Der vatikanische „Ökumene-Minister“
Kardinal Walter Kasper ist sehr zufrieden mit der Papstreise in die Türkei. Das Zusammentreffen
von Papst Benedikt und Patriarch Bartholomaios sei sehr positiv gewesen, das Entscheidende
habe sich vor allem auf der persönlichen Ebene abgespielt. Pater Max Cappabianca hat
mit dem deutschen Kurienkardinal gesprochen und ihn um eine Bewertung der Reise gebeten:
„In
der Ökumene spielen ja nicht nur die Deklarationen und die Texte eine Rolle, sondern
das Klima ist ganz entscheidend. Und da kommt es sehr darauf an, dass die Häupter
der Kirchen sich begegnen. Diese Begegnung hat sicher eine große Verbesserung des
Klimas des Vertrauens zwischen den Kirchen gebracht – und das strahlt danach aus auf
die Gläubigen und die Gemeinden. Ich denke, das ist das Wichtigste, das zweite ist
der klare Wille beider Seiten, im Dialog weiter voran zu gehen auf eine volle Kirchengemeinschaft.“
Was
ist das Neue der Gemeinsamen Erklärung, die am 30. November unterzeichnet worden ist?
„Der
Fortschritt dieser Erklärung ist sicher die Bestätigung des bisherigen Weges und der
Wille, auf diesem Weg weiter zu gehen. Das zweite ist, dass man jetzt in Angriff nimmt,
zusammenzuarbeiten in Europa, um sich einzusetzen für den Frieden in der Welt, für
die Umwelt und für die Verteidigung des Lebens. Dass wir also inzwischen übergehen
zu praktischen Aktionen, dass wir aufgrund dessen, was wir jetzt gemeinsam haben,
schon konkrete Folgerungen ziehen. Auch durch gemeinsame Praxis wächst man ja zusammen.“
Was
war für Sie persönlich besonders beeindruckend?
„Die starken Momente waren
einerseits die Umarmung beim Friedensgruß während der Liturgie, das ist neu. Der zweite
war, als der Patriarch und der Papst auf dem Balkon erschienen sind und gemeinsam
den Segen gegeben und die Hand hoch gehalten haben. Aber auch schon die Tatsache,
dass der Papst an der ganzen Liturgie der Orthodoxen teilnimmt und umgekehrt der Patriarch
an der Liturgie des Papstes: Das sind doch sehr sehr deutliche Zeichen, die sagen:
Im Grunde sind wir eine Kirche, da trennt uns noch manches, dass wir zum Beispiel
noch nicht zur Kommunion gehen können, aber im Grunde gehören wir zusammen: Das hat
mich schon sehr beeindruckt.“
Der Papst hat in seiner Ansprache wieder
dazu eingeladen, über eine Neubestimmung des Papstamtes nachzudenken.
„Die
Orthodoxen anerkennen ja, dass der Papst „primus inter pares“ ist, also der erste
der Bischöfe. Jetzt kommt es darauf an zu klären, was dieses „primus“ meint, was dieser
Primat konkret beinhaltet. Diese Diskussion wird schon noch schwierig sein, aber es
denkt niemand von uns daran, die Art und Weise, in der der Primat in der lateinischen
Kirche ausgeübt wird, einfach auf die Ostkirchen anzuwenden. Schon die jetzt mit Rom
unierten Ostkirchen haben ein eigenes Kirchenrecht. Und die Art und Weise, wie der
Papst seinen Primat in den unierten Kirchen ausübt, ist sehr unterschieden von der
in der lateinischen Kirche.“
Das heißt, es geht um die
Frage, wie der Papst sein Amt gegenüber den Ostkirchen ausübt? „Da
sind noch viele Spielräume drin, die man ausloten muss, aber es gilt auch das grundsätzliche
Problem, ob überhaupt ein Jurisdiktionsprimat gegeben ist, oder ob das nur der Ehre
ist, wobei Ehre nicht nur äußerlich verstanden werden kann. Ehre bedeutet auch eine
moralische Autorität, das wird jetzt im Einzelnen zu diskutieren sein, da wird man
auch eine zeitlang brauchen, ich möchte da keine Hoffnungen erwecken, dass da schon
in einem Jahr das gelöst werden kann. So eine Trennung von Tausend Jahren und alles
was dazwischen ist, kann man nicht über Nacht überwinden, man muss auch Rücksicht
nehmen auf die Gefühle der Gläubigen, vor allem in der orthodoxen Kirche, wo ja über
Jahrhunderte hinweg teilweise sehr negative Gefühle da waren. So was kann man nicht
so schnell überwinden, das ist nicht eine Sache, die man aufs Papier schreibt, das
braucht Zeit. Dafür denke ich, sind viele konkrete Begegnungen auf allen Ebenen notwendig,
auch auf der Ebene der Ortskirche, dass die Leute sich begegnen und zueinander Vertrauen
schöpfen.“
Wird die Reise auch Auswirkungen haben auf den Dialog mit den
anderen Ostkirchen zum Beispiel mit dem Patriarchat in Moskau?
„Die anderen
orthodoxen Kirchen haben das sicher sehr genau beobachtet, was in Konstantinopel geschieht
und verstehen das sicher auch als Signal, dass Rom es ernst meint mit der Bereitschaft,
in einen Dialog einzutreten. Auswirkungen auf Moskau kann ich zur Zeit nicht abschätzen,
aber auch Moskau ist auf dem Weg der Annäherung. Dass da Spannungen sind zwischen
Moskau und Konstantinopel, ist bekannt. Aber das sind dann Probleme, wo wir ganz bewusst
nicht Stellung nehmen. Wir mischen uns da nicht ein in diese innerorthodoxen Fragen,
die müssen die selber klären.“
Benedikt war am Donnerstag in der Blauen
Moschee. Das ist in der islamischen Welt sehr positiv gesehen worden. Wie schätzen
Sie diese Geste ein?
„Es war ein Ausdruck des Respekts, den die Kirche und
damit auch der Papst dem Islam entgegen bringt, wie wir Respekt haben vor anderen
Religionen, auch wenn wir natürlich nicht alles teilen. Das sollte ausgedrückt werden.
Der Respekt gegenüber dem Islam (und dem Judentum) überschreitet auch das, was uns
mit anderen Religionen verbindet, weil wir gemeinsam den Glauben an den einen Gott
haben, den Glauben an den Ursprung und das Ziel des Menschengeschlechts in Gott, wir
haben den gemeinsamen Urvater Abraham und so weiter. Dennoch darf man sich zu den
Differenzen keinen Täuschungen hingeben! Es war aber auch ein Gestus: Wir wollen zusammenarbeiten
für die Gerechtigkeit, für den Frieden, die Verteidigung des Lebens, die Rechte der
Familie in der Welt. Wir wollen nicht einen Konflikt der Kulturen, wir wollen eine
Allianz, eine Zusammenarbeit der Kulturen. Ich denke, dass ist in der jetzigen Situation
der Menschheit eine ganz wichtige Aussage.“ (rv 021206 mc)