Die gängigen Klischees über die historische Verantwortung der Kirche für Gewalt müssen
nach Überzeugung des Münsteraner katholischen Kirchenhistorikers Arnold Angenendt
zum Teil revidiert werden. Das gelte zum Beispiel für Berichte über Exzesse der Kreuzfahrerzeit
und die Hexenverfolgungen. Es gehe darum, neuere Forschungsergebnisse zur Kenntnis
zu nehmen, sagte Angenendt heute der Katholischen Nachrichten-Agentur in Münster.
Andererseits gebe es unzweifelhafte Verfehlungen wie etwa die Kreuzzüge. Deshalb müsse
die Kirche sensibel vorgehen, wenn es um die Suche nach historischer Wahrheit gehe.
Nach Einschätzung des Theologen ist die Kirche fälschlicherweise zum Sündenbock
für viele Gewaltexzesse gemacht worden. Weil sich die europäische Gesellschaft in
den vergangenen Jahrhunderten zunehmend vom Christentum emanzipieren wollte, sei ihm
"alles aufgeladen" worden. Mit Blick auf verbreitete Darstellungen der Kreuzfahrerzeit
äußert der Theologe Zweifel an der Korrektheit der darin geschilderten Blutströme.
Zeithistorisch sei die Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer sicher kein Exzess
gewesen. Es habe sich vielmehr um normales, im Nachhinein religiös überhöhtes Kampfgeschehen
gehandelt. Kirchliche Entschuldigungen aus jüngerer Zeit für Gewalt im Namen
der Kirche nennt Angenendt berechtigt. So hätten die Päpste den Kreuzzügen nicht nur
zugestimmt, sie "waren dabei sogar Wortführer". (kna 05.12.06 sk)