Institutionen und den einzelnen Nationen auf die ethischen Probleme im Kontext der embryonalen Stammzellenforschung und der sogenannten 'neuartigen Therapien' hinzuweisen“. (28. September 2006)

Die Verteidigung der "großen Werte, die dem menschlichen Leben Sinn geben und seine Würde schützen“, sei die Pflicht der Kirche. Wenn sie in moralischen Fragen Stellung beziehe, sei das alles andere als "unrechtmäßige Einmischung“ in die gesetzgeberische Kompetenz des Staates. So redete Benedikt italienischen Juristen ins Gewissen. Benedikt spricht auch bei dem Thema Trennung bzw. Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat also als Papst, nicht als Deutscher. Die Widmung im Stammbuch ist deswegen nicht minder prägnant. Der bayerischen Staatsregierung redete er im November 2005 ins Gewissen:
"Aus dem Fortschritt der Wissenschaften können ebenso Segen wie Verderben erwachsen. Hier kommt es darauf an, ob jene, die über rechten Gebrauch oder Missbrauch zu entscheiden haben, dabei bloß den Gesetzen vordergründigen Nutzens oder aber den Gesetzen Gottes folgen. Männer und Frauen, die sich ihrer Verantwortung vor Gott, dem Geber allen Lebens, bewusst sind, werden ihr Bestes tun, damit die unantastbare Würde des Menschen, dessen Leben in allen Phasen heilig ist, den Umgang mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmt." (3. November 2005)

In München, bei der großen Predigt über die Schwerhörigkeit gegenüber Gott waren sie auch Thema gewesen, die kirchlichen Hilfswerke. Der Papst hatte sie ausdrücklich gelobt. Er präzisierte, als es an der Zeit bzw. an der Reihe war - bei den Ad Limina-Besuchen der deutschen Bischöfe.
"All das Gute der Kirche in unserer Heimat kenne ich nicht nur aus eigener Anschauung und Erfahrung, sondern auch, weil mir immer wieder Bischöfe, Priester und andere Besucher aus Europa und aus vielen Teilen der Welt vom tätigen Wohl berichten, das ihnen seitens kirchlicher Stellen und Personen zuteil wird.“ (18. November 2006)
Doch, so schon in München fein bemerkt - scheinbar fehlt es mitunter am Tiefgang. Zur Erinnerung:
"Die katholische Kirche in Deutschland ist großartig durch ihre sozialen Aktivitäten, durch die Bereitschaft zu helfen, wo immer es Not tut. Immer wieder erzählen mir die Bischöfe, zuletzt aus Afrika, bei ihren Ad Limina-Besuchen dankbar von der Großherzigkeit der deutschen Katholiken und beauftragen mich, diesen Dank weiterzugeben, was ich hiermit einmal öffentlich tun möchte. Auch die Bischöfe aus den baltischen Ländern, die vor den Ferien da waren, haben mir berichtet, wie großartig ihnen deutsche Katholiken beim Wiederaufbau ihrer durch Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft schlimm zerstörten Kirchen halfen. Dann und wann aber sagt ein afrikanischer Bischof zu mir: „Wenn ich in Deutschland soziale Projekte vorlege, finde ich sofort offene Türen. Aber wenn ich mit einem Evangelisierungsprojekt komme, stoße ich eher auf Zurückhaltung. … Und doch ist es gerade die Erfahrung dieser Bischöfe, dass die Evangelisierung vorausgehen muss; dass der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren muss, damit auch die sozialen Dinge vorangehen; damit Versöhnung werde; damit zum Beispiel Aids wirklich von den tiefen Ursachen her bekämpft und die Kranken mit der nötigen Zuwendung und Liebe gepflegt werden können.“ (10. September 2006)

