2006-11-30 20:12:38

Dritter Tag: Bilanz


Ein großer, ein historischer Tag zweifellos. Zunächst das orthodoxe Andreasfest unter Teilnahme des Papstes. Anstrengend war`s, das sah man dem müden Gesicht Benedikts an, aber auch eine bewegende Erfahrung der Einheit. An der Umarmung zwischen Benedikt und Patriarch Bartholomaios war nichts Gekünsteltes – hier haben zwei Kirchenmänner zu einer direkten persönlichen Beziehung gefunden, und das ist Gold wert im ökumenischen Gespräch. Erst recht, wenn es um den Orient geht und den Osten, das Terrain der historischen Verwicklungen und der tragischen Missverständnisse.
Historisch auch die Gemeinsame Erklärung von Papst und Patriarch. Da wird die Einheit feierlich als Ziel beider Kirchen proklamiert; da wird vom „christlichen Erbe Kleinasiens“ und nicht nur Europas gesprochen; da wird Religionsfreiheit als Meßlatte der Zugehörigkeit zu Europa definiert. Wenn nicht alles täuscht, dann knüpfen Benedikt und Bartholomaios direkt an das gute Einvernehmen von Paul VI. und Athenagoras I. an, das in den sechziger Jahren bahnbrechend wurde für eine Versöhnung beider Kirchen. Johannes Paul II. war es 1979 anscheinend nicht gelungen, zum damaligen Patriarchen Dimitrios, den er im Phanar besuchte, ein ähnlich gutes Verhältnis aufzubauen.
Und dann diese Bilder, wie Benedikt XVI. in Strümpfen durch die Blaue Moschee geht, freundlich lächelnd, den etwas weitschweifigen Erläuterungen des Großmuftis von Istanbul lauschend. Das Bild des Tages, kein Zweifel. Bis vor kurzem glaubten alle, das sei erst der zweite Besuch eines Papstes in einer Moschee überhaupt. Großer Vorläufer: Johannes Paul II. im Jahr 2001 in der Großen Moschee von Damaskus. Erst an diesem Donnerstag sickerte aus dem Vatikan durch, Johannes Paul sei schon 1979 in ebendieser Blauen Moschee von Istanbul herumspaziert – aber heimlich, als Tourist. Hätte man das damals schon gewusst – die Nachricht wäre ein journalistischer Scoop gewesen. Fast muss man darüber lachen, dass sowohl Mufti wie Papst auf die Darstellung von Friedenstauben als Geschenke verfallen waren. Man merkt daran, wie nötig und wie beidseitig diese Friedensbeteuerung zwischen den beiden Religionen… war. Oder ist.
Wo bleiben bei all dem die (wenigen) Katholiken der Türkei? Sie hatten zwar ihre Messe in Ephesus am Mittwoch, aber an diesen entlegenen Ort konnten nur ein paar hundert Menschen hinkommen. Bisher dürften sie sich vom Papst in der Türkei etwas vernachlässigt fühlen. Aber sie haben ja noch am Freitag früh ihre Messfeier in der Kathedrale von Istanbul mit dem Papst.
Mit seiner hartnäckigen Freundlichkeit hat Benedikt XVI. es verstanden, die anfängliche Reserviertheit der meisten Türken aufzubrechen. Die kleine Demonstration von Papstgegnern am Abend an der Hagia Sophia mit angeblich nur fünfzig Teilnehmern kam gegen seine sanftpfötige Charme-Offensive nicht an. „Ich liebe diesen Papst“, schrieb an diesem Donnerstag der Leitartikler einer Zeitung. Wer hätte das vor kurzem gedacht… Man sollte sich daran erinnern, wenn in Kürze wieder der Alltag einkehrt. In der Türkei. In der Ökumene. In der kleinen christlichen Herde von Kleinasien.
(rv 30.11.06 sk)







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