2006-12-01 11:49:47

Türkeireise auf einen Klick: Mittwoch, 30.11.


Dritter Tag. Bilanz
Ein großer, ein historischer Tag zweifellos. Zunächst das orthodoxe Andreasfest unter Teilnahme des Papstes. Anstrengend war`s, das sah man dem müden Gesicht Benedikts an, aber auch eine bewegende Erfahrung der Einheit. An der Umarmung zwischen Benedikt und Patriarch Bartholomaios war nichts Gekünsteltes – hier haben zwei Kirchenmänner zu einer direkten persönlichen Beziehung gefunden, und das ist Gold wert im ökumenischen Gespräch. Erst recht, wenn es um den Orient geht und den Osten, das Terrain der historischen Verwicklungen und der tragischen Missverständnisse.
Historisch auch die Gemeinsame Erklärung von Papst und Patriarch. Da wird die Einheit feierlich als Ziel beider Kirchen proklamiert; da wird vom „christlichen Erbe Kleinasiens“ und nicht nur Europas gesprochen; da wird Religionsfreiheit als Meßlatte der Zugehörigkeit zu Europa definiert. Wenn nicht alles täuscht, dann knüpfen Benedikt und Bartholomaios direkt an das gute Einvernehmen von Paul VI. und Athenagoras I. an, das in den sechziger Jahren bahnbrechend wurde für eine Versöhnung beider Kirchen. Johannes Paul II. war es 1979 anscheinend nicht gelungen, zum damaligen Patriarchen Dimitrios, den er im Phanar besuchte, ein ähnlich gutes Verhältnis aufzubauen.
Und dann diese Bilder, wie Benedikt XVI. in Strümpfen durch die Blaue Moschee geht, freundlich lächelnd, den etwas weitschweifigen Erläuterungen des Großmuftis von Istanbul lauschend. Das Bild des Tages, kein Zweifel. Bis vor kurzem glaubten alle, das sei erst der zweite Besuch eines Papstes in einer Moschee überhaupt. Großer Vorläufer: Johannes Paul II. im Jahr 2001 in der Großen Moschee von Damaskus. Erst an diesem Donnerstag sickerte aus dem Vatikan durch, Johannes Paul sei schon 1979 in ebendieser Blauen Moschee von Istanbul herumspaziert – aber heimlich, als Tourist. Hätte man das damals schon gewusst – die Nachricht wäre ein journalistischer Scoop gewesen. Fast muss man darüber lachen, dass sowohl Mufti wie Papst auf die Darstellung von Friedenstauben als Geschenke verfallen waren. Man merkt daran, wie nötig und wie beidseitig diese Friedensbeteuerung zwischen den beiden Religionen… war. Oder ist.
Wo bleiben bei all dem die (wenigen) Katholiken der Türkei? Sie hatten zwar ihre Messe in Ephesus am Mittwoch, aber an diesen entlegenen Ort konnten nur ein paar hundert Menschen hinkommen. Bisher dürften sie sich vom Papst in der Türkei etwas vernachlässigt fühlen. Aber sie haben ja noch am Freitag früh ihre Messfeier in der Kathedrale von Istanbul mit dem Papst.
Mit seiner hartnäckigen Freundlichkeit hat Benedikt XVI. es verstanden, die anfängliche Reserviertheit der meisten Türken aufzubrechen. Die kleine Demonstration von Papstgegnern am Abend an der Hagia Sophia mit angeblich nur fünfzig Teilnehmern kam gegen seine sanftpfötige Charme-Offensive nicht an. „Ich liebe diesen Papst“, schrieb an diesem Donnerstag der Leitartikler einer Zeitung. Wer hätte das vor kurzem gedacht… Man sollte sich daran erinnern, wenn in Kürze wieder der Alltag einkehrt. In der Türkei. In der Ökumene. In der kleinen christlichen Herde von Kleinasien.
(rv 30.11.06 sk)




Der Papst in der Hagia Sophia
Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat Papst Benedikt XVI. die Hagia Sophia in Istanbul besucht. Einst eine byzantinische Kirche, danach Moschee, ist das fast 1500 Jahre alte Bauwerk heute ein Museum.
Lange vor dem Eintreffen Benedikts waren Plätze und Straßen in der Umgebung weiträumig abgesperrt worden. Hubschrauber kreisten über der historischen Altstadt. Eine Gruppe türkischer Nationalisten hatte noch Stunden zuvor in der Nähe gegen den Besuch des Papstes in der Hagia Sophia demonstriert. Das Bauwerk sei türkisch und werde türkisch bleiben, schrieben sie auf Bannern und forderten die Öffnung der Hagia Sophia für muslimische Gebete. Das Gebäude wurde im 6. Jahrhundert als christliche Kirche errichtet und 1453 nach der türkischen Eroberung Konstantinopels als Moschee genutzt. Inzwischen ist die Hagia Sophia ein Museum.
Geführt wurde der Papst in der Hagia Sophia vom Istanbuler Gouverneur, Muammer Güler, und dem Direktor des in dem Gebäude befindlichen Museums, Haluk Ozozlu. Nach der Visite wollte das Oberhaupt der katholischen Kirche die Blaue Moschee besichtigen. Damit ist Benedikt erst der zweite Papst nach Johannes Paul II., der ein muslimisches Gotteshaus betritt. In Istanbul protestierten einige Dutzend Demonstranten gegen den Besuch des Papstes. Benedikt hatte den Besuch des muslimischen Gotteshauses als Geste der Versöhnung gegenüber dem Islam kurzfristig in sein Programm aufgenommen. Es ist sein erster Aufenthalt in einer Moschee seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr und der zweite eines Papstes überhaupt. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hatte 2001 im syrischen Damaskus eine Moschee besucht.
(rv 30.11.06 mg)




Lombardi hofft auf Verbesserung für Christen
P. Federico Lombardi, Leiter des vatikanischen Pressesaales, ist im Tross rund um Papst Benedikt. Unsere Kollegen von der italienischen Abteilung haben P. Lombardi nach seinen Eindrücken über die interreligiöse Bedeutung der Türkeireise des Papstes gefragt.


„Benedikt XVI. konnte grundlegende Prinzipien des Dialogs mit den Moslems unterstreichen, etwa im Gespräch mit dem Leiter der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu. Bei diesem Treffen waren ja auch die beiden Großmuftis von Istanbul und Ankara dabei, bedeutende Persönlichkeiten der muslimischen Gemeinde. Benedikt hat nochmals die Prinzipien des Dialogs und des gegenseitigen Respekts betont, von denen er schon in den vergangenen Monaten mehrmals gesprochen hat; und er hat die Gemeinsamkeiten betont, den Glauben an einen einzigen Gott, die gemeinsame Sorge für die spirituelle Dimension des Menschen in der heutigen säkularisierten Welt. Damit kann der interreligiöse Dialog weiter arbeiten.“


Auch die Religionsfreiheit hat Benedikt gegenüber seinen muslimischen Gesprächspartnern nicht ausgespart.


