Somalia: Abzug der Milizen provoziert neue Spannungen
Die islamischen Milizen haben nach ihrem Abzug aus der Hauptstadt Mogadischu einen
Untergrundkrieg angekündigt. Die Islamischen Gerichtshöfe würden die Regierungstruppen
und ihre Hilfstruppen aus Äthiopien aus dem Hinterhalt angreifen und sich niemals
ergeben, erklärte heute einer der Anführer, Sheikh Mohamed Ibrahim Bilal. Die somalische
Übergangsregierung will über Mogadischu den Ausnahmezustand verhängen, bis "Recht
und Ordnung" wieder gewährleistet seien. Nach eigenen Angaben kontrolliert die international
anerkannte Übergangsregierung jetzt 95 Prozent des rohstoffreichen Landes am Horn
von Afrika. Die Zeichen stünden aber deswegen noch lange nicht auf Frieden, erklärte
gegenüber Radio Vatikan der Comboni-Missionar Carmine Curci.
"Das ruft
vor allem eine enorme Spannung im Innern der Region hervor. Denn die Islamischen Gerichtshöfe
aus Mogadischu zu vertreiben oder abziehen zu lassen, bedeutet in keinster Weise die
Kontrolle der Nation, die Kontrolle des Landes. Das wird immer mehr Spannung hervorrufen,
Krieg und Bürgerkrieg in diesem großen Land Somalia. Was auf nationaler wie internationaler
Ebene fehlt ist der Wille zum Dialog, der Wille einen gemeinsamen Nenner zu finden,
auf dem man eine stabile Situation aufbauen kann. Es ist offensichtlich: Die Übergangsregierung
hat weder die politische Kraft noch die Fähigkeit, das Land zu führen."
Statt
Erleichterung also noch mehr Grund zur Sorge für die Menschen in Somalia, so Curci.
Die Zivilbevöllkerung sei inzwischen Kriegsmüde. Seit 15 Jahren herrschen Chaos und
Anarchie. Nach dem Sturz von Diktator Siad Barre 1991 brach ein Bürgerkrieg zwischen
rivalisierenden Clans aus. Seither gibt es keine funktionierende Zentralregierung
mehr.
"Von einer Seite ist die Bevölkerung immer unter Druck gesetzt
worden, von diesen „Herren des Krieges“, dann von den Islamischen Gerichtshöfen. Diese
Situation zerstört inzwischen ganze Generationen. Die jungen Menschen leben nur noch
mit Kalaschnikow und Drogen. Was für eine Nation kann da aufgebaut werden? Die internationale
Gemeinschaft hat diesbezüglich eine große Verantwortung."
Die Vereinten
Nationen fliegen inzwischen wieder Hilfslieferungen für die Bürgerkriegsflüchtlinge
nach Somalia. "Die Übergangsregierung hat die Wiederaufnahme aller UN-Hilfsflüge nach
Somalia mit sofortiger Wirkung erlaubt", teilte das UNO-Nothilfebüro gestern in New
York mit. Erste Flugzeuge seien bereits unterwegs. Wegen der jüngsten Kämpfe waren
die Hilfsflüge nach Somalia aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Bereits bevor die Kämpfe
in der vergangenen Woche eskalierten, waren mehr als eine halbe Million der zehn Millionen
Somalier auf Nothilfen angewiesen. (rv/agenturen 29.12.06 bp)