In letzter Zeit war viel von der Rückkehr der Religionen die Rede. Doch dass es diese
Rückkehr gibt, ist auch umstritten. So widerspricht Gaetano Romano, Soziologie-Professor
an der Universität Luzern, in einem Interview im St. Galler Tagblatt dieser These.
Die Religionen und der Hunger nach Spiritualität seien überhaupt nie verschwunden.
Vielmehr habe sich die mediale Aufmerksamkeit im Zuge der Globalisierung verändert.
Heute würden zudem Aspekte, die früher als kulturell angesehen wurden, vermehrt religiös
gedeutet - etwa das Thema Ehrenmord, das in der Diskussion um eine Aufnahme der Türkei
in die EU zur Sprache kam. Dabei werde oft vergessen, dass Italien seinen Ehrenmord-Paragraphen
erst in den 70er-Jahren abgeschafft habe. Ähnliches stellt er für das Kopftuch fest:
In Süditalien und auch in ländlichen Gebieten der Schweiz tragen es noch heute viele
Frauen, ohne dass es als religiöses Symbol gelte. Gleichzeitig mit den Diskussionen
um den Fundamentalismus beobachtet der Professor in westlichen Gesellschaften einen
Rückzug der Religion aufs Transzendente, eine Abkoppelung von der Moral und damit
einen Rückzug aus der politischen Verantwortung. Diesen Trend begrüsst er: "Das Problem
ist heute nicht die Religion an sich, sondern ihre Verbindung mit anderen gesellschaftlichen
Bereichen." (kipa 11.01.07 sk)