„Dieses Thema muss in der Türkei vertieft werden, denn es ist in der türkischen Verfassung präsent. Sie garantiert als laizistischer Staat ausdrücklich das Recht auf Religionsfreiheit. Vielleicht zeigt sich das eher beim Kult oder beim spirituellen Leben der Individuen und weniger im Leben der Religionsgemeinschaften. Es gab auch einen Moment – in einem Gespräch des Papstes mit dem Vize-Premier – in dem konkrete Probleme angesprochen wurden, vor denen katholische Gemeinden in der Türkei stehen. Da ging es um Privateigentum und auch um den Wunsch nach einem Treffen zwischen Regierung und Religionsvertretern, damit man diese Probleme angehen kann. Alles in allem ist das ein positiver Weg, der auch zur Verbesserung des Glaubenslebens der katholischen Gemeinschaften beitragen kann.“
(rv 30.11.06 gs)




Missio-Experte, „Papst kommt türkischen Interessen gelegen“
Mit Argusaugen beobachtet Otmar Oehring die Papstreise durch die Türkei. Oehring ist in Ankara aufgewachsen, leitet die Abteilung Menschenrechte beim kirchlichen deutschen Hilfswerk Missio und besucht häufig die Christen in der Türkei. Nach seinem Eindruck ist die Reise bisher sehr gut verlaufen; in Ephesus etwa gefiel ihm, wie sich die türkische Polizei dort zurückgehalten hat. Zum Besuch in Istanbul meint Oehring:


„Gestern Abend hat es hier wohl im Patriarchat Schwierigkeiten gegeben, weil sehr viele Leute nicht hereingelassen wurden und am Ende dann doch eine sehr kleine Gemeinde in der Kirche zu sehen war, und so ging das dann auch über die Fernsehschirme. Einige Leute haben den Eindruck, dass das mit Absicht so gemacht wurde, um den Leuten zu zeigen, wie unbedeutend das Patriarchat doch ist.“


Heute früh allerdings erlebte Oehring am Ökumenischen Patriarchat das genaue Gegenteil: Da reichte es, seinen Pass zu hinterlegen, um die Kirche zu betreten - also sehr positiv.


„Es scheint allerdings im Vorfeld, wie man aus dem Umfeld des Ökumenischen Patriarchats hört, das absolute Tohuwabohu bei der Vorbereitung der Visite auf seiten der türkischen Behörden gegeben zu haben, wohl weil die Behörden hier in Istanbul absolut keine Erfahrung mit der Vorbereitung solcher Großereignisse haben, abgesehen vom Bush-Besuch vor zwei Jahren.“


Mit Spannung war erwartet worden, wie die Begegnungen des Papstes mit Politikern in Ankara verlaufen würden. Oehring rät dazu, sich nichts vorzumachen.


„Die türkischen Behörden nutzen natürlich alles, was der Papst gesagt oder auch vermutlich nicht gesagt hat, zu ihren Gunsten. Beispiel: dass Herr Erdogan gleich nach seinem kurzen Gespräch mit dem Heiligen Vater erklärt hat, dieser unterstütze die Türkei auf ihrem Weg in die EU. Das ist sicherlich Propaganda, die sein muss für das türkische Wahlvolk – in den nächsten Jahren sind zwei Wahlen.“


Aber nicht nur türkische Politiker instrumentalisieren den Papst – ein bisschen tut es auf seine Weise auch Patriarch Bartholomaios.


„Das kann ein Hintergedanke sein bei der Einladung des Patriarchen Bartholomaios in das Patriarchat. Natürlich ist der Besuch des Heiligen Vaters ein Geschenk für den Ökumenischen Patriarchen. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass das türkische Fernsehen ausgeschlossen worden ist von der Übertragung der Göttlichen Zeremonie aus dem Patriarchat und an seiner Stelle das griechische Fernsehen genommen worden ist – da hat natürlich Bartholomaios die Situation genutzt und demonstriert, dass er der Hausherr im Ökumenischen Patriarchat ist. Während die Türken im Gegenteil davon ausgehen, dass das eine türkische Institution ist, in der zwangsläufig der türkische Staat das Hausrecht hat und damit auch das türkische Fernsehen.“


Ähnlich gelagert: der Streit um die von Bartholomaios ausgegebenen Presseausweise. Auf ihnen prangt groß die Aufschrift „Ökumenisches Patriarchat“, weswegen die Polizei die Pressestelle kurzzeitig schließen ließ.


„Beide Seiten spielen natürlich mit dieser Frage, die in der Türkei hochpolitisch ist. Hier darf es nicht „Ökumenisches“ Patriarchat heißen, obwohl es dafür keinen nachvollziehbaren Grund gibt, und auf der anderen Seite hält der Patriarch natürlich zu Recht am Titel „Ökumenisch“ fest.“


An diesem Donnerstag-Abend nun der Besuch des Papstes in der Blauen Moschee von Istanbul – was denken türkische Moslems, die diese Szene am Fernsehschirm verfolgen? Menschenrechts-Experte Oehring hat vor allem mit Taxifahrern darüber gesprochen.


„Wenn der Papst nur die Hagia Sophia besucht hätte, dann hätte es tatsächlich passieren können, dass der normale, wenig informierte Bürger hier in der Türkei gedacht hätte: Der Papst versucht die Hagia Sophia wieder in den Griff zu bekommen. Es gibt ja Gerüchte, dass Al-Quaida noch für den heutigen Tag ein Attentat auf ihn plane, weil er eben als Kreuzfahrer in die Türkei gekommen sei und versuche, das türkische Volk zu bekehren. Das wird ihm wahrscheinlich in seinen drei, vier Tagen hier in der Türkei nicht gelingen, davon müssen wir wohl (vielleicht leider) ausgehen!“


Diese nüchterne Einsicht scheint sich auch bei der Mehrheit der Bevölkerung breitgemacht zu haben.



