Vatikan: Papst bedauert Entwicklungen bei Anglikanern
Ökumenisches Gipfeltreffen
heute im Vatikan: Papst Benedikt XVI. hat am Vormittag den Primas der anglikanischen
Kirche, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, in Audienz empfangen. Der Papst
würdigte die Fortschritte im ökumenischen Dialog zwischen den beiden Kirchen, der
mit dem Besuch von Erzbischof Michael Ramsey von Canterbury bei Paul VI. vor genau
40 Jahren begonnen hatte. In seiner Ansprache an den Anglikaner-Primas sparte Benedikt
allerdings auch Trennendes nicht aus.
"In den vergangenen drei Jahren
haben Sie offen über die Schwierigkeiten gesprochen, die der Anglikanischen Gemeinschaft
zusetzen, und die zur Unbeständigkeit der Gemeinschaft als solcher führen. Jüngste
Entwicklungen in Bezug auf das Weiheamt und bestimmte Aspekte der Morallehre haben
nicht nur die internen Beziehungen in der anglikanischen Weltgemeinschaft beeinträchtigt,
sondern auch jene zwischen der anglikanischen Weltgemeinschaft und der katholischen
Kirche. Wir glauben, dass diese Themen, die im Moment in der anglikanischen Gemeinschaft
diskutiert werden, von wesentlicher Bedeutung bei der Verkündigung des Evangeliums
in seiner Gesamtheit sind, und dass Ihre aktuellen Debatten die Zukunft unserer gegenseitigen
Beziehungen bestimmen werden.“
Papst Benedikt bezieht sich auf Themen,
die die anglikanische Weltgemeinschaft in den vergangenen Jahren an den Rand der Spaltung
brachten, etwa die Bischofsweihe für Frauen und homosexuell lebende Männer oder Segnungsriten
für gleichgeschlechtliche Paare.
"Es ist zu hoffen, dass die Arbeit
des theologischen Dialoges, der bei einem nicht geringen Grad der Übereinstimmung
in diesen und anderen wichtigen theologischen Themen angelangt war, in Ihrer Wahrnehmung
weiterhin ernst genommen wird. Bei Ihren Überlegungen begleiten wir Sie mit innigem
Gebet. Wir hoffen sehr, dass die anglikanische Gemeinschaft im Evangelium und in der
Apostolischen Tradition verwurzelt bleibt, die unser gemeinsames Erbe und die Basis
unserer gemeinsamen Anstrengungen für die volle sichtbare Einheit sind.“
Meinungsverschiedenheiten
darüber, wie wir das Evangelium heute auf die Herausforderungen an die moderne Gesellschaft
beziehen, können die Errungenschaften des Dialogs und des gemeinsamen Zeugnisses oft
verdunkeln oder sogar bedrohen, entgegnete Erzbischof Williams in seiner Grußbotschaft.
"Nur
ein festes Fundament der Freundschaft in Christus kann uns dazu bringen, aufrichtig
miteinander über diese Schwierigkeiten zu sprechen und einen Weg nach vorne zu finden,
der versucht, unserem Auftrag als Nachfolger Christi vollkommen treu zu bleiben."
Die gemeinsame Erklärung von Papst Benedikt und Erzbischof Williams
betont vor allem die Errungenschaften des "fruchtbaren Dialogs" zwischen den beiden
Konfessionen. Doch auch sie spart die kritischen Punkte in dieser Beziehung nicht
aus. „Unsere lange gemeinsame Reise macht es notwendig, die Herausforderung durch
neue Entwicklungen, die ernsthafte Hindernisse unseres ökumenischen Fortschrittes
darstellen, öffentlich anzuerkennen“, heißt es in der Erklärung. Dennoch gebe es viele
Bereiche, in denen die anglikanische Gemeinschaft und die katholische Kirche zusammenarbeiten
könnten. Dazu gehöre der Frieden im Nahen Osten, der Respekt für das Leben von der
Empfängnis bis zum natürlichen Tod und der Schutz für die Heiligkeit der Ehe.
Im
Anschluss an die Audienz beteten Papst Benedikt und der anglikanische Primas gemeinsam
in der Kapelle „Redemptoris Mater“ im apostolischen Palast die Mittagshore. Erzbischof
Williams war mit seiner Frau und seinem Sohn nach Rom gekommen.