Das Friedenslicht
aus Bethlehem ist in vielen europäischen Ländern zu einem beliebten Weihnachtsbrauch
geworden: Pfadfinder verteilen mit Laternen das symbolträchtige Licht aus der Geburtsstadt
Jesu in Kirchen und öffentlichen Gebäuden. Dort kann es dann jeder mit einer Kerze
abholen und zu Weihnachten daheim leuchten lassen. Dieses Jahr ist das Friedenslicht
aus Bethlehem 20 Jahre alt geworden. Unsere Korrespondentin Gabi Fröhlich war beim
Anzünden vergangene Woche dabei.
"Oh du fröhliche, oh du selige…“ Weihnachtliche
Klänge in Bethlehem – und das noch vor dem ersten Advent! Das Lied wirkt befremdlich.
Es scheint weder in die Jahreszeit zu passen noch in die Kulisse. Denn die Atmosphäre
in der Geburtsstadt Jesu ist weder fröhlich noch selig sondern bedrückt. Die politische
Lage überschattet alle Menschen in diesem „großen Gefängnis“, wie es von den Kirchenführern
im Land genannt wird. Dennoch wird heute gerade hier, in Bethlehem, das Licht entzündet,
das für viele Menschen in Europa zu einem Symbol für die weihnachtliche Friedensbotschaft
geworden ist. Friedenslichtkind ist dieses Jahr Judith Pitzer. Die 11-Jährige aus
dem Inntal steigt, von Kameras und Fotografen begleitet, in die Grotte hinunter, in
der Jesus Christus geboren worden sein soll. Genau über dem Geburtsstern zündet ein
orthodoxer Priester den Docht in Judiths kleiner Laterne an. Gleich wird sie, während
eines Gottesdienstes, die Kerzen der Pilger oben in der angrenzenden Katharinenkirche
anzünden. Das Friedenslicht 2006 hat seine Wanderschaft begonnen.
Die meisten
Deutschen werden wohl vermuten, dass sich hier in Bethlehem die Pfadfinder versammelt
haben, die das Friedenslicht ja jedes Jahr in den Städten und Pfarreien verteilen.
Aber die 140-köpfige Pilgergruppe, die das Friedenslichtkind begleitet, besteht aus
ORF-Hörern aus Oberösterreich. Der Österreichische Rundfunk ist es nämlich, der 1986
das Friedenslicht erfunden hat, namentlich Landesdirektor Helmut Obermayr aus Linz.
Der berichtet, wie der ORF damals ein Dankeschön für die Spender der Weihnachtshilfsaktion
"Licht ins Dunkel“ gesucht hatte und dabei die Idee von einem Licht mit Botschaft
aufkam. "Was ist die Botschaft von Weihnachten? Ehre sei Gott in
der Höhe und Friede den Menschen auf Erden. Und Friede den Menschen auf Erden, das
ist der Teil der Botschaft, mit dem zumindest in unseren Breiten alle einverstanden
sind. Also soll das Licht an den Frieden erinnern. Und wo kann man denn ein Licht
entzünden, das an die Weihnachtsbotschaft erinnert? Das geht eigentlich nur in Bethlehem.
So ist das zusammengekommen. Dann war der nächste Schritt, dass wir gesagt haben,
dieses Licht müssen wir zu den Menschen bringen und so hat es sich ausgebreitet."
Was
zunächst als einmalige Aktion geplant war, wurde zu einer Art Flächenbrand: Die Idee
vom Friedenslicht aus Bethlehem fanden bald auch andere zündend. Schon im dritten
Jahr brachte die österreichische Bahn das Licht zu sämtlichen Bahnhöfen des Landes.
Ende der 80ger sprangen auch die ersten Pfadfinder auf, Sie trugen das Licht 1990
in die frisch befreiten Ostblockländer, wo es von Tausenden jubelnd empfangen wurde.
1994 klinkten sich schließlich die deutschen Pfadfinder in die Aktion ein, die sie
seitdem mit eigenem Beiprogramm und eigenem Motto begleiten. Dieses Jahr lautet das:
"Wertvoll. Der Friede“.
"Wir freuen uns sehr, dass sich das so ausgebreitet
hat. Ich glaube, der Grund dafür ist, dass es eine sehr einfache Idee ist und dass
die Menschen gerade um die Weihnachtszeit für einfache Symbole sehr zugänglich sind."
Im
Mittelpunkt der Kameraobjektive und der Aufmerksamkeit in der Bethlehemer Geburtsbasilika
steht schüchtern und furchtbar aufgeregt das Friedenslichtkind. Ihm kommt während
der Zeremonien heute und in den kommenden Wochen eine besonders ehrenvolle Aufgabe
zu – denn Judith trägt das Licht nicht nur nach und durch Europa, sondern sie steht
auch für seine Botschaft, erklärt der ORF-Landesdirektor:
"Das ist immer
ein Kind aus Oberösterreich, das sich in sozialer Weise besonders engagiert hat. Das
sind Kinder, die jemandem das Leben gerettet haben, das sind Kinder die sich im Alltag
in Organisationen, in Kindergruppen engagieren. Dieses Jahr ist es ein Kind, das sich
in aufopferungsvoller Weise um eine behinderte Freundin kümmert."
Neben
Judith sitzt strahlend ihre gehbehinderte Freundin Maria-Christina. An dieser bedeutsamen
Pilgerreise durften die beiden Unzertrennlichen natürlich gemeinsam teilnehmen. Nach
der Heimreise ist die Aufregung noch lange nicht zu Ende. Judith wird das brennende
Weihnachtssymbol nämlich selbst nach Brüssel, Wien und München tragen. In Wien wird
es am dritten Adventswochenende den Pfadfindern übergeben, die übrigens mit der diesjährigen
Friedenslichtaktion die Feierlichkeiten zu ihrem eigenen 100jährigen Jubiläum einläuten.
Höhepunkt für Judith wird jedoch der Besuch beim Heiligen Vater sein. Sie wird am
13. Dezember Benedikt XVI. das Friedenslicht während einer Generalaudienz überreichen.
Die Botschaft, die sie mit dem Licht durch Europa trägt, ist einfach:
"Ja.
Dass einfach Frieden auf der ganzen Welt ist."
Nach dem Gottesdienst
bricht die Pilgergruppe mit dem Friedenslicht wieder auf Richtung Jerusalem. Der Platz
vor der Geburtsbasilika ist leergefegt, nur die zahllosen Andenkenläden erinnern an
den Rummel, der Bethlehem in besseren Zeiten belebte. Der Checkpoint, die Mauer, bis
unter die Zähne bewaffnete Soldaten – das kleine Friedenslicht in Judiths Laterne
scheint mit seiner hoffnungsvollen Botschaft den Tatsachen im Heiligen Land tapfer
zu trotzen. Auch Helmut Obermayr ist nachdenklich:
"Wir haben oft Probleme,
warum wir ausgerechnet aus Bethlehem, aus dieser unruhigen Region ein Friedenslicht
bringen. Wir sagen dann, hier wurde Jesus geboren, hier wurde die Botschaft vom Frieden
verkündet, daher kann es nur von hier kommen und soll daran erinnern, dass wir alle
die Pflicht haben, uns für den Frieden einzusetzen. Der einfache Satz ist, so wie
das Licht von Kerze zu Kerze von Hand zu Hand weitergegeben wird, so soll auch der
Friede zwischen den Menschen wachsen. Und nur wenn er zwischen den Menschen wächst,
dann kann er sich ausbreiten."