„Man muss eigentlich insgesamt sagen: Man kann nur erstaunt sein über die Ruhe, die hier eigentlich in Istanbul herrscht angesichts der Verkehrsprobleme, von denen eigentlich alle hier in der Stadt betroffen sind. Die Sperrungen in Istanbul sind gewaltig, heute Morgen vor dem Patriarchat hat es durchaus kritische Stimmen gegeben, weil die Leute nicht zu ihrer Arbeit gekommen sind, ihre Verkehrsmittel nicht erreichen konnten und dann riesige Umwege in Kauf nehmen mussten. Aber ich denke, dass waren negative Äußerungen, die sich wirklich auf das Faktum der Verkehrsprobleme bezogen und nicht auf den Papst.“
(rv 30.11.06 sk)




Brüderliche Begegnung, diplomatische Feinheiten
Bei den Begegnungen zwischen Papst Benedikt und Patriarch Bartholomaios seit gestern Abend sah man nichts als freundliche Gesichter, große Herzlichkeit zwischen den beiden. Stefan Kempis, hat sich etwas von der Freude dieser brüderlichen Begegnung auf das muslimische Istanbul übertragen?


„Man hatte auch heute Morgen bei der göttlichen Liturgie gesehen, die beiden haben sich sehr umarmt und richtig gedrückt dabei. Aber die Moslems hier beobachten das eher, mit ein bisschen Misstrauen, auch weil der Papst das Wort ökumenisches Patriarchat in den Mund genommen hat, was ihnen nicht passt, dieser Anspruch. Und man muss sagen, hier in Istanbul ärgern sich die Leute vor allen Dingen, weil sie zu Fuß gehen müssen. Es sind größte Teile des Stadtzentrums vollständig abgesperrt, auch die Brücken. Und man kann nur noch stundenlange Fußmärsche durch die Stadt auf sich nehmen. Freude kann bei so etwas eigentlich nicht überspringen.“


Für Bartholomaios jedenfalls ist die Tatsache, dass der Papst zu ihm nach Istanbul kommt, eine große Sache. Der Patriarch ist ja als Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, obwohl manche das nicht gerne hören, praktisch die orthodoxe Entsprechung zum katholischen Papst. Doch in Istanbul zählt die orthodoxe Gemeinde heute nur ein- bis zweitausend Köpfe. Welchen kirchenpolitischen Gehalt birgt dieses brüderliche Gipfeltreffen, wie bedeutsam ist es letztlich?


„Es ist ein wichtiges Startsignal für eine persönliche Beziehung zwischen Benedikt und Bartholomais, und als solches kann man es gar nicht unterschätzen. Denn es liegt oft an solchen kleinen Einzelheiten, am persönlichen Kontakt wie die Ökumene weitergeht. Dass der theologische Dialog für ein paar Jahre unterbrochen war, hat sicher mit den persönlichen und gar nicht nur mit theologischen Fragen zu tun. Ansonsten kirchenpolitisch trumpft natürlich Bartholomais auch mit seinem hohen Gast aus Rom auf und macht darauf aufmerksam, dass es in Istanbul ein kleines, aber feines, weil doch ökumenisch bedeutendes Patriarchat gibt. Er versucht also die Aufmerksamkeit dazu zu nutzen, gegenüber den türkischen Behörden etwas mehr Spielraum zu gewinnen.“


Wie unbeliebt macht er sich damit?


„Er ist schon sehr unbeliebt, das merkt man wenn man hier die Zeitung ließt. Die Fotos zeigen ihn so ungünstig wie möglich. Der Papst wird ja noch einigermaßen akzeptiert von den Türken, aber Bartholomaios ist in der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung einfach unbeliebt und nicht sehr erwünscht. Er gilt als Störenfried, der trotzig, hartnäckig auf uralten Ansprüchen besteht, über die die Zeit doch eigentlich hinweggegangen sei.“


Kardinal Walter Kasper, der Ökumene-Chef des Papstes, hat, wie es heißt, bis zur allerletzten Sekunde an der Gemeinsamen Erklärung gefeilt. Den großen ökumenischen Durchbruch bringt das Dokument nicht, das hatte aber auch niemand erwartet. Gibt es aus dennoch bahnbrechend Neues in dem Text?


„Bahnbrechend Neues würde ich nicht sagen. Es hat etwas Feierlich, Starres, dieses Papier. Es stimmt, dass Kardinal Kasper und auch andere Kardinäle sehr lange über den Text gebrütet haben. Wir haben das in unserem Hotel gesehen, die saßen im Restaurant. Wir konnten nicht rein, das ging bis nach Mitternacht, wurde da debattiert. Dann liest man so einen Text natürlich noch sehr viel interessierter, wenn man das gesehen hat. Und dann findet man doch Sachen, die eigentlich auch in jeder Papstrede vorkommen könnten. Ich glaube der entscheidende Punkt war wohl, die EU soll dafür sorgen, dass die Türkei Minderheiten respektiert. Das wurde ein bisschen durch die Blume in dieser Erklärung ausgesprochen. Und das ist natürlich ein heikler Punkt. EU misch dich bitte in die türkischen Angelegenheiten ein, damit wir als Christen in der Türkei überleben können. So etwas diplomatisch zu formulieren, ist keine Kleinigkeit.“
(rv 30.11.06 gs)


 
Ordensfrau: „Warum kommt er nicht zu uns?"
RealAudioMP3 Mitten im Galata-Viertel betreiben Barmherzige Schwestern aus Österreich eines der letzten noch verbliebenen Ordensspitäler in der Türkei. Rechtlich hängt diese Einrichtung, die im 19. Jahrhundert während einer Lepra-Epidemie gegründet wurde und am Anfang nichts als eine Baracke war, völlig in der Luft. Personal und die meisten Patienten sind Türken, darunter fast alle Arme ohne jedwede Sozialversicherung. Im Moment werden hier auch viele Afrikaner und Flüchtlinge aus dem Irak behandelt. Schwester Heliodora Strobl, die Oberin, macht sich große Sorgen um den Fortbestand des St.-Georg-Krankenhauses. Zum Papstbesuch sagt sie:
„Am Anfang hatte ich irgendwie Sorge, aber jetzt ist das eigentlich locker geworden; ich verfolge das auch viel im Fernsehen, und wie ich das so sehe und was ich auch von unserem Personal so höre, ist das sehr positiv. Das Personal hat auch gesagt: Am Anfang hat es kritisch ausgesehen, aber jetzt geht alles so schön gelassen dahin. Das freut eigentlich alle… Viele haben auch gefragt, warum kommt der Papst eigentlich nicht in das österreichische Krankenhaus? Das wäre für uns eine sehr große Freude gewesen.“
Nicht nur Schwester Heli hätte sich über einen Papstbesuch gefreut. Viele christliche Einrichtungen und viele Katholiken in der Türkei haben das Gefühl, dass Benedikt sie bei dieser Visite zu sehr links liegen lässt. Im Gespräch beklagen sie sich, dass im ursprünglichen Reiseprogramm des Papstes noch nicht mal die Messe in Ephesus oder die Messe in Istanbul vorgesehen gewesen seien. Katholische Verantwortliche vor Ort hätten sich vom Vatikan vergessen und vernachlässigt gefühlt. Umso dankbarer seien sie, dass das Programm noch mal geändert worden sei, um auch Begegnungen mit den katholischen Christen einzuschließen.
(rv 30.11.06 sk)


