Bei den Begegnungen zwischen Papst Benedikt und Patriarch Bartholomaios seit gestern
Abend sah man nichts als freundliche Gesichter, große Herzlichkeit zwischen den beiden.
Stefan Kempis, hat sich etwas von der Freude dieser brüderlichen Begegnung auf das
muslimische Istanbul übertragen?
„Man hatte auch heute Morgen bei der göttlichen
Liturgie gesehen, die beiden haben sich sehr umarmt und richtig gedrückt dabei. Aber
die Moslems hier beobachten das eher, mit ein bisschen Misstrauen, auch weil der Papst
das Wort ökumenisches Patriarchat in den Mund genommen hat, was ihnen nicht passt,
dieser Anspruch. Und man muss sagen, hier in Istanbul ärgern sich die Leute vor allen
Dingen, weil sie zu Fuß gehen müssen. Es sind größte Teile des Stadtzentrums vollständig
abgesperrt, auch die Brücken. Und man kann nur noch stundenlange Fußmärsche durch
die Stadt auf sich nehmen. Freude kann bei so etwas eigentlich nicht überspringen.“
Für
Bartholomaios jedenfalls ist die Tatsache, dass der Papst zu ihm nach Istanbul kommt,
eine große Sache. Der Patriarch ist ja als Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, obwohl manche
das nicht gerne hören, praktisch die orthodoxe Entsprechung zum katholischen Papst.
Doch in Istanbul zählt die orthodoxe Gemeinde heute nur ein- bis zweitausend Köpfe.
Welchen kirchenpolitischen Gehalt birgt dieses brüderliche Gipfeltreffen, wie bedeutsam
ist es letztlich?
„Es ist ein wichtiges Startsignal für eine persönliche Beziehung
zwischen Benedikt und Bartholomais, und als solches kann man es gar nicht unterschätzen.
Denn es liegt oft an solchen kleinen Einzelheiten, am persönlichen Kontakt wie die
Ökumene weitergeht. Dass der theologische Dialog für ein paar Jahre unterbrochen war,
hat sicher mit den persönlichen und gar nicht nur mit theologischen Fragen zu tun.
Ansonsten kirchenpolitisch trumpft natürlich Bartholomais auch mit seinem hohen Gast
aus Rom auf und macht darauf aufmerksam, dass es in Istanbul ein kleines, aber feines,
weil doch ökumenisch bedeutendes Patriarchat gibt. Er versucht also die Aufmerksamkeit
dazu zu nutzen, gegenüber den türkischen Behörden etwas mehr Spielraum zu gewinnen.“
Wie
unbeliebt macht er sich damit?
„Er ist schon sehr unbeliebt, das merkt man
wenn man hier die Zeitung ließt. Die Fotos zeigen ihn so ungünstig wie möglich. Der
Papst wird ja noch einigermaßen akzeptiert von den Türken, aber Bartholomaios ist
in der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung einfach unbeliebt und nicht sehr erwünscht.
Er gilt als Störenfried, der trotzig, hartnäckig auf uralten Ansprüchen besteht, über
die die Zeit doch eigentlich hinweggegangen sei.“
Kardinal Walter Kasper,
der Ökumene-Chef des Papstes, hat, wie es heißt, bis zur allerletzten Sekunde an der
Gemeinsamen Erklärung gefeilt. Den großen ökumenischen Durchbruch bringt das Dokument
nicht, das hatte aber auch niemand erwartet. Gibt es aus dennoch bahnbrechend Neues
in dem Text?
„Bahnbrechend Neues würde ich nicht sagen. Es hat etwas Feierlich,
Starres, dieses Papier. Es stimmt, dass Kardinal Kasper und auch andere Kardinäle
sehr lange über den Text gebrütet haben. Wir haben das in unserem Hotel gesehen, die
saßen im Restaurant. Wir konnten nicht rein, das ging bis nach Mitternacht, wurde
da debattiert. Dann liest man so einen Text natürlich noch sehr viel interessierter,
wenn man das gesehen hat. Und dann findet man doch Sachen, die eigentlich auch in
jeder Papstrede vorkommen könnten. Ich glaube der entscheidende Punkt war wohl, die
EU soll dafür sorgen, dass die Türkei Minderheiten respektiert. Das wurde ein bisschen
durch die Blume in dieser Erklärung ausgesprochen. Und das ist natürlich ein heikler
Punkt. EU misch dich bitte in die türkischen Angelegenheiten ein, damit wir als Christen
in der Türkei überleben können. So etwas diplomatisch zu formulieren, ist keine Kleinigkeit.“
(rv 30.11.06 gs)