Solidarität, Hilfsprogramme, Bistumspartnerschaften hält der Papst in hohen Ehren, doch er warnt auch hier - wie schon bei den innerkirchlichen Reformplänen - vor blindem Aktionismus. Soziales und das Evangelium sind nicht zu trennen. Auf den Glauben, auf Gott kommt es an. Und der ist, so sagt es die erste Enzyklika des Papstes - die Liebe:
"Nun ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Hilfswerke in ihren Programmen und Aktionen wirklich diesem inneren Impuls der vom Glauben gedrängten Liebe entsprechen.“ (18. November 2006)

Der Dank und das Lob des Papstes sind also zugleich Ermutigung. Wieder erwächst aus dem Indikativ ein Imperativ. Der Papst belässt es außerdem nicht bei Hinweisen für die Arbeit im Allgemeinen sondern weist auf die Situation in den oft politisch zerrissenen Krisengebieten hin.
"Es ist wichtig, darauf zu achten, dass sie nicht in politische Abhängigkeiten kommen, sondern einzig ihrer Aufgabe der Gerechtigkeit und der Liebe dienen. Dazu wiederum ist eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bischöfen und Bischofskonferenzen notwendig, die wirklich die Lage vor Ort kennen und dafür zu sorgen vermögen, dass die Gabe der Gläubigen aus dem Gewirr politischer und anderer Interessen herausgehalten und zum Besten der Menschen verwendet wird.“ (18. November 2006)

Die Kirche könne all das jedoch nicht leisten, ohne die Spendenbereitschaft der deutschen Bevölkerung. Auch das hat Benedikt im Stammbuch dankbar festgehalten:
"Die Kirche in Deutschland und die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik können sich gottlob einer verbreiteten und gefestigten Tradition der Weltoffenheit rühmen, wie unter anderem die vielen Initiativen der Solidarität, besonders zugunsten der Entwicklungsländer, beweisen.“ (18. August 2005)

Zur Information: Die deutschen Katholiken spenden jährlich rund eine halbe Milliarde Euro für weltkirchliche Aufgaben; zusätzlich zur Kirchensteuer. Denn, so der Papst: "Deutschland ist ein weltzugewandtes Land.“ (28. September 2006)
Dem deutschen Botschafter bestätigte der Papst auch auf diesem Gebiet ein gutes Verhältnis. Ohne die Unterstützung des Staates, könnten Hilfswerke wie Adveniat, Misereor, Renovabis, Kindermissionswerk (und viele andere) nicht arbeiten. Die Idee für die katholischen Spendenorganisationen entstand übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 erfuhren die Deutschen, wie sehr sie die Hilfe anderer Völker benötigten und trotz historischer Schuld erhielten. Daraus entwickelten die deutschen Bischöfe in den fünfziger Jahren den Gedanken, den armen Ländern der südlichen Erdhälfte die partnerschaftliche Zusammenarbeit anzubieten, um existentielle Nöte der Menschen und soziale Ungerechtigkeiten zu mildern oder zu beseitigen. Seelsorge und Evangelisierung hatte lange Tradition in den Missionsländern. Jetzt kam auch kirchliche Entwicklungsarbeit hinzu: in Asien, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien.
"Unser Heimatland hat heute seinen festen und anerkannten Platz in der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft. Und über die Fragen nationalen Interesses hinaus vergisst Deutschland nicht die Probleme vieler armer Länder in anderen Teilen der Welt. … In vielen internationalen, humanitären und Menschenrechtsfragen kann der Apostolische Stuhl mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Deutschen Bundesregierung rechnen. Für all dies bin ich und ist die Kirche aufrichtig dankbar.“ (28. September 2006)