Gemeinsame Erklärung: Kernsätze
Papst Benedikt XVI. und Patriarch Bartholomaios I. wollen die ökumenische Zusammenarbeit in ihren Kirchen weiter stärken. Außerdem treten sie - „bei aller Offenheit für andere Religionen“ - für die Stärkung christlicher Werte in der EU ein und fordern den Schutz religiöser und kultureller Minderheiten. Das sind die zentralen Aussagen ihrer mit Spannung erwarteten Gemeinsamen Erklärung, die Benedikt und Bartholomaios im Anschluss an die „Göttliche Liturgie“ unterzeichneten. Der große Durchbruch bei der Ökumene zwischen katholischer und orthodoxer Kirche ist heute in Istanbul erwartungsgemäß ausgeblieben, doch enthält das Dokument wichtige Punkte. Hier die Kernsätze.

Der Heilige Geist wird uns helfen, den großen Tag der Wiederherstellung der vollen Einheit vorzubereiten, wann und wie Gott es will.


Was die Beziehungen zwischen der Kirche von Rom und der Kirche von Konstantinopel betrifft, ist an den feierlichen Akt der Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation zu erinnern, der über Jahrhunderte und bis heute die Beziehungen zwischen unseren Kirchen negativ beeinflusst. Noch haben wir nicht alle positiven Folgen dieses Aufhebungs-Aktes aufgeschöpft, die sich daraus für unseren Weg zur vollen Einheit ergeben.


Zur Vollversammlung der gemischten Kommission für den theologischen Dialog, die vor kurzem in Belgrad tagte, haben wir unsere große Freude über die Wiederaufnahme des theologischen Dialogs zum Ausdruck gebracht. Beim Behandeln des Themas „Konziliarismus und Autorität in der Kirche“ auf lokaler, regionaler und universeller Ebene ist die Kommission in eine Untersuchungsphase über die ekklesiologischen und kirchenrechtlichen Folgen der sakramentalen Natur der Kirche eingetreten. Dies wird es ermöglichen, einige der prinzipiellen, noch strittigen Fragen zu erörtern.


Wir können nicht an der Zunahme der Säkularisierung, des Relativismus, auch des Nihilismus vorbeisehen, vor allem in der westlichen Welt. All das verlangt eine erneuerte und wirksame, an die Kulturen unserer Zeit angepasste Verkündigung des Evangeliums. Unsere Traditionen stellen für uns ein Erbe dar, das andauernd geteilt, angeboten und aktualisiert werden muss. Deshalb müssen wir unsere Zusammenarbeit und unser Zeugnis vor allen Nationen verstärken.


Wir haben den Weg zu einer Bildung der Europäischen Union positiv beurteilt. Die Akteure dieses großen Unterfangens werden alles Aspekte in Betracht ziehen, die den Menschen und seine unveräußerlichen Rechte berühren, vor allem die Religionsfreiheit, Zeuge und Garant des Respekts für jede andere Form der Freiheit. In jeder Einigungsidee müssen die Minderheiten mit ihren kulturellen Traditionen und ihren religiösen Eigenheiten geschützt werden. In Europa müssen wir – bei gleichzeitiger Offenheit für die anderen Religionen und ihren Beitrag zur Kultur - unsere Anstrengungen einen, um die christlichen Wurzeln, Traditionen und Werte zu erhalten, mit dem Ziel, den Respekt vor der Geschichte zu wahren und zur zukünftigen Kultur Europas sowie zur Qualität der menschlichen Beziehungen auf allen Ebenen beizutragen.
(rv 30.11.06 gs)






Der Papst in der Hagia Sophia
Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat Papst Benedikt XVI. die Hagia Sophia in Istanbul besucht. Einst eine byzantinische Kirche, danach Moschee, ist das fast 1500 Jahre alte Bauwerk heute ein Museum.
Lange vor dem Eintreffen Benedikts waren Plätze und Straßen in der Umgebung weiträumig abgesperrt worden. Hubschrauber kreisten über der historischen Altstadt. Eine Gruppe türkischer Nationalisten hatte noch Stunden zuvor in der Nähe gegen den Besuch des Papstes in der Hagia Sophia demonstriert. Das Bauwerk sei türkisch und werde türkisch bleiben, schrieben sie auf Bannern und forderten die Öffnung der Hagia Sophia für muslimische Gebete. Das Gebäude wurde im 6. Jahrhundert als christliche Kirche errichtet und 1453 nach der türkischen Eroberung Konstantinopels als Moschee genutzt. Inzwischen ist die Hagia Sophia ein Museum.
Geführt wurde der Papst in der Hagia Sophia vom Istanbuler Gouverneur, Muammer Güler, und dem Direktor des in dem Gebäude befindlichen Museums, Haluk Ozozlu. Nach der Visite wollte das Oberhaupt der katholischen Kirche die Blaue Moschee besichtigen. Damit ist Benedikt erst der zweite Papst nach Johannes Paul II., der ein muslimisches Gotteshaus betritt. In Istanbul protestierten einige Dutzend Demonstranten gegen den Besuch des Papstes. Benedikt hatte den Besuch des muslimischen Gotteshauses als Geste der Versöhnung gegenüber dem Islam kurzfristig in sein Programm aufgenommen. Es ist sein erster Aufenthalt in einer Moschee seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr und der zweite eines Papstes überhaupt. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hatte 2001 im syrischen Damaskus eine Moschee besucht.
(rv 30.11.06 mg)


 
Lombardi hofft auf Verbesserung für Christen
P. Federico Lombardi, Leiter des vatikanischen Pressesaales, ist im Tross rund um Papst Benedikt. Unsere Kollegen von der italienischen Abteilung haben P. Lombardi nach seinen Eindrücken über die interreligiöse Bedeutung der Türkeireise des Papstes gefragt.


