2006-12-05 16:00:26

Israel: Friedenslicht geht auf die Reise


RealAudioMP3 Das Friedenslicht aus Bethlehem ist in vielen europäischen Ländern zu einem beliebten Weihnachtsbrauch geworden: Pfadfinder verteilen mit Laternen das symbolträchtige Licht aus der Geburtsstadt Jesu in Kirchen und öffentlichen Gebäuden. Dort kann es dann jeder mit einer Kerze abholen und zu Weihnachten daheim leuchten lassen. Dieses Jahr ist das Friedenslicht aus Bethlehem 20 Jahre alt geworden. Unsere Korrespondentin Gabi Fröhlich war beim Anzünden vergangene Woche dabei.


"Oh du fröhliche, oh du selige…“ Weihnachtliche Klänge in Bethlehem – und das noch vor dem ersten Advent! Das Lied wirkt befremdlich. Es scheint weder in die Jahreszeit zu passen noch in die Kulisse. Denn die Atmosphäre in der Geburtsstadt Jesu ist weder fröhlich noch selig sondern bedrückt. Die politische Lage überschattet alle Menschen in diesem „großen Gefängnis“, wie es von den Kirchenführern im Land genannt wird.
Dennoch wird heute gerade hier, in Bethlehem, das Licht entzündet, das für viele Menschen in Europa zu einem Symbol für die weihnachtliche Friedensbotschaft geworden ist. Friedenslichtkind ist dieses Jahr Judith Pitzer. Die 11-Jährige aus dem Inntal steigt, von Kameras und Fotografen begleitet, in die Grotte hinunter, in der Jesus Christus geboren worden sein soll. Genau über dem Geburtsstern zündet ein orthodoxer Priester den Docht in Judiths kleiner Laterne an. Gleich wird sie, während eines Gottesdienstes, die Kerzen der Pilger oben in der angrenzenden Katharinenkirche anzünden. Das Friedenslicht 2006 hat seine Wanderschaft begonnen.


Die meisten Deutschen werden wohl vermuten, dass sich hier in Bethlehem die Pfadfinder versammelt haben, die das Friedenslicht ja jedes Jahr in den Städten und Pfarreien verteilen. Aber die 140-köpfige Pilgergruppe, die das Friedenslichtkind begleitet, besteht aus ORF-Hörern aus Oberösterreich. Der Österreichische Rundfunk ist es nämlich, der 1986 das Friedenslicht erfunden hat, namentlich Landesdirektor Helmut Obermayr aus Linz. Der berichtet, wie der ORF damals ein Dankeschön für die Spender der Weihnachtshilfsaktion "Licht ins Dunkel“ gesucht hatte und dabei die Idee von einem Licht mit Botschaft aufkam.
 
"Was ist die Botschaft von Weihnachten? Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden. Und Friede den Menschen auf Erden, das ist der Teil der Botschaft, mit dem zumindest in unseren Breiten alle einverstanden sind. Also soll das Licht an den Frieden erinnern. Und wo kann man denn ein Licht entzünden, das an die Weihnachtsbotschaft erinnert? Das geht eigentlich nur in Bethlehem. So ist das zusammengekommen. Dann war der nächste Schritt, dass wir gesagt haben, dieses Licht müssen wir zu den Menschen bringen und so hat es sich ausgebreitet."


Was zunächst als einmalige Aktion geplant war, wurde zu einer Art Flächenbrand: Die Idee vom Friedenslicht aus Bethlehem fanden bald auch andere zündend. Schon im dritten Jahr brachte die österreichische Bahn das Licht zu sämtlichen Bahnhöfen des Landes. Ende der 80ger sprangen auch die ersten Pfadfinder auf, Sie trugen das Licht 1990 in die frisch befreiten Ostblockländer, wo es von Tausenden jubelnd empfangen wurde. 1994 klinkten sich schließlich die deutschen Pfadfinder in die Aktion ein, die sie seitdem mit eigenem Beiprogramm und eigenem Motto begleiten. Dieses Jahr lautet das: "Wertvoll. Der Friede“.


"Wir freuen uns sehr, dass sich das so ausgebreitet hat. Ich glaube, der Grund dafür ist, dass es eine sehr einfache Idee ist und dass die Menschen gerade um die Weihnachtszeit für einfache Symbole sehr zugänglich sind."


Im Mittelpunkt der Kameraobjektive und der Aufmerksamkeit in der Bethlehemer Geburtsbasilika steht schüchtern und furchtbar aufgeregt das Friedenslichtkind. Ihm kommt während der Zeremonien heute und in den kommenden Wochen eine besonders ehrenvolle Aufgabe zu – denn Judith trägt das Licht nicht nur nach und durch Europa, sondern sie steht auch für seine Botschaft, erklärt der ORF-Landesdirektor:


"Das ist immer ein Kind aus Oberösterreich, das sich in sozialer Weise besonders engagiert hat. Das sind Kinder, die jemandem das Leben gerettet haben, das sind Kinder die sich im Alltag in Organisationen, in Kindergruppen engagieren. Dieses Jahr ist es ein Kind, das sich in aufopferungsvoller Weise um eine behinderte Freundin kümmert."


Neben Judith sitzt strahlend ihre gehbehinderte Freundin Maria-Christina. An dieser bedeutsamen Pilgerreise durften die beiden Unzertrennlichen natürlich gemeinsam teilnehmen. Nach der Heimreise ist die Aufregung noch lange nicht zu Ende. Judith wird das brennende Weihnachtssymbol nämlich selbst nach Brüssel, Wien und München tragen. In Wien wird es am dritten Adventswochenende den Pfadfindern übergeben, die übrigens mit der diesjährigen Friedenslichtaktion die Feierlichkeiten zu ihrem eigenen 100jährigen Jubiläum einläuten. Höhepunkt für Judith wird jedoch der Besuch beim Heiligen Vater sein. Sie wird am 13. Dezember Benedikt XVI. das Friedenslicht während einer Generalaudienz überreichen. Die Botschaft, die sie mit dem Licht durch Europa trägt, ist einfach:


"Ja. Dass einfach Frieden auf der ganzen Welt ist."


Nach dem Gottesdienst bricht die Pilgergruppe mit dem Friedenslicht wieder auf Richtung Jerusalem. Der Platz vor der Geburtsbasilika ist leergefegt, nur die zahllosen Andenkenläden erinnern an den Rummel, der Bethlehem in besseren Zeiten belebte. Der Checkpoint, die Mauer, bis unter die Zähne bewaffnete Soldaten – das kleine Friedenslicht in Judiths Laterne scheint mit seiner hoffnungsvollen Botschaft den Tatsachen im Heiligen Land tapfer zu trotzen. Auch Helmut Obermayr ist nachdenklich:


"Wir haben oft Probleme, warum wir ausgerechnet aus Bethlehem, aus dieser unruhigen Region ein Friedenslicht bringen. Wir sagen dann, hier wurde Jesus geboren, hier wurde die Botschaft vom Frieden verkündet, daher kann es nur von hier kommen und soll daran erinnern, dass wir alle die Pflicht haben, uns für den Frieden einzusetzen. Der einfache Satz ist, so wie das Licht von Kerze zu Kerze von Hand zu Hand weitergegeben wird, so soll auch der Friede zwischen den Menschen wachsen. Und nur wenn er zwischen den Menschen wächst, dann kann er sich ausbreiten."

(rv)







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