Ein großer, ein historischer Tag zweifellos. Zunächst das orthodoxe Andreasfest unter
Teilnahme des Papstes. Anstrengend war`s, das sah man dem müden Gesicht Benedikts
an, aber auch eine bewegende Erfahrung der Einheit. An der Umarmung zwischen Benedikt
und Patriarch Bartholomaios war nichts Gekünsteltes – hier haben zwei Kirchenmänner
zu einer direkten persönlichen Beziehung gefunden, und das ist Gold wert im ökumenischen
Gespräch. Erst recht, wenn es um den Orient geht und den Osten, das Terrain der historischen
Verwicklungen und der tragischen Missverständnisse. Historisch auch die Gemeinsame
Erklärung von Papst und Patriarch. Da wird die Einheit feierlich als Ziel beider Kirchen
proklamiert; da wird vom „christlichen Erbe Kleinasiens“ und nicht nur Europas gesprochen;
da wird Religionsfreiheit als Meßlatte der Zugehörigkeit zu Europa definiert. Wenn
nicht alles täuscht, dann knüpfen Benedikt und Bartholomaios direkt an das gute Einvernehmen
von Paul VI. und Athenagoras I. an, das in den sechziger Jahren bahnbrechend wurde
für eine Versöhnung beider Kirchen. Johannes Paul II. war es 1979 anscheinend nicht
gelungen, zum damaligen Patriarchen Dimitrios, den er im Phanar besuchte, ein ähnlich
gutes Verhältnis aufzubauen. Und dann diese Bilder, wie Benedikt XVI. in Strümpfen
durch die Blaue Moschee geht, freundlich lächelnd, den etwas weitschweifigen Erläuterungen
des Großmuftis von Istanbul lauschend. Das Bild des Tages, kein Zweifel. Bis vor kurzem
glaubten alle, das sei erst der zweite Besuch eines Papstes in einer Moschee überhaupt.
Großer Vorläufer: Johannes Paul II. im Jahr 2001 in der Großen Moschee von Damaskus.
Erst an diesem Donnerstag sickerte aus dem Vatikan durch, Johannes Paul sei schon
1979 in ebendieser Blauen Moschee von Istanbul herumspaziert – aber heimlich, als
Tourist. Hätte man das damals schon gewusst – die Nachricht wäre ein journalistischer
Scoop gewesen. Fast muss man darüber lachen, dass sowohl Mufti wie Papst auf die Darstellung
von Friedenstauben als Geschenke verfallen waren. Man merkt daran, wie nötig und wie
beidseitig diese Friedensbeteuerung zwischen den beiden Religionen… war. Oder ist. Wo
bleiben bei all dem die (wenigen) Katholiken der Türkei? Sie hatten zwar ihre Messe
in Ephesus am Mittwoch, aber an diesen entlegenen Ort konnten nur ein paar hundert
Menschen hinkommen. Bisher dürften sie sich vom Papst in der Türkei etwas vernachlässigt
fühlen. Aber sie haben ja noch am Freitag früh ihre Messfeier in der Kathedrale von
Istanbul mit dem Papst. Mit seiner hartnäckigen Freundlichkeit hat Benedikt XVI.
es verstanden, die anfängliche Reserviertheit der meisten Türken aufzubrechen. Die
kleine Demonstration von Papstgegnern am Abend an der Hagia Sophia mit angeblich nur
fünfzig Teilnehmern kam gegen seine sanftpfötige Charme-Offensive nicht an. „Ich liebe
diesen Papst“, schrieb an diesem Donnerstag der Leitartikler einer Zeitung. Wer hätte
das vor kurzem gedacht… Man sollte sich daran erinnern, wenn in Kürze wieder der Alltag
einkehrt. In der Türkei. In der Ökumene. In der kleinen christlichen Herde von Kleinasien.
(rv 30.11.06 sk)