„Benedikt XVI. konnte grundlegende Prinzipien des Dialogs mit den Moslems unterstreichen, etwa im Gespräch mit dem Leiter der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu. Bei diesem Treffen waren ja auch die beiden Großmuftis von Istanbul und Ankara dabei, bedeutende Persönlichkeiten der muslimischen Gemeinde. Benedikt hat nochmals die Prinzipien des Dialogs und des gegenseitigen Respekts betont, von denen er schon in den vergangenen Monaten mehrmals gesprochen hat; und er hat die Gemeinsamkeiten betont, den Glauben an einen einzigen Gott, die gemeinsame Sorge für die spirituelle Dimension des Menschen in der heutigen säkularisierten Welt. Damit kann der interreligiöse Dialog weiter arbeiten.“


Auch die Religionsfreiheit hat Benedikt gegenüber seinen muslimischen Gesprächspartnern nicht ausgespart.


„Dieses Thema muss in der Türkei vertieft werden, denn es ist in der türkischen Verfassung präsent. Sie garantiert als laizistischer Staat ausdrücklich das Recht auf Religionsfreiheit. Vielleicht zeigt sich das eher beim Kult oder beim spirituellen Leben der Individuen und weniger im Leben der Religionsgemeinschaften. Es gab auch einen Moment – in einem Gespräch des Papstes mit dem Vize-Premier – in dem konkrete Probleme angesprochen wurden, vor denen katholische Gemeinden in der Türkei stehen. Da ging es um Privateigentum und auch um den Wunsch nach einem Treffen zwischen Regierung und Religionsvertretern, damit man diese Probleme angehen kann. Alles in allem ist das ein positiver Weg, der auch zur Verbesserung des Glaubenslebens der katholischen Gemeinschaften beitragen kann.“
(rv 30.11.06 gs)




Missio-Experte, „Papst kommt türkischen Interessen gelegen“
Mit Argusaugen beobachtet Otmar Oehring die Papstreise durch die Türkei. Oehring ist in Ankara aufgewachsen, leitet die Abteilung Menschenrechte beim kirchlichen deutschen Hilfswerk Missio und besucht häufig die Christen in der Türkei. Nach seinem Eindruck ist die Reise bisher sehr gut verlaufen; in Ephesus etwa gefiel ihm, wie sich die türkische Polizei dort zurückgehalten hat. Zum Besuch in Istanbul meint Oehring:


„Gestern Abend hat es hier wohl im Patriarchat Schwierigkeiten gegeben, weil sehr viele Leute nicht hereingelassen wurden und am Ende dann doch eine sehr kleine Gemeinde in der Kirche zu sehen war, und so ging das dann auch über die Fernsehschirme. Einige Leute haben den Eindruck, dass das mit Absicht so gemacht wurde, um den Leuten zu zeigen, wie unbedeutend das Patriarchat doch ist.“


Heute früh allerdings erlebte Oehring am Ökumenischen Patriarchat das genaue Gegenteil: Da reichte es, seinen Pass zu hinterlegen, um die Kirche zu betreten - also sehr positiv.


„Es scheint allerdings im Vorfeld, wie man aus dem Umfeld des Ökumenischen Patriarchats hört, das absolute Tohuwabohu bei der Vorbereitung der Visite auf seiten der türkischen Behörden gegeben zu haben, wohl weil die Behörden hier in Istanbul absolut keine Erfahrung mit der Vorbereitung solcher Großereignisse haben, abgesehen vom Bush-Besuch vor zwei Jahren.“


Mit Spannung war erwartet worden, wie die Begegnungen des Papstes mit Politikern in Ankara verlaufen würden. Oehring rät dazu, sich nichts vorzumachen.


„Die türkischen Behörden nutzen natürlich alles, was der Papst gesagt oder auch vermutlich nicht gesagt hat, zu ihren Gunsten. Beispiel: dass Herr Erdogan gleich nach seinem kurzen Gespräch mit dem Heiligen Vater erklärt hat, dieser unterstütze die Türkei auf ihrem Weg in die EU. Das ist sicherlich Propaganda, die sein muss für das türkische Wahlvolk – in den nächsten Jahren sind zwei Wahlen.“


Aber nicht nur türkische Politiker instrumentalisieren den Papst – ein bisschen tut es auf seine Weise auch Patriarch Bartholomaios.


„Das kann ein Hintergedanke sein bei der Einladung des Patriarchen Bartholomaios in das Patriarchat. Natürlich ist der Besuch des Heiligen Vaters ein Geschenk für den Ökumenischen Patriarchen. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass das türkische Fernsehen ausgeschlossen worden ist von der Übertragung der Göttlichen Zeremonie aus dem Patriarchat und an seiner Stelle das griechische Fernsehen genommen worden ist – da hat natürlich Bartholomaios die Situation genutzt und demonstriert, dass er der Hausherr im Ökumenischen Patriarchat ist. Während die Türken im Gegenteil davon ausgehen, dass das eine türkische Institution ist, in der zwangsläufig der türkische Staat das Hausrecht hat und damit auch das türkische Fernsehen.“


Ähnlich gelagert: der Streit um die von Bartholomaios ausgegebenen Presseausweise. Auf ihnen prangt groß die Aufschrift „Ökumenisches Patriarchat“, weswegen die Polizei die Pressestelle kurzzeitig schließen ließ.


„Beide Seiten spielen natürlich mit dieser Frage, die in der Türkei hochpolitisch ist. Hier darf es nicht „Ökumenisches“ Patriarchat heißen, obwohl es dafür keinen nachvollziehbaren Grund gibt, und auf der anderen Seite hält der Patriarch natürlich zu Recht am Titel „Ökumenisch“ fest.“


An diesem Donnerstag-Abend nun der Besuch des Papstes in der Blauen Moschee von Istanbul – was denken türkische Moslems, die diese Szene am Fernsehschirm verfolgen? Menschenrechts-Experte Oehring hat vor allem mit Taxifahrern darüber gesprochen.



„Wenn der Papst nur die Hagia Sophia besucht hätte, dann hätte es tatsächlich passieren können, dass der normale, wenig informierte Bürger hier in der Türkei gedacht hätte: Der Papst versucht die Hagia Sophia wieder in den Griff zu bekommen. Es gibt ja Gerüchte, dass Al-Quaida noch für den heutigen Tag ein Attentat auf ihn plane, weil er eben als Kreuzfahrer in die Türkei gekommen sei und versuche, das türkische Volk zu bekehren. Das wird ihm wahrscheinlich in seinen drei, vier Tagen hier in der Türkei nicht gelingen, davon müssen wir wohl (vielleicht leider) ausgehen!“


Diese nüchterne Einsicht scheint sich auch bei der Mehrheit der Bevölkerung breitgemacht zu haben.


