2006-11-16 16:33:09

Vatikan: Zweigeteilte Moral


RealAudioMP3 Wenn die Kirche sich für Flüchtlinge, Arme, Unterdrückte einsetzt, erntet sie Unterstützung auf breiter Linie. Wenn sie sich für Lebensschutz einsetzt, erntet sie bisweilen harsche Kritik. Über diese "Zweiteilung der Moral" in der öffentlichen Meinung sprach Papst Benedikt XVI. vergangene Woche zu den Schweizer Bischöfen auf Ad Limina Besuch. Wir fragten den Brixener Moraltheologen Karl Golser, Vorsitzender der Moraltheologen Italiens und früher Mitarbeiter in der römischen Glaubenskongregation, wie weit fortgeschritten die "Zweiteilung der Moral" in der westlichen Welt heute ist.
„Frieden und Gerechtigkeit, Ehrfurcht vor der Schöpfung, das sind alles sozialethische Themen, hier kann man gut mit den Idealen einverstanden sein, weil sie einen persönlich nicht so betreffen. Während gerade die Individualmoral, die den einzelnen persönlich in seinem Leben betreffen, die Probleme bestehen, und zwar hängen sie mit einer anthropologischen Krise des Menschen in der Postmoderne, der sich als brüchig erfährt, der kein Vertrauen in sich selber hat, nicht den Mut, sich zu binden für die Zukunft, und das sind die Themen der Sexualität in erster Linie, und Familie, aber auch Themen des Lebensschutzes, weil wir die Kontrollen für Lebensanfang und Lebensende viel mehr Zugriff haben als frühere Zeiten, in denen man das Leben mehr als Geschenk Gottes angesehen hat und keinen Einfluss hatte.“
In westlichen Gesellschaften stehen bei der Moral-Debatte eher Fragen des Zusammenlebens im Vordergrund, etwa soziale Gerechtigkeit oder Fürsorge. Andere Gesellschaften sind anders orientiert, erinnert Golser.
„Wenn man an die islamischen Gesellschaften denkt, da ist alles direkt noch eins, die individuelle und die öffentliche Moral, und bei uns haben sich da zwei Bereiche herausgebildet. Der eine Bereich der individuellen Moral, wo die Öffentlichkeit sich nicht mehr einmischen will, und der andere der öffentlichen Moral, der Fragen, die wirklich notwendig sind, damit man in Frieden zusammenleben kann, damit ein Gemeinwohl verwirklicht wird.“
(rv 16.11.06 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.