In Nicaragua stehen am 5. November Präsidentschaftswahlen an. Im Eilzugstempo, bevor
neue Entscheidungsträger antreten, hat gestern das Parlament ein international kritisiertes
totales Abtreibungsverbot durchgesetzt. Künftig bestraft Nicaragua jede Frau, die
abtreibt, mit Gefängnis zwischen vier und acht Jahren, auch nach Vergewaltigungen
oder bei Lebensgefahr für die Mutter. Der Schwangerschaftsabbruch war das zentrale
Wahlthema geworden. Für viele überraschend, hat sich auch der sandinistische, also
linksgerichtete Ex-Revolutionär und Präsidentschafts-Favorit Daniel Ortega für das
totale Abtreibungsverbot stark gemacht. Dieser unerwartete Kuschelkurs von links an
die katholische Kirche ist indes nur eine von vielen Merkwürdigkeiten und Herausforderungen
an Nicaraguas zukünftige Politik, sagt der deutschstämmigen Bischof von Granada, Gerhard
Hombach.
„Unser Problem ist nicht, dass die Polizei oder das Heer seine
Kompetenzen überschreitet, sondern dass die Rechtsprechung in der Hand von einer Partei
ist, der sandinistischen Partei, und die Spitze der Justiz ist eindeutig korrupt.
In die Rechtssprechung haben die meisten Nicaraguaner kein Vertrauen mehr.“
Ex-Revolutionär
Daniel Ortega, der nach 16 Jahren eine Rückkehr auf die politische Bühne Nicaraguas
versucht, liegt in den Meinungsumfragen deutlich vor seinen Rivalen aus dem konservativen,
neoliberalen Lager. Die Kirche spricht keine Wahlempfehlung aus, betont Bischof Hombach,
doch Vorstellungen von einem guten Kandidaten hat sie sehr wohl.
„Wir bräuchten
einen Kandidaten mit sozialer Vision. Aber unter den nichtsandinistischen Kandidaten
spricht man eine rein neoliberale Sprache. Sie sehen allein im Wachstum die Lösung,
dass dann die Misere vorbei ist. Doch haben andere Beispiele und auch Nicaragua bewiesen,
dass Wirtschaftswachstum allein noch keinen sozialen Ausgleich bringt.“ (rv
27.10.06 gs)