Ein anderes Anliegen des Papstes: der Religionsunterricht. Auch den legte er dem Botschafter ans Herz.
"Deutschland kann zu Recht stolz sein auf seine große Bildungstradition. Die Vermittlung von Bildung an die kommenden Generationen gehört zu den zentralen Aufgaben, denen sich der Staat zu stellen hat. Wissen muss zusammen mit Werten vermittelt werden, damit Formung stattfinden kann. In den meisten deutschen Bundesländern teilt der Staat diese große Herausforderung mit der Kirche, die durch den Religionsunterricht, der als „ordentliches Lehrfach“ erteilt wird, in den Schulen präsent ist. Vielerorts wird den Schülern und Schülerinnen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, „religionsneutraler“ Ethikunterricht erteilt. Dieser Ethikunterricht kann und darf aber keinesfalls „werteneutral“ sein. Er sollte den Schülern ermöglichen, auch mit der großen Tradition des abendländischen Geistes vertraut zu werden, der die Geschichte und Kultur Europas geprägt hat und diese weiterhin inspiriert. Hierbei erscheint es der Kirche wichtig, dass der Ethikunterricht neben dem konfessionellen Religionsunterricht erteilt wird, ohne diesen in irgendeiner Form zu verdrängen.“ (28. September 2006)

Dem Botschafter gab der Papst mit, was staatlicherseits zu Regeln ist. Wie der Religionsunterricht ausschauen soll, gab er den Bischöfen mit auf den Weg. Eine Stärke des Papstes: Alles zu seiner Zeit. Er spricht dann, wenn es nötig ist, und vermischt die Sachverhalte nicht. Jeder Schuster soll bei seinen Leisten bleiben. Im Stammbuch der deutschen Bischöfe steht für den Religionsunterricht also:
"In der Vergangenheit wurde nicht selten der Inhalt der Katechese gegenüber den didaktischen Methoden in den Hintergrund gedrängt. Die ganzheitliche und verständliche Vergegenwärtigung der Glaubensinhalte ist ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Genehmigung von Lehrbüchern für den Religionsunterricht. Nicht minder wichtig ist auch die Treue der Lehrenden zum Glauben der Kirche und ihre Teilnahme am liturgischen und pastoralen Leben der Pfarreien oder kirchlichen Gemeinschaften, in deren Gebiet sie ihren Beruf ausüben. In den katholischen Schulen kommt es darüber hinaus darauf an, dass Einführung in katholische Weltsicht und Glaubenspraxis sowie ganzheitliche religiöse Persönlichkeitsbildung nicht nur im Religionsunterricht sondern im gesamten Schulalltag – nicht zuletzt durch das persönliche Zeugnis der Lehrer – überzeugend vermittelt werden.“ (10. November 2006)

Auch die Religionslehrer selbst sollen bei ihren Leisten bleiben. Man könnte den Papst auch so verstehen, dass sie ihre Werkstatt mal wieder abstauben sollen, so, dass wieder alles blinkt und blankt, dass der gute Duft wieder nach draußen dringt…
"Liebe Religionslehrer und Erzieher! Euch bitte ich von Herzen, die Frage nach Gott, nach dem Gott, der sich uns in Jesus Christus gezeigt hat, in der Schule gegenwärtig zu halten. Ich weiß, dass es schwer ist, in unserer pluralistischen Welt den Glauben in der Schule zur Sprache zu bringen. Aber es reicht eben nicht, wenn die Kinder und jungen Menschen in der Schule nur Kenntnisse und technisches Können, aber keine Maßstäbe erlernen, die der Kenntnis und dem Können Richtung und Sinn geben. Regt die Schüler an, nicht nur nach diesem und jenem zu fragen, sondern nach dem Woher und Wohin unseres Lebens. Helft ihnen zu erkennen, dass alle Antworten, die nicht bis zu Gott hinkommen, zu kurz sind.“ (10. September 2006)

Bei der Vesper im Münchner Liebfrauendom hinterließ Papst Benedikt den Religionslehren und Katecheten diese Widmung. Was er engagierten Laien, allen Christen und damit auch den anderen christlichen Konfessionen in den ersten Amtsjahren mitgegeben hat, hören Sie in der nächsten Folge dieser Radioakademie. Alle will der Papst anregen, "nicht nur nach diesem und jenem zu fragen, sondern nach dem Woher und Wohin unseres Lebens.“


(rv 16.01.07 bp)







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