Österreich: Huber, nur "religiös neutraler Staat" garantiert Menschenrechte
EKD-Ratsvorsitzender
Bischof Huber bekräftigte beim Reformationsempfang in Wien den Einsatz der Kirchen
für Religionsfreiheit und das Bekenntnis zur Trennung von Religion und staatlicher
Rechtsordnung. Das muss auch im Dialog mit dem Islam zur Sprache gebracht werden,
so Huber in seinem Festvortrag. "Auch nach kirchlicher Auffassung kann also nur
der religiös neutrale Staat könne die volle Religionsfreiheit verfassungsrechtlich
sichern. Ein religiös gebundener Staat, der sich einer Religion gegenüber in besonderer
Weise verpflichtet weiß, läuft dagegen Gefahr, diese gegenüber anderen Religionen
in seinem Staatsgebiet zu privilegieren. Unterdrückung von Menschen wegen ihrer
religiösen Überzeugung gehört auch heute in vielen Ländern zur politischen Realität.
Es sind in unserer heutigen Welt vor allem Christen, die von Beeinträchtigungen der
Religionsfreiheit betroffen sind. Und es sind vor allem islamisch geprägte Staaten,
von denen solche Beeinträchtigungen ausgehen." Die Anlässe würden leider zunehmen,
deretwegen an die Religionsneutralität des Staates erinnert werden müsse. Scharfe
Kritik übte der evangelische Bischof an der Entwicklung religiös begründeter Parallelgesellschaften,
wie dies etwa auch in Deutschland in Bezug auf den Islam mancherorts zu beobachten
sei. Solche Gesellschaften seien ein Nährboden des Fundamentalismus. Huber: "Niemand
kann das Recht haben, unter Berufung auf religiöse Regeln oder auf kulturelle Traditionen
aus seinem jeweiligen Herkunftsland andere Menschen gewaltsam zu bedrängen, zu verletzen,
ja zu töten oder öffentlich und mit dem Anspruch auf Resonanz die These vom 'Traditionsmord'
zu vertreten." Um den inneren Zusammenhalt und Frieden zu erhalten, komme der
Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürgern deshalb große Bedeutung zu.
Die auf Dauer in Europa lebenden Muslime müssten einen Weg der Integration und der
positiven Mitgestaltung der deutschen Gesellschaft finden, forderte der Bischof. In
diesem Zusammenhang spiele neben der unverzichtbaren Spracherziehung der Religionsunterricht
eine Schlüsselrolle, so Huber, der sich vehement für einen islamischen Religionsunterricht
in Deutschland aussprach. Das Beispiel Österreich zeige, wie so etwas auch gut funktionieren
könne. Wie der EKD-Ratsvorsitzende weiters betonte, werde von den Religionsgemeinschaften
mehr denn je erwartet, "dass sie aktiv mithelfen, Grundstrukturen zur Sicherung
der Prinzipien der Zivilgesellschaft in den Ländern zu schaffen, in denen die Menschenrechte
noch nicht verwirklicht sind". Hier setzten die Kirchen auf die Zusammenarbeit
mit anderen Religionsgemeinschaften, insbesondere dem Islam. Dabei würden die Kirchen
erwarten, "dass andere Religionen in den Ländern, in denen die Christen in der
Minderheit sind, sich ebenso für die freie Religionsausübung der christlichen Kirchen
und gegen staatliche Behinderungen einsetzen, wie sie in den Staaten der Europäischen
Union die Religionsfreiheit in Anspruch nehmen". Für die Kirchen werde dies auch
ein Prüfstein für die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei
sein, betonte der Bischof. Die Religionsfreiheit als individuelles Menschenrecht
sei durch den Islam im Ganzen bisher nicht anerkannt worden, bemängelte der Bischof.
Den Grund dafür ortete er vor allem in der noch nicht vollzogenen Trennung von Religion
und staatlicher Rechtsordnung. Für europäisches Bewusstsein sei seit der Aufklärung
das Recht von seiner religiösen Begründung gelöst. Seine Freiheit werde dem Menschen
nicht durch den Herrscher verliehen. Vielmehr werde der Mensch mit einer Freiheit
geboren, die gerade nicht vom Staat abhängig ist. Dieser geistesgeschichtliche Umbruch
der Aufklärung müsse Thema im Dialog mit dem Islam werden, forderte Huber. Auch
der evangelisch-lutherische Bischof von Österreich, Herwig Sturm, legte in seinen
Ausführungen ein Bekenntnis zu Europa und seinen Werten ab. "Unsere Kirchen sehen
die Erneuerung und Einheit Europas als wesentliche Aufgabe für ihr Handeln heute und
in Zukunft: Sie wünschen sich Europa als Beispiel und Vorbild für die ökosoziale Marktwirtschaft
und für den Rechtsstaat mit dem gegenwärtigen Standard der Menschenrechte." Das
vielsprachige und mulitkulturelle Europa stehe für den Schutz des Individuums und
seiner Rechte, für den Schutz der Schwächeren und Minderheiten jeder Art, für Religions-
und Meinungsfreiheiten, betonte der Bischof. (kathpress/rv 31.10.06 bp)