„Man muss eigentlich insgesamt sagen: Man kann nur erstaunt sein über die Ruhe, die hier eigentlich in Istanbul herrscht angesichts der Verkehrsprobleme, von denen eigentlich alle hier in der Stadt betroffen sind. Die Sperrungen in Istanbul sind gewaltig, heute Morgen vor dem Patriarchat hat es durchaus kritische Stimmen gegeben, weil die Leute nicht zu ihrer Arbeit gekommen sind, ihre Verkehrsmittel nicht erreichen konnten und dann riesige Umwege in Kauf nehmen mussten. Aber ich denke, dass waren negative Äußerungen, die sich wirklich auf das Faktum der Verkehrsprobleme bezogen und nicht auf den Papst.“
(rv 30.11.06 sk)




Brüderliche Begegnung, diplomatische Feinheiten
Bei den Begegnungen zwischen Papst Benedikt und Patriarch Bartholomaios seit gestern Abend sah man nichts als freundliche Gesichter, große Herzlichkeit zwischen den beiden. Stefan Kempis, hat sich etwas von der Freude dieser brüderlichen Begegnung auf das muslimische Istanbul übertragen?


„Man hatte auch heute Morgen bei der göttlichen Liturgie gesehen, die beiden haben sich sehr umarmt und richtig gedrückt dabei. Aber die Moslems hier beobachten das eher, mit ein bisschen Misstrauen, auch weil der Papst das Wort ökumenisches Patriarchat in den Mund genommen hat, was ihnen nicht passt, dieser Anspruch. Und man muss sagen, hier in Istanbul ärgern sich die Leute vor allen Dingen, weil sie zu Fuß gehen müssen. Es sind größte Teile des Stadtzentrums vollständig abgesperrt, auch die Brücken. Und man kann nur noch stundenlange Fußmärsche durch die Stadt auf sich nehmen. Freude kann bei so etwas eigentlich nicht überspringen.“


Für Bartholomaios jedenfalls ist die Tatsache, dass der Papst zu ihm nach Istanbul kommt, eine große Sache. Der Patriarch ist ja als Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, obwohl manche das nicht gerne hören, praktisch die orthodoxe Entsprechung zum katholischen Papst. Doch in Istanbul zählt die orthodoxe Gemeinde heute nur ein- bis zweitausend Köpfe. Welchen kirchenpolitischen Gehalt birgt dieses brüderliche Gipfeltreffen, wie bedeutsam ist es letztlich?


„Es ist ein wichtiges Startsignal für eine persönliche Beziehung zwischen Benedikt und Bartholomais, und als solches kann man es gar nicht unterschätzen. Denn es liegt oft an solchen kleinen Einzelheiten, am persönlichen Kontakt wie die Ökumene weitergeht. Dass der theologische Dialog für ein paar Jahre unterbrochen war, hat sicher mit den persönlichen und gar nicht nur mit theologischen Fragen zu tun. Ansonsten kirchenpolitisch trumpft natürlich Bartholomais auch mit seinem hohen Gast aus Rom auf und macht darauf aufmerksam, dass es in Istanbul ein kleines, aber feines, weil doch ökumenisch bedeutendes Patriarchat gibt. Er versucht also die Aufmerksamkeit dazu zu nutzen, gegenüber den türkischen Behörden etwas mehr Spielraum zu gewinnen.“


Wie unbeliebt macht er sich damit?


„Er ist schon sehr unbeliebt, das merkt man wenn man hier die Zeitung ließt. Die Fotos zeigen ihn so ungünstig wie möglich. Der Papst wird ja noch einigermaßen akzeptiert von den Türken, aber Bartholomaios ist in der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung einfach unbeliebt und nicht sehr erwünscht. Er gilt als Störenfried, der trotzig, hartnäckig auf uralten Ansprüchen besteht, über die die Zeit doch eigentlich hinweggegangen sei.“


Kardinal Walter Kasper, der Ökumene-Chef des Papstes, hat, wie es heißt, bis zur allerletzten Sekunde an der Gemeinsamen Erklärung gefeilt. Den großen ökumenischen Durchbruch bringt das Dokument nicht, das hatte aber auch niemand erwartet. Gibt es aus dennoch bahnbrechend Neues in dem Text?


„Bahnbrechend Neues würde ich nicht sagen. Es hat etwas Feierlich, Starres, dieses Papier. Es stimmt, dass Kardinal Kasper und auch andere Kardinäle sehr lange über den Text gebrütet haben. Wir haben das in unserem Hotel gesehen, die saßen im Restaurant. Wir konnten nicht rein, das ging bis nach Mitternacht, wurde da debattiert. Dann liest man so einen Text natürlich noch sehr viel interessierter, wenn man das gesehen hat. Und dann findet man doch Sachen, die eigentlich auch in jeder Papstrede vorkommen könnten. Ich glaube der entscheidende Punkt war wohl, die EU soll dafür sorgen, dass die Türkei Minderheiten respektiert. Das wurde ein bisschen durch die Blume in dieser Erklärung ausgesprochen. Und das ist natürlich ein heikler Punkt. EU misch dich bitte in die türkischen Angelegenheiten ein, damit wir als Christen in der Türkei überleben können. So etwas diplomatisch zu formulieren, ist keine Kleinigkeit.“
(rv 30.11.06 gs)




Ordensfrau: „Warum kommt er nicht zu uns?“
RealAudioMP3 Mitten im Galata-Viertel betreiben Barmherzige Schwestern aus Österreich eines der letzten noch verbliebenen Ordensspitäler in der Türkei. Rechtlich hängt diese Einrichtung, die im 19. Jahrhundert während einer Lepra-Epidemie gegründet wurde und am Anfang nichts als eine Baracke war, völlig in der Luft. Personal und die meisten Patienten sind Türken, darunter fast alle Arme ohne jedwede Sozialversicherung. Im Moment werden hier auch viele Afrikaner und Flüchtlinge aus dem Irak behandelt. Schwester Heliodora Strobl, die Oberin, macht sich große Sorgen um den Fortbestand des St.-Georg-Krankenhauses. Zum Papstbesuch sagt sie:
„Am Anfang hatte ich irgendwie Sorge, aber jetzt ist das eigentlich locker geworden; ich verfolge das auch viel im Fernsehen, und wie ich das so sehe und was ich auch von unserem Personal so höre, ist das sehr positiv. Das Personal hat auch gesagt: Am Anfang hat es kritisch ausgesehen, aber jetzt geht alles so schön gelassen dahin. Das freut eigentlich alle… Viele haben auch gefragt, warum kommt der Papst eigentlich nicht in das österreichische Krankenhaus? Das wäre für uns eine sehr große Freude gewesen.“
Nicht nur Schwester Heli hätte sich über einen Papstbesuch gefreut. Viele christliche Einrichtungen und viele Katholiken in der Türkei haben das Gefühl, dass Benedikt sie bei dieser Visite zu sehr links liegen lässt. Im Gespräch beklagen sie sich, dass im ursprünglichen Reiseprogramm des Papstes noch nicht mal die Messe in Ephesus oder die Messe in Istanbul vorgesehen gewesen seien. Katholische Verantwortliche vor Ort hätten sich vom Vatikan vergessen und vernachlässigt gefühlt. Umso dankbarer seien sie, dass das Programm noch mal geändert worden sei, um auch Begegnungen mit den katholischen Christen einzuschließen.
(rv 30.11.06 sk)




