Unser Mann in der
Türkei ist Stefan Kempis, er sitzt gemeinsam mit dem Team von Radio Vatikan in Istanbul,
das wie Ankara bereits zum Hochsicherheitstrakt wurde. Quasi unter jedem Baum sitzt
dort ein Polizist, erzählte er im Gespräch mit Birgit Pottler:
Auch
die Bilder vom Flughafen in Ankara und vom Mausoleum des Atatürk haben es ja gezeigt,
die Sicherheit ist wirklich allgegenwärtig. Es wirkt fast ein wenig steril. Das RV-Team
sitzt in Istanbul, wie ist dort die Stimmung jetzt im Volk? Die Bilder der Demonstrationen
sind noch präsent, wie ist es jetzt?
Eines muss man klar sagen: Alle
Deutschsprachigen, die schon längere Zeit in Istanbul leben und wohnen, die sagen,
‚regt euch nicht auf, die Leute sind doch eigentlich ganz freundlich gegenüber dem
Papst eingestellt, sie machen kein Geheimnis daraus, dass vor allem seine Stellungnahme
von Regensburg, bei ihnen einen sehr empfindlichen Nerv getroffen haben, aber jetzt
wollen sie doch sehr gastfreundlich sein’. Allerdings, wenn man hier über die Märkte
geht, mit den Leuten spricht, man trifft überall auf Leute, die sich sehr klar gegen
den Papst äußern, und sagen: ‚Was hat er hier zu suchen, warum besucht er uns? Der
soll erst mal Mohammed und dem Koran seinen Respekt bezeugen.’ Oder: ‚Ich bin zwar
tolerant, aber dieser Papst hat den Bogen überspannt.’ Es ist schon eine sehr kritische
Stimmung.
Der Papst geht auch in die Moschee - auf eigenen Wunsch. Ist
das schon genug, um die Volksseele zu beruhigen, oder was muss der Papst in diesen
kommenden Tagen tun?
Der Besuch in der Moschee ist sicher ein schönes
Zeichen, aber es ist natürlich keinem verborgen geblieben, dass das erst sehr spät
ins Programm eingefügt worden ist, fast könnte man sagen, gerade noch an die Hagia
Sophia drangehängt, um den Besuch dort nicht zu einem Missverständnis werden zu lassen.
Was der Papst tun muss, ist eigentlich ganz einfach. Er muss einfach nur freundlich
da sein, mit den türkischen Gesprächspartnern sprechen, offen sein, ihnen zuhören.
Durch diese freundliche Präsenz in den Fernsehbildern würde er vielen auch einfachen
Menschen signalisieren, ich beiße nicht, ich bin kein Bösewicht, ich will dem Islam
nichts Böses und auch nicht an der Ehre kratzen. Ich bin nur hier als euer Freund,
um euch zu helfen, auf dem Weg nach Europa, und dabei auch etwas für die bedrängten
Christen hier zu tun.
Der erste kritische Punkt der Reise ist ja scheinbar
schon gut gegangen: das Gespräch mit Premierminister Erdogan. Kann das wirklich ein
positives Signal für die Reise sein?
Ich glaube schon. Erdogan ist
ein sehr bestimmender, manchmal auch aufbrausender Politiker, dafür ist er in der
Türkei bei vielen geliebt, auf jeden Fall bekannt. Das wird vielen Türken signalisieren,
Erdogan ist jedenfalls nicht zornig oder böse auf den Papst, sondern hat da wirklich
einen freundlichen Gesprächspartner gefunden. Er will natürlich, wenn er auf den Fotos
mit dem Papst zusammen auftaucht, auch wieder nicht zu freundlich wirken, das könnte
ihm bei einer gewissen Wählerklientel auch übel genommen werden.