Dokument: Erzbischof Wielgus erklärt seine Kontakte zur polnischen Stasi
"Mein Opfer, Gott, ist ein zerknirschter Geist." Verlautbarung des Erzbischofs – Metropoliten
von Warschau am Vorabend seiner feierlichen Amtseinführung.
Komm, Heiliger
Geist, Du starkes Licht des Gewissens Und zeige uns den Weg
Liebe
Mitbrüder im Priesteramt, Liebe Brüder und Schwestern der ganzen Gemeinde der
Kirche von Warschau!
Ich trete heute vor die Schwelle der Warschauer Kathedrale
mit einer schweren Belastung des Gewissens, die in den letzten Tagen nicht nur für
mich, sondern auch für Euch zu einer großen Prüfung geworden ist. Der Heilige
Vater, Benedikt XVI., hat mich als Oberhaupt der Warschauer Erzdiözese zu Euch geschickt.
Aus gesundheitlichen Gründen wollte ich dieser Ernennung ausweichen. Ich habe dem
Heiligen Vater und den entsprechenden Vatikanischen Behörden auch meinen Lebensweg
geschildert, einschließlich des Teils meiner Vergangenheit, die meine Verstrickung
bei den Kontakten mit den damaligen Sicherheitsbehörden betrifft, die in einem der
Kirche feindlich gesinnten Staat unter totalitären Bedingungen aktiv waren. Ich hatte
seinerzeit den Wunsch, für mich wichtige wissenschaftliche Studien zu absolvieren
und geriet in diese Verstrickung ohne die erforderliche Umsicht, Courage und Entschlossenheit
zur Aufgabe dieser Kontakte walten zu lassen. Ich gestehe heute vor Euch diesen vor
Jahren begangenen Fehler ein, so wie ich es zuvor schon gegenüber dem Heiligen Vater
getan habe.
Die in den letzten Tagen in den Medien umfassend veröffentlichten
Berichte der damaligen politischen Polizei, die sich im Institut für das Nationale
Gedenken befinden und über die mich die Historische Kommission der Bischofskonferenz
in Kenntnis gesetzt hat, handeln überwiegend davon, was man von mir erwartete oder
mir nahe legte. Sie handeln nicht davon, inwieweit ich diesen Forderungen nachgekommen
bin. Sie weisen aber darauf hin, dass ich mich bemüht habe, die an mich gestellten
Erwartungen nicht zu erfüllen. Es wird Aufgabe der Historiker sein, dies näher zu
klären. Zu einigen Fragen habe ich in der Presseerklärung vom 5. Januar bereits Stellung
genommen. Ich weiß nicht, ob die mir von der Historischen Kommission vorgelegten Dokumente
die einzigen sind, oder ob noch weitere auftauchen werden. Ich stelle aber heute mit
voller Überzeugung fest, dass ich niemanden denunziert habe und bemüht war, niemandem
Unrecht zu tun. Doch allein schon durch die Tatsache dieser Verstrickung habe
ich der Kirche Unrecht getan. Und ich habe der Kirche erneut in den letzten Tagen
während der hitzigen Medienkampagne Unrecht getan, als ich die Tatsache dieser Zusammenarbeit
geleugnet habe. Das hat die Glaubwürdigkeit von Äußerungen von Kirchenvertretern belastet,
wozu auch Bischöfe zählen, die sich mit mir solidarisch erklärt haben. Brüder und
Schwestern, ich bin mir dessen bewusst, das diese Unwahrheit für viele von Euch eine
nicht minder schmerzliche Tatsache darstellt, als die damalige Verstrickung vor vielen
Jahren. In den letzten für mich äußerst schweren Tagen habe ich zur Göttlichen
Barmherzigkeit gebetet und auf Euren Glauben an diese Barmherzigkeit, liebe Brüder
und Schwestern in Christus, gehofft. Auch heute tue ich dies erneut mit den Worten
des Psalmisten, der die Bitte eines Büßers wie folgt ausdrückt:
„Gott sei mir
gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen, Wasche
meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde.
Herr, öffne
meine Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden, Schlachtopfer willst
du nicht, ich würde sie dir geben, An Brandopfern hast du kein Gefallen.
Mein
Opfer, Gott, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz
wirst du, Gott, nicht verschmähen“ (Psalm 51)
Brüder und Schwestern. So
komme ich denn zu Euch mit einem doppelten Gefühl. Mit Freude über meine Berufung
zum bischöflichen Dienst in der Hauptstadt Warschau, im Bewusstsein der Aufgaben,
die vor der Seelsorge einer großen Erzdiözese stehen, mit großer Zuneigung für das
geistige und kulturelle Potential Warschaus und seiner Ausstrahlung auf ganz Polen. Ich
komme aber auch zu Euch im Bewusstsein des Schattens, der auf meine Amtseinführung
fällt, durch die ich meinen Dienst in der Erzdiözese Warschau beginne. Wenn Ihr
mich aufnehmt, worum ich Euch demutsvoll bitte, will ich als Bruder unter Euch sein,
der einen und nicht trenne möchte, der beten und die Menschen in der Kirche vereinen
will, in der Kirche der Heiligen und der Sünder, die wir alle bilden. Die sowohl
für mich als auch für Euch zurückliegenden schweren Tage empfinde ich als Verpflichtung,
die Kirche von Warschau durch meinen Dienst mit besonderem Wohlwollen zu umgeben und
Verständnis aufzubringen für verirrte Menschen, die von der Institution Kirche enttäuscht
wurden und Bitternis wegen menschlicher Unzulänglichkeiten empfinden. Gegenüber
dem Heiligen Vater erkläre ich voll Demut, dass ich mich jeder seiner Entscheidungen
unterwerfen werde. Ich bitte die Gottesmutter um ihre Obhut und alle Gläubigen
um die Erleuchtung des Heiligen Geistes für die Zeit des schwierigen Beginns meines
Hirtendienstes mitten unter Euch.
Warschau, den 6. Januar 2007
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Stanisław Wielgus Erzbischof Metropolit von Warschau