Ersehnte Einheit. Papst und Patriarch feiern Andreasfest
Papst Benedikt XVI. hat heute im Phanar in Istanbul – dem orthodoxen Vatikan – an einer „Göttlichen Liturgie“ mit Patriarch Bartolomaios I. teilgenommen. Beide Kirchenoberhäupter unterstrichen ihren Willen, die Einheit wieder herstellen zu wollen. Die Trennung sei ein "Skandal für die Welt", so Benedikt. Hören Sie mehr von Pater Max Cappabianca OP:


Die Feier in der Georgskathedrale ist aus Sicht des Papstes der Höhepunkt seiner ganzen Türkeivisite: Als Nachfolger des Petrus das heutige Fest des Apostels Andreas gemeinsam mit dessen Nachfolger Bartholomaios feiern zu können: Um dieses Datum herum war der Türkeibesuch geplant worden. Der Papst ist ein Freund der orthodoxen Sicht von Liturgie, und so kann man ihm ansehen, dass er beeindruckt ist von diesem Hinzutreten des Menschen zur Liturgie der Engel, von der Vereinigung von himmlischer und irdischer Liturgie, die ausstreckt ist hin auf die endzeitliche Wiederkunft.


Schmerzhaft weiterhin: Eine wirklich gemeinsame Feier ist wegen des Schismas von 1054 immer noch nicht möglich, an der Kommunion nimmt der Papst nicht teil. Aber immerhin: Das Vater Unser, es wird gebetet durch den Papst in griechisch, der Sprache der Ostkirche.


Patriarch Bartholomaios unterstreicht in seiner Predigt die Rolle der Liturgie als Vergegenwärtigung Jesu für die Wiedererlangung der Einheit. Die Trennung sei schmerzlich, so der Patriarch:


„Darum knien wir in Demut und Reue vor dem lebendigen Gott, unserm Herrn Jesus Christus, nieder, dessen kostbaren Leib wir bilden und doch zugleich geteilt haben. Wir bekennen in Trauer, dass wir nicht imstande sind, die Sakramente zu feiern. Und wir beten darum, dass der Tag kommen möge, an dem die sakramentale Einheit vollkommen wiederhergestellt sein wird.“

Der Papst sagt in einer in englisch gehaltenen Ansprache, seine Präsenz am Andreasfest solle dazu beitragen, das Bemühen um Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft von Ost- und Westkirche zu erneuern.


„Ich kann ihnen versichern, dass die katholische Kirche dazu bereit ist, alles zu tun, um die Hindernisse zu überwinden und gemeinsam mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern wirksame Mittel in der pastoralen Zusammenarbeit zu finden, die diesem Ziel dienen können“

Mehrmals betont der Papst, dass es sich um Schwesterkirchen handelte. Aufgabe beider Kirchen sei es, das Evangelium zu verkünden. Das gelte mit neuer Dringlichkeit auch für die europäischen Kulturen, die seit langem tief in der christlichen Tradition verwurzelt seien, aber…


„Der Prozess der Säkularisierung hat die Ausdauer in der Weitergabe dieser Tradition geschwächt; sie wird statt dessen in Frage gestellt und sogar verworfen. Angesichts dieser Tatsache sind wir gemeinsam mit allen anderen christlichen Gemeinschaften berufen, das Bewusstsein Europas um die eigenen Wurzeln, Traditionen und christlichen Werten zu erneuern und ihnen neue Vitalität zu verleihen.“

Wie schon sein Vorgänger Johannes Paul II. lädt Benedikt XVI. zu einem theologischen Dialog über eine Neubestimmung des Papstamtes ein, einem Hauptproblem im ökumenischen Prozess.
Nachdrücklich fordert er die politischen Führer der Welt dazu auf, die Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht zu respektieren. Sowohl in der West- als auch in der Ostkirche gäbe es viele mutige Glaubenszeugen, die unter Verfolgung gelitten hätten.


Am Ende der Feier dann der Austausch von Geschenken, ein Evangeliar des Patriarchen für den Papst, ein Meßkelch Benedikts für Bartholomaios.
Benedikt ist sichtlich bewegt von der gemeinsamen Feier, die vielleicht eine Art Vorgeschmack für ihn war, wie die so sehr ersehnte Einheit im Glauben dereinst aussehen könnte.


Draußen dann der gemeinsame Segen, zuerst durch den Papst, dann durch den Patriarchen und – eine begeisterte Menschenmenge…
(rv 30.11.06 mc)




Türkische Presse weiter gewogen
Durchweg beifällig rauscht es im türkischen Pressewald, was den Papstbesuch angeht. So gut wie alle Blätter zeigen auf Seite eins den Papst mit der türkischen Fahne in der Hand. „Ich liebe die Türken“, titelt das Massenblatt „Hurriyet“ zu diesem Foto – und fügt an, Benedikt habe gestern bei der Messe in Ephesus zweimal kurz auf Türkisch gesprochen. „Er war ein Theologe – jetzt ist er ein Diplomat“, bemerkt das Blatt etwas sybillinisch. Das Treffen zwischen Papst und Patriarch wird zur „Jahrtausend-Begegnung“ erklärt, breiten Raum nehmen aber auch die Ärgerlichkeiten der Sicherheitsmaßnahmen und des zusammengebrochenen Verkehrs von Istanbul ein.
Ein Artikel der „Hurriyet“ gibt Hintergründe zum Besuch Benedikts XVI. im staatlichen Büro für Religionsfragen. Da heißt es, Benedikt sei verärgert gewesen, dass der Islam-Vertreter Bardakoglu von „Islamophopie“ gesprochen habe. Überhaupt habe Bardakoglu mit seiner erneuerten Kritik an den Papstworten von Regensburg seinen Gast „in Schwierigkeiten gebracht“. Der Vatikan habe den Text der Rede Bardakoglus vorher nicht gekannt.
Die Zeitung „Milliyet“ erwähnt ebenfalls die türkischen Worte des Papstes und die Probleme, die die Sicherheitsmaßnahmen über die Istanbuler gebracht haben; „Milliyet“ bemüht sich aber auch auf seine Art um interreligiösen Dialog. „Welcher Jesus?“, heißt ein Meinungsartikel, der verkündet, zur Zeit Jesu habe es jede Menge Messiasse gegeben. Jesus habe es womöglich nie gegeben, die Christen hätten ihn erfunden, um Geld zu verdienen. Ansonsten zeigt das Blatt im Innern viele Fotos des Papstes, rügt, dass er die Formulierung „Ökumenischer Patriarch“ benutzt habe, und kündigt an, beim heutigen Treffen mit dem armenischen Patriarchen werde Benedikt doch sicher das Wort „Völkermord“ nicht in den Mund nehmen. Ein kleines Bild zeigt einen türkischen Mitarbeiter im vatikanischen Staatssekretatiat und fragt: Warum eigentlich nicht mal ein türkischer Papst? Und auf einer Karikatur werfen die Politiker Erdogan und Gül den Papst freudig in die Luft, Sprechblase Erdogan, an den Papst gerichtet: „Ich bin stolz auf dich.“ Dahinter steht das vermeintliche Ja zu einem türkischen EU-Beitritt, das Erdogan dem Papst an den Lippen abgelesen haben will.
Als Skandal sieht „Milliyet“, dass das türkische Fernsehen fast nur Panzer und Soldaten zeige, aber kaum den Papst. Ein Reporter der Zeitung, der sich im Patriarchat umschauen durfte, meldet, Bartholomaios sei tief bewegt gewesen wie sonst nur am Tag seiner Wahl.
Die Zeitung „Radikal“ schreibt zum Foto Papst mit Fahne: „Er hat die türkische Fahne geschwenkt.“ Sowohl Ankara wie der Vatikan seien sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Visite. Etwas verwundert notiert „Radikal“, Benedikt, der als Türken-Gegner gegolten habe, habe sich nun als ihr Freund entpuppt. Ein langer Artikel zum Thema „Benedikt und der Dialog“ fragt sich, wo denn jetzt all die früheren Gegner des Papstbesuches seien. Sie hätten sich offenbar zu ebenso entschiedenen Befürwortern des interreligiösen Dialogs verwandelt: „Das ist nicht zu verstehen.“ Eine große Anzeige der türkischen Ausgabe von CNN, die auf ihre Live-Übertragungen verweist, zeigt ein großes Papstfoto und die Schrift: „Der Islam, eine Religion des Friedens“.
„Papaturka“ titelt die Zeitung „Star“ – eine Wortschöpfung, die belegt, dass der Papst jetzt ein Türke ist. „Papst in Istanbul, die Einwohner müssen laufen“, betont dagegen „Vatan“ auf Seite eins. Auch diese Zeitung bringt viele Fotos vom Besuch und viel Positives, schreibt aber auch: „Er hat auf die Minderheiten angespielt.“ Benedikt habe zu verstehen gegeben, dass Minderheiten in der Türkei diskriminiert würden.
„Cumhuriyet“, die Oppositionszeitung, betont schon auf Seite eins die Annäherung der Christen untereinander; „Bugun“, ein weiteres Blatt, fordert die Leser im Leitartikel dazu auf, den ganzen Streit von Regensburg jetzt endlich zu vergessen und nur noch auf das zu sehen, was der Papst in Ankara gesagt habe. Im übrigen: Ein schöneres Geschenk als seine Worte zu Türkei und EU habe der Papst seinem Besuchsland nicht machen können – erst recht jetzt, wo die EU die Beitrittsverhandlungen einfriert. Direkt aufs Herz zielt ein Foto bewegter Ordensleute mit der Unterschrift: „Er hat sie zum Weinen gebracht.“
Und die eher islamistischen Zeitungen? „Aksam“ setzt die Polemik um die religiöse Kleidung des Papstes fort. Dahinter steht der Gedanke: Wenn die laizistische Türkei sich darüber aufregt, wenn Abgeordnete oder Politikerfrauen das islamische Kopftuch tragen, warum darf dann der Papst hier in einer Kleidung voller religiöser Symbole herumlaufen? Das Blatt erwähnt aber auch, dass der Papst in Izmir extra noch mal aus dem Auto gestiegen sei, um den Gouverneur der Stadt zu begrüßen, den er zuvor übersehen hatte. Und das sehr fundamentalistische „Vakit“ ist die wohl einzige Zeitung der Türkei, die heute nicht auf Seite eins den Papst mit der türkischen Fahne zeigt, sondern nur ein kleines Benedikt-Foto von der Kommunionausteilung in Ephesus. Titel: „Auf einmal ist er pro-türkisch.“ Ebenfalls auf Seite eins, ein Foto des Präsidenten des staatlichen Religionsamtes Bardakoglu mit der Unterzeile: „Ein Regen von Komplimenten an Bardakoglu für seine Rede“ an den Papst.
Allgemeiner Eindruck: Positive Berichte in den Zeitungen, viel Neugier und Interesse, auch manches Missverständnis, das belegt, wie fremd auf viele Türken das Christentum wirkt.
(rv 30.11.06 sk)




Papst-Programm heute
Am heutigen Andreasfest wohnt Papst Benedikt XVI. in Istanbul der „Göttlichen Liturgie“ bei, die der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. in der Patriarchatskathedrale Sankt Georg zelebriert. Diese orthodoxe Messfeier ist der Höhepunkt des Papstbesuches in der Türkei. Der Heilige Andreas ist der Patron der Kirche von Konstantinopel; traditionell reiste eine vatikanische Delegation an seinem Gedenktag nach Istanbul, um an dieser Feier teilzunehmen. Benedikt XVI. hält während der Liturgie eine Ansprache. Nachdem der Papst und Bartholomaios vom Balkon des Ökumenischen Patriarchates aus auf Latein bzw. auf Griechisch die Gläubigen gesegnet haben, unterzeichnen sie eine gemeinsame Erklärung.


Nach einem gemeinsamen Essen steht ein Besuch in der Hagia Sophia sowie in der daneben gelegenen „Blauen Moschee“ auf dem Programm. Später kommt es zu einem Gebetstreffen mit dem armenisch-apostolischen Patriarchen Mesrob II. in der armenischen Patriarchatskathedrale in Kumkapi sowie zu Begegnungen mit dem syrisch-orthodoxen Metropoliten Filuksinus Yusuf Cetin und Oberrabbiner Isak Haleva. Für den Abend sieht das Programm ein Essen mit den Mitgliedern der Türkischen Bischofskonferenz vor.
(rv 30.11.06 gs)








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